SBV-Direktor Martin Rufer wies auf die Schwierigkeiten beim Pflanzenbau hin.
Anine Hungerbühler
Monika und Urs Tellenbach haben auf ihrem Betrieb im bernischen Pieterlen Chia-Samen angebaut. Aufgelaufen sind keine. Dafür hat sich der Amaranth ausgebreitet. Das Superfood ist bei weitem nicht die einzige Kultur, die in der Schweiz mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat.
Aus diesem Anlass veranstalteten der Schweizer Bauernverband, Bio Suisse und IP-Suisse eine gemeinsame Medienkonferenz. «Eine Premiere», wie SBV-Mediensprecherin Sandra Helfenstein sagte. Die Probleme im Pflanzenbau verdeutlichen sich am Selbstversorgungsgrad mit pflanzlichen Produkten, der bei rund 35 Prozent liegt. Das liegt nicht an den Bäuerinnen und Bauern, wie Urs Brändli, Präsident Bio Suisse, sagte: «Gerne würden viele Bauernbetriebe ihre pflanzliche Produktion für die direkte menschliche Ernährung ausbauen.»
Fast nur in den Hofläden
Für innovative Produkte und solche, die gefragt wären wie Hafer für Haferdrink oder Quinoa, gibt es keinen Grenzschutz, wie SBV-Direktor Martin Rufer den zahlreich erschienen Medienschaffenden erklärte. «Wenn wir diese Kulturen effektiv fördern wollen, dann braucht es eine Diskussion über eine Erweiterung der Zölle und der Einfuhrsysteme.» Es müssten auch Umgehungslücken, beispielsweise jene für zollfrei importierte Teiglinge, geschlossen werden.
Spezielle Produkte wie bei der Familie Tellenbach finden sich laut Rufer fast nur in den Hofläden, wo die Familien die Preisgestaltung selbst in der Hand hätten. «Neues anzubauen bereitet uns viel Freude. Es besteht aber auch das Risiko, dass einmal etwas schiefgeht», sagte Urs Tellenbach.
700 Dossier offen
Eine solche Erfahrung sind die eingangs beschriebenen Chia-Samen. Auch Quinoa haben sie auf dem Betrieb für IP-Suisse angebaut. Doch damit haben sie wieder aufgehört. Sie produzieren nur noch kleine Mengen für den Hofladen. Aufgrund des harzenden Absatzes sistierte IP-Suisse ihr Quinoa-Programm. «Wir stellen fest, dass die preisliche Konkurrenz gross ist. Die Abnehmer und am Schluss die Konsumentinnen und Konsumenten haben eine beschränkte Bereitschaft, die höheren Preise für inländische Ware zu bezahlen», sagte IP-Suisse-Geschäftsführer Christophe Eggenschwiler.
IP-Suisse hat das Quinoa-Programm aufgrund mangelnder Nachfrage sistiert.
Jonas Ingold
Es gab aber auch Schwierigkeiten im Anbau. Das waren laut Tellenbach: Fehlende Sorten, Hitzestress, fehlende Wirkstoffe zur Unkrautbekämpfung und der Preisdruck durch Importe. Alles Gründe, weshalb sich die drei Verbände zusammengetan haben, um über die aktuelle Situation zu informieren.
Auch Rufer hob hervor, dass der Grenzschutz nicht die einzige Schiene sei. Auch der Schutz der Kulturen sei ein grosses Thema. «Bei der Zulassungsbehörde haben wir einen gewaltigen Rückstau», machte er deutlich. Es lägen rund 700 Dossier auf dem Stapel der Behörde. Gleichzeitig gebe es immer mehr Hürden, wenn es um alternative Methoden wie das Einnetzen oder Überdachen von Spezialkulturen geht. «Dabei ist das die beste Methode, um möglichst umweltfreundlich zum Beispiel Äpfel anzubauen», führte der Verbandsdirektor aus.
Die Landwirtschaft ist mit diesen Problemen nicht allein. «Die erste Verarbeitungsstufe – wie wir Mühlen – sind auf den einheimischen Anbau und die Nachfrage von Seiten der Abnehmer und Konsumentinnen und Konsumenten angewiesen, um innovative oder auch klassische Pflanzenbauprodukte erfolgreich zu vermarkten», führte Regula Beck, Geschäftsführerin der Mühle Landshut in Utzenstorf aus.
