Um das Klima zu schützen, droht in Irland fast 200’000 Kühen der Tod. Die Idee der irischen Regierung hat hohe Welle geschlagen. Auch in der Schweiz. Einige Akteure möchten ähnliche Pläne auch hierzulande umsetzen, oder zumindest teilweise. Der Bauerverband spricht von einer «Schnapsidee». Wie denkt Ihr darüber? Stimmt ab und diskutiert mit.
Die Meldung schlug ein wie eine Bombe: Mitte Juni wurde ein internes Papier des irländischen Landwirtschaftsministeriums publik. Dieses sieht vor, dass in den kommenden drei Jahren fast 200’000 Kühe getötet werden sollen. Die bis jetzt geplanten Massnahmen reichten nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen, so die Regierung.
Sogar über 700’000 Kühe?
Wie die Zeitung «Independent» berichtet, sieht der Plan vor, von 2023 bis 2026 jährlich 65’000 Tiere zu schlachten. Es handelt sich um sogenannte Kernmassnahmen. Für jede getötete Kuh gäbe es eine Entschädigung von 3’000 Euro (ca. 2’920 Franken). Die 18’000 irischen Milchbauern sind alarmiert. Ein solches Programm könne nur freiwillig sein, sagte Pat McCormack, Präsident des Verbands der irischen Milchlieferanten, der Deutschen Presse-Agentur. Und auch die Finanzierung sei noch nicht gesichert. «Es sollte bilaterale Gespräche geben, um einen Plan zu erstellen, der die ganze Branche mit ins Boot holt», sagte Pat McCormack weiter.
Doch aus das reicht gemäss der Regierung nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen. Um die Lücke zu schliessen, müssten nach Ansicht der irländischen Regierung in den kommenden Jahren «10 Prozent des Viehbestands durch andere Aktivitäten ersetzt» werden. Das wären 740’000 Tiere. In Irland gibt es mehr als 7 Millionen Rinder, davon 1,55 Millionen Milchkühe.
«Gewisse Reduktion»
Diese Idee aus Irland wird auch in der Schweiz heiss diskutiert. Selbst Biobauer und Nationalrat Kilian Baumann (Grüne, BE) bezeichnet diese Massnahme gegenüber dem Onlineportal «Watson» als Hauruckübung, ist aber trotzdem der Meinung, dass es eine gewisse Reduktion des Tierbestands brauche. «Dass einzelne Länder nun Feuerwehrübungen durchführen, zeigt, dass die Politik jahrelang geschlafen hat», bemängelt Baumann gegenüber dem Onlineportal. Eine Umsetzung sei aber nur mit einer sinkenden Nachfrage nach Milch und Fleisch möglich. «Eine Mangellage sowie ein Preisanstieg der einheimischen Produkte würde einfach durch günstige Importe ausgeglichen. Die Verantwortung würde an andere Länder abgewälzt werden. Das ist nicht zielführend», so Baumann.
Beim Schweizer Bauernverband (SBV) hält von der Idee nicht viel. Bauernverbandspräsident und Nationalrat Markus Ritter (Mitte, SG) spricht gegenüber der «Sonntagszeitung» von einer Schnapsidee, als ihm die Frage gestellt wird, ob man auch in der Schweiz Kühe fürs Klima schlachten sollte. Hierzulande gebe es so wenige Kühe wie seit 120 Jahren nicht mehr. «Wenn wir etwas unternehmen wollen, müssen wir nicht bei den Nutztieren ansetzen.» Das Rindvieh verstärke den Klimawandel gegenüber früher «sicher nicht».
Proviande
Mehr Importe
SBV-Mediensprecherin Sandra Helfenstein spricht gar von einer «völlig sinnfreien Aktion». In der Schweiz seien mehr als zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche Grasland, vor allem im Berggebiet. Dort eigne sich die Milchviehhaltung. «Wenn man dort keine Raufutterverzehrer mehr hat, kann man diese Flächen gar nicht mehr für menschliche Ernährung nutzen», sagt Helfenstein zu «Watson». Zuerst müsse der Konsum sinken, bevor die Viehbestände reduziert würden.
Die Branchenorganisation Proviande kann den Plänen nichts abgewinnen. «Es müsste deutlich mehr Fleisch importiert werden», sagte Sprecherin Gioia Porlezza zur «Sonntagszeitung». Heute könne der Fleischmarkt in der Schweiz 80 Prozent des Bedarfs decken. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liege über die vergangenen Jahre stabil bei ungefähr 50 Kilogramm.
Jasmin Bieri
Kühe nur im Berggebiet
Anders sieht das Marcel Liner von Pro Natura. Es sei nicht verkehrt, über solche Lösungsansätze zu diskutieren. Der Agrarpolitik-Verantwortliche bei der Naturschutzorganisation meint, dass man auch hierzulande nicht weit von einer solchen Diskussion entfernt sei. Problematisch seien die Ackerbaugebiete, auf denen intensiv Milch produziert werde und das mit immer mehr Kraftfutter, so Liner gegenüber «Watson». «Es geht nicht darum, dort keine Nutztiere mehr zu haben, wo es sinnvoll ist», sagte Liner. Und meint damit die Hügel- und Berggebiete.
Ins gleiche Horn wie Liner stösst Franziska Herren. Für die Initiantin der kürzlich lancierten Ernährungsinitiative kommt dieser Vorschlag aus Irland zur richtigen Zeit. Im Jahr 2021 haben die EU und die Vereinigten Staaten mit der Global Methan Pledge eine Initiative lanciert, welche die globalen Methanemissionen bis 2030 um 30 Prozent gegenüber 2020 reduzieren will.
«50% Nutztiere zu viel»
Zu diesem Ziel hat sich auch die Schweiz verpflichtet. Um dieses Ziel zu erreichen, seien radikale Massnahmen à la Irland auch hierzulande «dringend nötig», wird Aktivistin Franziska Herren in der «Sonntagszeitung» zitiert. Für Herren steht fest: «Etwa 50 Prozent der Nutztiere in der Schweiz sind zu viel. Wir haben im Vergleich zu unseren Weideflächen nicht nur zu viele Kühe, sondern auch zu viele Hühner und Schweine.»
Unterstützung erhält Herren wenig überraschend von Greenpeace. Die Umweltschutzorganisation begrüsst die Idee und spricht von einem mutigen und wichtigen Schritt. «Weniger Tierhaltung ist ein wichtiger Hebel, um die Klima- und Biodiversitätskrisen zu bekämpfen», sagte Alexandra Gavilano, Expertin für nachhaltige Ernährungssysteme bei Greenpeace, zum Onlineportal «Nau».
Wie denkt Ihr darüber? Ist eine Schnapsidee, braucht eine gewisse Reduktion oder einen massiven Einschnitt? Stimmt ab
Da leuchtet es ein, weshalb sie lieber Kühe schlachten als den Schwerpunkt auf eine effizientere, sauberere und selektivere Nutzung der fossilen Brennstoffe zu setzen.
Zuerst kommt es in der EU, nachher bei uns.