«Ist der Notstand in der Biodiversität überhaupt bei der Bevölkerung angekommen?», sagt Thomas Baumann auf seinem Bauernhof Galegge in Suhr AG zu Martin Bossard, Leiter Politik bei Bio Suisse. «Manchmal erinnert es mich etwas an den Klimawandel, den man auch lange in Abrede gestellt hat.»
Bossard verweist auf die Rio-Konvention von 1992, die das Problem bereits erkannt hat, so das schon vor 30 Jahren Massnahmen ergriffen wurden, die letztlich in den Jahren 2011 und 2012 zu gesetzlichen Grundlagen geführt haben.
Unbestrittener Handlungsbedarf
In Kürze startet sie hier die Medienkonferenz der Agrarallianz, die weder eine Empfehlung für ein Ja, noch eine für ein Nein geben will in der Frage zur Biodiversitätsinitiative vom 22. September. Der Weg ist ein anderer, wie Rebecca Knoth-Letsch, Geschäftsführerin der Agrarallianz, erklärt: «Wir haben eine klare Meinung, wie man Biodiversität fördern soll und sind der Ansicht, dass weder der ökologische Leistungsnachweis (ÖLN) noch Direktzahlungen an jene, die Biodiversität fördern, genügt.»
Der Handlungsbedarf ist für sie unbestritten, ohne Biodiversität keine Landwirtschaft. Die Biodiversitätsförderung und Lebensmittelproduktion müsse Hand in Hand gehen.
Biodiversität, so die Meinung der Agrarallianz, ist nicht das Ende, sondern die Zukunft der Landwirtschaft. Wie dringlich der Handlungsbedarf derzeit ist, zeigt Lukas Pfiffner, Agronom, und Themenleiter Agrarökologie und Biodiversität am Forschungsinstitut für biologische Landwirtschaft (FiBL) auf.
Aus wissenschaftlicher Sicht sei der enorme Biodiversitätsverlust unbestritten, die Insektenbiomasse sei in den letzten drei Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen, mit Gegenmassnahmen sei die Schweiz gegenüber dem Ausland ins Hintertreffen geraten. Es gehe dabei um mehr als bloss um Artenvielfalt. «Funktionale Biodiversität ist ein ganz wichtiger Ansatz, wichtige Tiergruppen müssen funktionell so zusammenspielen, dass ein Gleichgewicht zwischen Bestäubern und Schädlingen entstehen kann.»
Einkommen fliesst zuverlässig
Der Landwirt Thomas Baumann, selbst auch politisch in der Gemeinde aktiv, hat Biodiversität in sein Betriebskonzept integriert. «Biodiversität», so betont er gleich zu Beginn, «hat sehr viel mit Freude zu tun und bringt erst noch ein gutes Einkommen.»
Für ihn ist es so lang wie breit, ob er für seinen 40 Hektaren grossen Betrieb mit einem Detailhändler oder mit dem Bund als Partner einen Vertrag abschliesst. Der Bund mit seinen Direktzahlungen sei der Partner, der besser zur Existenzsicherung beitrage. Denn sei der erst mal gewonnen, halte dieser den achtjährigen Vertrag ein und das Einkommen fliesse zuverlässig. Beim Detailhändler riskiere er, dass eine Lieferung nicht ganz konformer Karotten zurückgeschickt werde.
«Gemäss Buchhaltung ist die Biodiversität der wirtschaftlich erfolgreichste Betriebszweig seit Jahren.»
In vier Zweige teilt Thomas Baumann seinen Betrieb ein und führt für jeden Zweig eine separate Buchhaltung. So hat er zum einen eine Milchgeissenhaltung mit 20 Geissen, für die Käseproduktion kauft er jeweils die Milch von 60 Geissen zu. Dann unterhält er Gemüsebau, Ackerbau sowie die Landschaftspflege mit Biodiversitätsflächen. Insgesamt sind 60 Prozent seiner bewirtschafteten Flächen Biodiversitätsflachen, inklusive des Fischteichs, in dem er Karpfen, die Schweine des Wassers hält, weil sie alles fressen und so zur Landwirtschaft passen. Sofern man das mit den Gräten in den Griff bekommt bei diesem Fisch.
«Gemäss Buchhaltung ist die Biodiversität der wirtschaftlich erfolgreichste Betriebszweig seit Jahren», betont er. «Das steht stark im Widerspruch zur Haltung von Kollegen, die das als unwirtschaftlich ablehnen.»
Traktorfahrt durchs Gelände
Kurzerhand lädt Baumann die Gäste der Medienkonferenz zur Rundfahrt auf seinem Traktor mit Anhänger ein. Auf der rumpeligen Fahrt geht es im Feld draussen an einer 50-Aren-Brache vorbei, wo er ein Förderprojekt für die Kreuzkröten betreibt. Die Amphibien, die nicht hüpfen können, brauchen besondere Bedingungen, um sich fortbewegen zu können. Dafür sorgen drei Schweine, die den Boden lockern und umpflügen.
