«Etwas ist faul im Staate Dänemark» heisst es in Shakespeares Hamlet. Dieses Zitat ist heute eine Redewendung, die gebraucht wird, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Und tatsächlich ist auch etwas faul auf den Ackerfeldern der Schweiz. Nämlich das Gemüse, das dort verfault, weil es der Grosshandel aufgrund der strengen Qualitätsbestimmungen nicht annimmt.
20% Ausschuss eingeplant
Der Bund muss einen Aktionsplan gegen Food-Waste lancieren, um die Bevölkerung auf einen schonenden Umgang mit Lebensmittel zu sensibilisieren. Bauern, deren produziertes Gemüse niemand will, werden immer wieder als Klimasünder hingestellt. Viele Stimmen fordern eine «produzierende» Landwirtschaft. Gleichzeitig verrottet aber das Gemüse direkt auf den Feldern. In solchen Zeiten scheint eine Anpassung der «Schweizerischen Qualitätsbestimmungen für Gemüse» dringend notwendig.
Denn gemäss einem Bericht vom «Saldo» werden in der Schweiz jährlich 75’000 Tonnen essbares Gemüse direkt auf den Gemüseäckern kompostiert. Die Bauern ernten das Gemüse nicht einmal mehr, weil sie wissen, dass sie keinen Abnehmer finden. Sie rechnen gar mit einem solchen Ausschuss und kalkulieren beim Anbau gleich 20% Ausschuss dazu. Den Steuerzahler kostet das Millionen Franken. Die Verbände schweigen.
Etwas ist faul in der Schweizer Eidgenossenschaft.
Kommt es wirklich auf die Länge an?
Das Konsumentenmagazin «Saldo» liess sich von einem Gemüsebauer aus Schaffhausen ein Rüebli zeigen, das der Handel nicht mehr annehmen würde. Es wäre ohne weiteres noch geniessbar. Doch allein ein kleiner Makel genügt, wie ein kleiner Riss oder eine leichte Verformung, und das Rüebli landet nicht im Znünisack einer Schülerin, sondern auf dem Komposthaufen.
Und so geht es jedem Salat und Fenchel, jeder Aubergine und jedem Radieschen, das nicht den strengen «Schweizerischen Qualitätsbestimmungen für Gemüse» entspricht. Für 107 Gemüsesorten sind in diesem Regelwerk unzählige Anforderungen bis ins Detail definiert.
Für ein markttauglichen Rüebli verlangen sie «gleichmässig in Form und Farbe», «nicht deformiert», «ohne Flecken und Verfärbungen», «nicht gebrochen, nicht angeschnitten» und maximal 24 Zentimeter lang sein. Insgesamt muss es 13 Mindestanforderungen, sieben besondere Bestimmungen sowie Vorgaben an Grösse und Gleichmässigkeit erfüllen.
Wegen strenger optischer Vorgaben lehnt der Handel viel essbares Gemüse ab. Bauern vernichten deswegen 75‘000 Tonnen pro Jahr. Auch auf Kosten der Steuerzahler. Die Recherche im #saldo. #foodwastehttps://t.co/S3Yfqb8m0c
— Daniel Mennig (@boundme1) September 13, 2023
Grossverteiler nutzen strenge Regeln aus
Ein anderer Bauer aus dem Kanton Zürich teilte dem «Saldo» mit, dass er vor vier Jahren die Ernte eines ganzen Rüeblifeldes nicht an den Detailhandel habe verkaufen können. Dies, weil die Rüebli länger als die erlaubten 24 Zentimeter waren. Ein Berner Bauer habe wegen den strengen Qualitätsnormen im letzten Sommer die ganze Zucchetti-Ernte von 1,5 Hektaren kompostieren müssen. Auch dieses Jahr waren einige Zucchetti zu gross, als dass sie ein Grossverteiler abgenommen hätte.
Das Tragische ist, dass die Bauern für das nicht ganz so perfekte Gemüse kaum einen anderen Abnehmer finden, sage Markus Waber, stellvertretender Direktor des Gemüseproduzentenverbands. Die Gemüse verarbeitende Industrie nehme das makelhafte Gemüse nicht ab, da sie schon genügend Gemüse von den Bauern beziehe, mit denen sie Lieferverträge habe.
