Dank ihrer hohen Kaufkraft kann die Schweiz laut BLW-Direktor Christian Hofer auf dem globalen Markt grundsätzlich genügend Nahrungsmittel einkaufen. Zur inländischen Ernährungssicherheit müsse man aber Sorge tragen. Um das zu erreichen, sind aus seiner Sicht auch die Konsumierenden in der Pflicht.
Es sei nicht selbstverständlich, dass der Tisch für die Schweizerinnen und Schweizer immer so gedeckt sei, sagte der Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) in einem Interview mit den Medien der Tamedia-Gruppe. Für jede zweite Mahlzeit, die in der Schweiz aufgetischt werde, müssten Nahrungsmittel importiert werden.
Starke inländische Produktion wichtig
Die Schweiz könne dank ihrer Kaufkraft «grundsätzlich» genügend Nahrungsmittel einkaufen. Hofer regt aber an, sich über die Lebensmittelversorgung Gedanken zu machen. Die Corona-Pandemie habe das vor Augen geführt. Damals habe es phasenweise kein Mehl mehr in den Regalen gehabt – weil die Logistik nicht mehr nachkam und es kurzfristig zu wenig Material gab, um das Mehl zu verpacken.
«Wie wichtig eine starke inländische Produktion ist, sieht man jetzt bei Ländern, die beinahe vollständig vom ukrainischen Weizen abhängig sind. Wichtig sind auch gute Handelsbeziehungen und ein diversifizierter Import», sagte Hofer zu den Tamedia-Zeitungen. «Wir müssen der Ernährungssicherheit Sorge tragen, auch für die kommenden Generationen», machte er deutlich. Dank dem technischen Fortschritt und Innovationen sei der Selbstversorgungsrad in den 30 Jahren relativ konstant geblieben. Der Klimawandel kombiniert mit dem Bevölkerungswachstum erschwere die Aufgabe zusehends.
Konsumierende in der Pflicht
Der Selbstversorgungsrad der Schweiz sei aber auch tief, weil das Land über wenig landwirtschaftliche Fläche pro Einwohner verfüge. Gemäss Hofer sind es 500 Quadratmeter Ackerfläche pro Person. Die Schweiz strebe einen Versorgungsgrad von 50 Prozent an. «Ist er höher – umso besser. Er muss aber mit der ökologischen Tragfähigkeit übereinstimmen, also mit einer standortangepassten und diversen Produktion, und mit einem nachhaltigen Konsum in Verbindung stehen», stellte er klar.
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Der Selbstversorgungsgrad lässt sich gemäss dem BLW-Direktor durch Investitionen in die Züchtung und Technologie erhöhen. Er nimmt aber auch die Konsumierenden in die Pflicht. Diese müssten einen gesunden und nachhaltigen Konsum anstreben. So würden etwa die Schweizerinnen und Schweizer einen Drittel ihrer Nahrungsmittel wegwerfen. Wenn die Schweiz also den Gürtel enger schnalle, Food-Waste verringere und den Menüplan richtig einstelle, dann erhöhe sich der Selbstversorgungsgrad auf fast 100 Prozent.
Speiseplan ändern
Der BLW-Direktor sieht Potenzial bei der pflanzlichen Produktion. Zwar seien 70 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Grasland. Die Ackerflächen würden derzeit aber zu 60 Prozent für den Anbau von Tierfutter genutzt. Für eine Änderung ist aus seiner Sicht eine Änderung des Konsums notwendig. Sonst werde es für die Landwirtschaft schwierig, die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. «2020 haben wir netto knapp 100’000 Tonnen Fleisch importiert. Wenn wir die Tierproduktion in der Schweiz herunterfahren, importieren wir einfach mehr und exportieren die Emissionen», führte Hofer aus.
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Über die Direktzahlungen werde der Anbau der pflanzlichen Produktion für die menschliche Ernährung attraktiver gemacht, sagte er weiter. «So wurde etwa der Anbau von Eiweisspflanzen wie Erbsen früher nur unterstützt, wenn sie zur Fütterung von Tieren dienten. Heute ist das anders», hielt er fest. Man versuche, Fehlanreize zu eliminieren. Doch für den BLW-Direktor ist klar: «Wie sich die Produktion verändert, hängt stark davon ab, wie sich das Konsumentenverhalten entwickelt.» Eine verstärkt pflanzlich basierte Ernährung könnte den Selbstversorgungsgrad in der Schweiz auf bis zu 70 Prozent erhöhen und damit die Versorgungssicherheit stärken, machte der BLW-Direktor deutlich.
Energiemangel als Gefahr
Als kurzfristige Gefahr für den Ernährungssektor erachtet er einen Energiemangelsituation. «Wenn wir lang andauernde Stromausfälle haben, gibt es ziemlich schnell auch eine Krise bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln», sagte er. Für kurzfristige Krisensituationen zu überbrücken, verfüge die Schweiz über Pflichtlager bei Nahrungsmittel und Produktionsmittel wie Dünger. Die Versorgung sei so für 3 bis 4 Monate sichergestellt.
Halte die Krise aber länger an, habe das Auswirkungen auf die Ernährung. « Die Produktion von Geflügel und Schweinen, die stark vom Futtermittelimport abhängig ist, würde reduziert zugunsten der pflanzlichen Ernährung», so Hofer weiter.
(Druchschnittszahlen: 42kg Brot/Person und Jahr, 51kg Schweinefleisch pro Perosn/Jahr)