Als 20-Kilogrammfärli hat er diese bei sich aufgenommen, nun wachsen sie zu 120 Kilogramm schweren Sauen heran. Im Herbst sollen sie geschlachtet werden. Eigentlich, so meint er, müsste er auf 50 Aren rund 50 Schweine halten. Freude bereitet ihm auch das Trio. Die Schweine packen instinktiv ihr natürliches Verhalten aus mitsamt Suhlen oder Nestbau.
Thomas Baumann hält auch Schweine.
Michael Flückiger
Thomas Baumann macht keinen Hehl daraus, dass er einen Riesenspass daran hat, die Landschaft zu gestalten. Er betont, dass Biodiversität ein Knochenjob ist, man genau wissen muss, wie man das Land so bewirtschaftet, dass der Einsatz der Mittel und Kräfte so erfolgt, dass das Ziel auf gewinnbringende Art zu erreichen ist.
Dazu gehört, dass in mühseliger Handarbeit Unkraut entfernt werden muss. Mit den Jahren hat er gelernt, dass die Bevölkerung von Suhr seinen Betrieb mit all seinen Ecken und Kanten lieben gelernt hat. Es geht so weit, dass sogar vereinzelt welche in seinem Karpfenteich baden.
Haldenhof – ein integraler Biodiversitätsbetrieb
Einen ganz anderen Betrieb trifft die Journalistendelegation in Hallwil AG am Hallwilersee auf dem Haldenhof an. Hier bewirtschaftet Kurt Brunner einen Betrieb, der nach Demeter-Standards produziert. Dies aber kaum erwähnt. Im Gegensatz zu Thomas Baumann, der Biodiversität als Geschäftszweig betreibt, denkt Kurt Brunner Biodiversität integral. Wie Thomas Baumann will Kurt Brunner möglichst viel produzieren, also wirklich ein einträgliches Geschäft betreiben.
In einem weiteren Punkt gibt es Übereinstimmungen zwischen den beiden Landwirtschaftsbetrieben. Nur setzt Brunner dabei ausschliesslich auf Direktvertrieb und lässt Geschäftspartner wie Landi oder abnehmende Detailhändler aussen vor. Leisten konnte er sich das dank eines Investors, der ihm die Realisation des Wunschbetriebs ermöglicht hat.
«Die Landwirtschaftspolitik ist mir egal. Was ich betreibe, ist Ernährungspolitik.»
Auf 37 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche bewirtschaftet er 20 Hektaren offene Ackerfläche, hält Schweine und Hühner, bewirtschaftet 4,5 ha Biodiversitätsförderflächen (BFF) und unterhält 170 Hochstammobstbäume.
Kurt Brunner steht sehr auf eigenen Füssen. Das Teuerste war die eigene Käserei, doch macht er selbst auf kleiner Flamme auch Haferflocken oder presst im Winter Sonnenblumenöl. Kurt Brunner sagt: «Die Landwirtschaftspolitik ist mir egal. Was ich betreibe, ist Ernährungspolitik. Wir suchen den Direktkontakt mit den Kunden, nur direkt kann man sie mit unseren Argumenten erreichen.»
Aus Sicht von Rebecca Knoth Letsch sind beide Betriebe mögliche Modelle für eine Landwirtschaft, die viel biodiverser betrieben werden kann als die konventionelle Landwirtschaft. Weder der eine noch der andere Betrieb habe da ein Paraderezept. Ihr geht es darum, den Leuten die Augen zu öffnen.
Lukas Pfiffner, Agronom und Themenleiter Agrarökologie und Biodiversität am FiBL, zieht eine ernüchternde Bilanz über den Stand der Biodiversität in der Schweiz. Allein Deutschland ziele auf 37 Prozent Biodiversitätsförderfläche auf ihrem Landwirtschaftsland ab. Er zitiert eine Reihe von anerkannten Studien, die in intensiv genutzten Landwirtschaftszonen einen Verlust bis zu 80 Prozent der Insektenbiomasse über einen Zeitraum von rund drei Jahrzehnten festgestellt haben. Die Gründe für diese Entwicklung:
1, Intensive Landwirtschaft mit hoher Mechanisierung
2. Verlust an qualitativ wertvollen Flächen,
3. Homogenisierung der Landwirtschaft
4. Fragmentierung wertvoller Lebensräume mit Verlust an Vernetzung und Genaustausch
5. Überbauung mit Siedlungsinfrastrukturen
6. Verschmutzungen wie etwa Lichtverschmutzung mit Beeinträchtigung nachtaktiver Tiere
7. Ausbreitung invasiver Neobioten
8. Klimawandel und extreme Witterungsereignisse
Leider fallen viele Leute auf die Buebätrickli herein.
Linke und Grüne zerstören unser Land und helfen der Agenda der Elite unsere Bauern abzuschaffen..
NEIN zur Biodiversität Initiative!