Die Schweizer Bauernbetriebe, IP-Suisse oder Bio Suisse und Verarbeitungsbetriebe wie Mühlen möchten mehr pflanzliche und innovative Lebensmittel für die Bevölkerung bereitstellen. «Sie investieren, um den Anbau in der Schweiz zu ermöglichen und die Nachfrage zu erhöhen», so der SBV. Damit dies künftig erfolgreicher ist, «müssten die Rahmenbedingungen stimmen und die Wertschöpfungskette muss bis zu den Konsumentinnen und Konsumenten mitziehen», so der Bauernverband weiter.
Kompromisse finden
Dem pflichtete auch Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli bei. Mit Hagelschutz- und Insektennetzen könnten die Kulturen geschützt werden. «Leider scheitern solche Projekte oft an den strengen raumplanerischen Vorgaben», sagte Brändli. Sie hätten viel Verständnis für den Schutz von schönen Landschaften. Aber wenn die Pflanzenschutzmittel reduziert, und die vom Markt geforderte optische Qualität von Gemüsen und Früchten erreicht werden soll, dann seien Kompromisse nötig.
Urs Brändli setzt sich für Kompromisslösungen in der Raumplanung zum Bau von zum Beispiel Hagelschutznetzen ein.
Anine Hungerbühler
Neben dem Grenzschutz und dem ausreichenden Schutz spricht Rufer von der Wichtigkeit der Deklaration der Rohstoffe und Produktionsmethoden. «Es muss für Konsumentinnen und Konsumenten sichtbar sein, wenn ein Importprodukt mit in der Schweiz verbotenen Pflanzenschutzmittel hergestellt wurde.» Und so kommt Rufer zum Schluss: «Ja, der Pflanzenbau ist aktuell in Sorgenkind. Doch die Lösungen liegen auf dem Tisch.» Behörden, Politik und Konsumenten hätten es in der Hand, diesen nicht nur mit Worten, sondern mit Taten zu folgen. «Gerade in Bundesbern braucht es mehr Taten und weniger Sonntagspredigten», kritisierte Rufer.
Betriebsspiegel Breitenhof
Monika und Urs Tellenbach bewirtschaften den Hof gemeinsam mit ihren drei Kindern. Die landwirtschaftliche Nuzfläche beträgt 44 Hektaren, wovon 27 Hektaren Ackerfläche sind. Angebaut werden Winterweizen, Körnermais, Urdinkel, Zuckerrüben, Soja, Ackerbohnen, Kichererbsen, Linsen, Sorghum-Hirse, Kidneybohnen, Weisse Bohnen, Polentamais, Popcornmais, Erdbeeren und Blumen.
Zudem läuft auf dem Betrieb je ein Anbauversuch mit Chiasamen und Quinoa ohne Pflanzenschutzmittel. Die Spezialkulturen werden auf dem Betrieb getrocknet, gereinigt, verarbeitet und schliesslich verkauft im Hofladen. Zum Betrieb gehören weiter 25 Grossvieheinheiten Mutterkühe, vorwiegend Limousin-Tiere.
Hinter praktisch allen Lebensmitteln steht egal woher ein Landwirt‘in…
Lösung für alle Probleme…. Nahrungsaufnahme verbieten.
Leute… die Landwirtschaft sorgt auf der ganzen Welt für Eure Ernährung.
Die Politik entscheidet mit ihren Rahmenbedingungen, welche Landwirtschaft sie will. Heute scheint das eher eine ökologisierende als eine produzierende zu sein. Dabei verlangt die Verfassung ausdrücklich auch die Sicherstellung der Selbstversorgung – ein Auftrag, der in der politischen Debatte sehr unterschiedlich gewichtet wird. Für uns Bäuerinnen und Bauern bleibt die Versorgung im Zentrum unseres Handelns, auch wenn wir gleichzeitig Landschaft, Biodiversität und dezentrale Besiedlung gewährleisten. Diese Vielzahl an Erwartungen kostet. Es wäre ehrlicher, offen zu sagen, was Priorität haben soll: schöne Blumenwiesen oder volle Teller. Beides gibt es nicht gratis.
...nun ja, die 8 verschiedenen lokalen Handwerker, welche unseren Hausumbau realisiert haben, interessierten sich nicht, ob ich ihre Rechnungen mit Geld von Direktzahlungen oder vom Weizenverkauf zahlte - die Rechnungen wollten beglichen sein.... Ev. merken es die armen Seelen, welche ständig das Gefühl haben, die Bauern kriegen einfach so massenweise Geld zugeschoben kriegen, vielleicht doch noch, dass wir alle mehr voneinander abhängig sind, als wir meinen . Allerdings war ich bezüglich dieser Erkenntnis auch schon optimistischer...