Die Bäuerinnen und Bauern in der Schweiz kämpften mit verschiedenen Problemen, sagte Parmelin auf einem Kartoffelfeld der Familie Herren bei Wileroltigen BE. Dazu gehörten die mit dem Klimawandel einhergehenden und zunehmenden Wetterextreme, die steigenden Ansprüche der Gesellschaft für eine nachhaltige Produktion und die teilweise fehlende Wertschöpfung.
Landwirtschaft muss sich lohnen
Nicht alle Forderungen, die die Bauern im vergangenen Winter bei den Kundgebungen aufstellten, haben sich umsetzen lassen. Das Festlegen der Produzentenpreise obliegt den Branchenorganisationen. Die vom Schweizer Bauernverband verlangte Erhöhung von fünf bis zehn Prozent liess sich nicht realisieren.
Ein wenig anders sieht es bei den Forderungen an die Politik aus. Bundesbern hat die Unzufriedenheit wahrgenommen. «Wir nehmen die Sorgen der Landwirtschaft ernst», sagte Bundesrat Guy Parmelin am Freitag auf dem Betrieb der Familie Herren im Westen der Stadt Bern. «Die Agrarpolitik muss die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion schaffen und zur Versorgungssicherheit beitragen», hielt Parmelin fest. Gleichzeitig müsse dafür gesorgt werden, dass sich der Landwirtschaftsberuf finanziell lohne. Ein weiteres Anliegen des Landwirtschaftsministers ist es, beim Direktzahlungssystem eine «grösstmögliche Stabilität» sicherzustellen. Die Auflagen würden nicht strenger, sagte Parmelin.
Perspektiven bieten
Das Ziel sei es, den Produzenten Perspektiven zu bieten, die Instrumente zu verbessern und zu vereinfachen. Das ist auch die zentrale Forderung von Christoph Herren. Das Kontrollwesen und der administrative Aufwand hätten in den vergangenen Jahren überbordet, kritisierte er. Der Agrarminister will bei der Agrarpolitik 2030+ die gesamte Wertschöpfungskette integrieren.
Nicht wie bis jetzt, als man entweder die Anforderungen bei den Produzenten verschärft oder die Konsumentenpreise erhöht habe, so Parmelin. Nicht zuletzt will Parmelin Licht ins Dunkel bringen, wer wie viel verdient: «Es braucht mehr Transparenz entlang der ganzen Kette, um die Verteilung der Wertschöpfung zu sehen.» Diese Aussage dürfte noch zu reden geben.
Drei Fragen an Bundesrat Parmelin
«Schweizer Bauer»: Bundesrat Guy Parmelin, bei den Bauern brodelt es, und in der Romandie sprechen sie davon, die Kundgebungen wieder aufleben zu lassen. Was sagen Sie dazu?
Guy Parmelin: Nicht nur die Bauern in der Westschweiz sind unzufrieden wegen der Komplexität der Agrarpolitik, sondern in der gesamten Schweiz. Wir arbeiten nun an der Zukunft, an der Agrarpolitik 2030+. Hier gibt es zwei Stossrichtungen: Einerseits wollen wir die Wertschöpfung für die Landwirte erhöhen, andererseits streben wir eine Reduktion der administrativen Belastung an. Nun geht es um die konkrete Umsetzung.
Gibt es 2030 Änderungen?
Nein, wir wollen nicht bis 2030 warten. Wir wollen und müssen vereinfachen. Die Landwirtschaft ist zu kompliziert. Sobald wir konkrete Massnahmen zusammen mit den Kantonen und den verschiedenen Interessengruppen erarbeitet haben, werden wir diese umsetzen. Bis zur Umsetzung der AP 2030+ will ich grösstmögliche Stabilität und Sicherheit. Deshalb werden wir ab 2026 bei der Direktzahlungsverordnung keine Veränderungen mehr vornehmen. Die Auflagen und Bestimmungen werden also nicht strenger.
Die Bauern erwarten aber sehr rasch Resultate. Gibt es bereits 2025 Erleichterungen?
Das werden wir im Verlauf des Herbsts sehen. An einem runden Tisch suchen wir gemeinsam – Landwirte, Kantone und Verwaltung – nach Lösungen. Vielleicht können wir bei der Komplexität etwas vereinfachen. Ab 2026 ist es sicher möglich, konkrete Massnahmen umzusetzen. Wir dürfen aber nicht vergessen, es gibt Gesetze, an die wir uns halten müssen und die Kontrollen vorschreiben. Die Balance zwischen Glaubwürdigkeit, Kontrolle und Komplexität erfordert viel Feingefühl. blu
Drei Fragen an Landwirt Herren
«Schweizer Bauer»: Christoph Herren, was für Forderungen stellen Sie an den Bund respektive an den Bundesrat?
Das deckt sich mit den Forderungen, die an den Bauernkundgebungen im vergangenen Winter geäussert wurden. Beim Gespräch mit Bundesrat Parmelin wollte ich aufzeigen, dass vor allem das Kontrollwesen und der administrative Aufwand in den vergangenen Jahren massiv überbordeten. Es wird immer mehr. Für die Bauernfamilien ist das nicht mehr tragbar. Hier muss sich schlagartig etwas ändern. Weiter brauchen wir Planungssicherheit. Wenn wir investieren, müssen wir dies auch amortisieren können. Hier muss der Bund entsprechende Strukturen schaffen.
Und weiter?
Auch in Sachen Pflanzenschutzmittel erwarte ich Verbesserungen. Heuer war ein schwieriges Jahr, beispielsweise bei den Kartoffeln. Wir müssen bestehende Mittel weiter einsetzen können. Wir brauchen aber auch neue Wirkstoffe, um Resistenzen verhindern zu können. Auch bei der Züchtung von neuen Sorten müssen wir Fortschritte machen. Hier ist aber nicht nur die Forschung in der Pflicht, sondern auch die Verarbeiter und der Handel. Es bringt schlussendlich auch nichts, wenn wir neue Sorten produzieren, die dann nicht abgenommen werden.
Sie haben Bundesrat Parmelin Ihren Betrieb gezeigt und mit ihm gesprochen. Machen Ihnen seine Aussagen Mut, oder haben Sie das schon oft gehört?
Dass der Bund eine administrative Vereinfachung anstrebt, habe ich in der Tat schon öfters gehört. Darüber sprechen wir seit Jahren. Aber das Gespräch hat mir gezeigt, dass von den Kundgebungen etwas in Bern angekommen ist. Sonst wären wir heute nicht auf unserem Betrieb. Ich hoffe, dass die Forderungen, zumindest Teile davon, in der kommenden AP umgesetzt werden. blu