Und das von Ländern wo wir keinen Einfluss auf Biodiversität, Produktionsrichtlinien und Tierschutz haben.
Deshalb ein klares Nein zur Biodiversitätsinitiative.
Ein ja zur natürlichen schweizer Lebensmittel.
Wir würden etwa 200000.- erhalten und hätten nur noch 10%der jetztigen Arbeit… also könnten wir noch ausswärts Arbeiten….
NUR Nahrungsmittelproduktion fast null… kranke Pflanzen wenig Ertrag….
Das meiste müsste vom Ausland kommen… das kann doch nicht das Ziel sein…
Dass diese Tendenz mit der Annahme der BDI noch verstärkt werden soll, das ist genau der springende Punkt, den wir produzierende Landwirte den Leuten aufzeigen müssen.
Der Bund muss endlich wieder die Rahmenbedingungen für eine die natürlichen Lebensgrundlagen erhaltende und wirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion verbessern. Dazu gehört ein wirksamer Grenz- und Preisschutz für alles was wir sinnvollerweise selber in der CH produzieren können. Echte Nachhaltigkeit basiert auf einer sozialverträglichen, naturrespektierenden und wirtschaftlichen Produktion. Die zusätzliche Förderung fürs Nichtstun braucht es wirklich nicht.
Thomas Baumann bestätigt dies, die Biodiversität rentiert heute schon besser als die Produktion, wir brauchen aber beides, also muss die Produktion besser unterstützt werden.
Einig bin ich jedoch, was Lebensmittelpreise und Grenzschutz angeht. Wir brauchen nicht Billig-Poulet aus Brasilien und Geiz-ist-geil Schweinefleisch aus Polen. Und wer wo es geht Migros & Coop vermeidet, hilft mit, den Landwirten und Landwirtinnen in unserem Land gerechte Preise für ihre Produkte zu zahlen.
Mein ältester Bruder erzählte mir noch wie sie die Autofahrt unterbrechen mussten um Scheinwerfer und gar den Kühlergrill von Insekten zu befreien um ihre Funktion zu erhalten.
Ich selbst mag mich an Zeiten erinnern wo die Spatzen in Bahnhöhfen die Insekten von den Lokomotiven pickten. Gibt es heute nicht mehr! = Zustand alarmierend!
Dass heute der Kühlergrill und die Scheinwerfer nach einer Autofahrt nicht mehr voller toten Insekten sind, ist wohl eher der technischen Innovation (Aerodynamik) geschuldet, als der schwindenden Insektenmasse. Wer das Gefühl hat, es habe keine Insekten mehr, den lade ich gerne zu uns ein. Bei Feldarbeiten in der schön warmen Sonne und neben Bächen und Hecken geht ohne Anti-Brumm gar nichts, man hört die Insekten nicht nur, man spürt sie auch!
Und an Pascal, das mit der "gepützelten" Schweiz das war einmal; heute wird alles zum Autofenster rausgeworfen, nach Partys, Fussbalmatchs und Konzerten sieht es heute in der CH nicht mehr besser aus als überall sonst auf der Welt. Und es gibt unterdessen auch in der CH sehr viele Flächen, die der Natur überlassen bleiben, Wälder in Hanglagen werden heute praktisch nicht mehr genutzt, dort gibt es Totholz en masse. Zudem alle BFF-Flächen und die Flächen in den Alp-und Bergregionen die verganden und verwalden.
Und wenn schon, empfehle ich den Leuten heute Aldi und Lidl zu meiden, bei Migros und Coop ist doch immerhin noch ein bisschen soziale Verantwortung und einheimische Verarbeitung vorhanden. Und eine 9 Mio. CH ohne Grossverteiler zu versorgen, ist doch gerade ziemlich utopisch und ökolgisch wohl auch nicht nachhaltig möglich.
Tatsache ist, die Kalorien oder das Holz von jeder Hektare, welche wir in der CH nicht mehr nutzen, müssen wir importieren. Dies aus Produktionen wo wir null Einfluss auf die Art und Weise, wie produziert wird, haben. Wir können nicht mal sicher sein, dass nicht Sklaven- und Kinderarbeit hinter den Billigprodukten steckt.
Der Biodiversität in der CH geht es mehrheitlich gut, weitere Verbesserungen sind mit der bestehenden Gesetzgebung problemlos möglich.
Biodiversität ist nicht erlebbar beim Konsumieren von Netflix in der warmen Stube oder beim Shoppen in den Städten und beim Pendeln auf der Autobahn oder im Zug. Geht raus in die Natur, in abgelegenere Gebiete, in schlecht erschlossene Wälder, dort findet ihr nach wie vor alles was kreucht und fleucht.
Darum Nein zur Auslagerung der Holz- und der Nahrungsmittelproduktion ins Ausland! Nein zur Ballenbergisierung der Dörfer!
Nein zur BDI!
Ein Fakt, den ich lange Zeit auch nicht annehmen konnte.