Wenn es genug Ware auf dem Markt habe, sei dem Handel jeder kleinste Makel recht, um das Gemüse abzulehnen, sagen die betroffenen Bauern. Und wenn der Absatz nicht gesichert ist, lohne es sich oft gar nicht, das Gemüse überhaupt zu ernten. Wohlgemerkt Gemüse, das eigentlich für den Verzehr einwandfrei wäre, hätte es nicht diese kleinen Makel.
Auf der Internetseite der «Schweizerische Qualitätsbestimmungen für Gemüse» qualiservice.ch wird dieser Kopfsalat als «nicht tolerierbar» definiert (Stand: 15.09.2023).
zvg
Lockerungen vom Juni genügen nicht
Einer EHT-Studie aus dem Jahr 2019 liesse sich entnehmen, dass jährlich schätzungsweise 75'000 Tonnen essbares Gemüse direkt auf den Feldern kompostiert würden. Das sind 11,6 Prozent des produzierten Frischgemüses und 16,1 Prozent des Lagergemüses.
Der Grund dafür sehen die Wissenschafter aber nicht nur in den strengen Qualitätsbestimmungen, sondern auch in Marktüberschüssen. Weder der Verband des Schweizerischen Früchte-, Gemüse- und Kartoffelhandels Swisscofel, noch der Verband der Schweizer Gemüseproduzenten VSGP wollte dem «Saldo» die Höhe der Verluste auf dem Feld kommentieren.
Die geringfügige Lockerung der Qualitätsbestimmungen Anfang Juni wirken wie ein Tropfen auf den heissen Stein. Der Salat dürfe durch diese Anpassungen neu ein kleines braunes Rändchen aufweisen und der Blumenkohl dürfe auch «leicht gelblich» sein, doch an der Grundproblematik ändert dadurch wenig.
Christian Sohm, Direktor von Swisscofel, warnt davor die Qualitätsbestimmungen für Gemüse zu schnell zu lockern. Die Konsumenten wären nicht bereit Gemüse mit Mängeln zu kaufen.
zvg
Swisscofel warnt vor Lockerung
Swisscofel-Direktor Christian Sohm warne aber vor einer zu schnellen Lockerung der Vorschriften. Die Konsumenten würden leicht fehlerhafte Produkte nicht kaufen wollen, meint Sohm. Dafür kostet die jährliche Vernichtung von noch essbarem Gemüse die Steuerzahler Millionen Franken.
Die Landwirte würden bereits beim Anbau einen Ausschuss von rund 15 bis 20 Prozent in ihre Kalkulation mit einplanen. Die Steuerzahler finanzierten so Jahr für Jahr die Produktion von Ausschussware mit Direktzahlungen in der Höhe von rund drei bis vier Millionen Franken, hält «Saldo» abschliessend fest . Sie erhalten Geld für die rund 1’000 bis 2’000 Hektaren Land, auf dem sie Gemüse produzieren, das aber nie in den Laden kommt.
Etwas ist faul in der Schweizer Eidgenossenschaft.
Ich kenne niemanden, der nicht auch das Gemüse essen würde, das verrotten muss, weil es nicht einer kranken "Norm" entspricht.
Vielleicht sollten sich auch mal die Bauern direkt wehren. Lieferstop und Verkauf direkt ab Hof. Hat jeder mehr von und es wird weniger Nahrung weggeworfen.
Immer heulen wegen Foodwaste, dass gar nicht die Konsumenten das Hauptproblem sind (natürlich auch!) sondern die Verkäufer interessiert den Staat nicht. Bestraft werden dann die Konsumenten...
Die Leute sind zu verwöhnt und die Laden Chefs haben keine Ahnung von Gemüse und Früchte vom Freiland die nehmen Ihre cm und was größer ist kommt in die Tonne genau gleich beim aussehen ja nichts was eine Form hatte wie Sie wollen ich finde das sehr traurig
Herzliche grüße
Käthi Schöni