«Schweizer Bauer»: In diesem Jahr findet das 30jährige Jubiläum der Fenaco statt. Wie präsent ist die Gründung vor 30 Jahren im Unternehmen noch?
Martin Keller, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Fenaco: Sehr präsent. Wir sind ein Unternehmen mit einer stabilen Werthaltung. Vom Mut, den die Akteure in den Genossenschaftsverbänden bei der Gründung zeigten, profitieren wir noch heute. Ich habe grössten Respekt vor ihnen. Auch deshalb, weil sie die Interessen des Gesamtunternehmens höher gewichtet haben als ihre eigenen. Sie haben ein Team geformt, das gemeinsam das Unternehmen weiterentwickelt hat. Dieser Geist zeichnet uns heute noch aus. Die vier Hauptstandorte – Bern, Winterthur, Sursee und Puidoux – gibt es nach wie vor. Dem Organisationsgrundsatz «so dezentral wie möglich, so zentral wie nötig» leben wir unverändert nach. Auch der Zweckartikel ist seit der Gründung der gleiche: Wir haben den Auftrag, die Landwirtinnen und Landwirte bei der Entwicklung ihrer Unternehmen zu unterstützen – in verbindlicher Partnerschaft mit den Landi. Sinnbildlich für die Denkweise der Fenaco ist, dass wir zum Jubiläum als Geschenk für die Mitarbeitenden in den vier Regionen jeweils ein Jubiläumsfest organisiert haben. Beinahe 6000 Mitarbeitende und Pensionierte sind unserer Einladung gefolgt. Ich war bei jedem Fest vor Ort und nahm eine grosse Freude wahr.
Wie hat sich die Fenaco entwickelt?
Alle vier Geschäftsfelder – Agrar, Lebensmittelindustrie, Detailhandel, Energie – haben sich erfolgreich entwickelt. Das Unternehmen konnte in den vergangen 30 Jahren den Umsatz mehr als verdoppeln, profitabel wachsen und das Eigenkapital sogar vervierfachen. Heute sind wir beinahe selbstfinanziert und unabhängig von Banken. Das ist wichtig, weil es uns erlaubt, im Sinne der Mitglieder zu investieren und nicht im Sinne der Finanzmärkte. Bei der Gründung war die Fenaco vor allem ein starkes Handelsunternehmen. Inzwischen sind wir auch ein grosses Produktionsunternehmen. Und wir sind auf dem Weg, ein Technologietransferunternehmen zu werden.
Inwiefern?
Mit der Initiative Innovagri beispielsweise kaufen wir Maschinen von Startup-Unternehmen, setzen diese in der Praxis ein und helfen, die Technologien weiterzuentwickeln. Zum Portfolio gehören etwa Landmaschinen, die mit Strom Unkraut bekämpfen oder solche, die beim Spritzen zwischen Nutzpflanze und Unkraut unterscheiden, wodurch 90 % der Pflanzenschutzmittel eingespart werden können. Innovation ist eine von drei strategischen Stossrichtungen, die wir vor zehn Jahren festlegten – neben Nachhaltigkeit und «Compétence internationale».
Was hat es mit der internationalen Kompetenz auf sich?
Wir wollen unsere Präsenz auf den internationalen Agrarmärkten erhöhen, um zum einen die Versorgungssicherheit in der Schweiz zu verbessern und zum anderen dank mehr Schwungmass beim Einkauf den Schweizer Landwirtinnen und Landwirten bessere Preise anbieten zu können. Auch geht es darum den internationalen Wissens-Transfer zu fördern. Von 11'500 Mitarbeitenden sind über 500 in umliegenden Ländern tätig. Im letzten Jahr haben wir rund 7 % des Umsatzes in den ausländischen Märkten generiert.
Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung der Fenaco?
Wer heute Mitglied bei einer Landi und somit Miteigentümer der Fenaco-Landi-Gruppe ist, darf sich an der Weiterentwicklung freuen. Ich bin jedenfalls sehr stolz auf unsere Mitarbeitenden und ihre über all die Jahre geleistete Arbeit. Wir sind stabil und wuchsen in kontinuierlichen Schritten. Es gab keine grösseren Rückschläge. Dass ich seit der Gründung des Unternehmens erst der dritte Vorsitzende der Geschäftsleitung bin, verschafft dem Unternehmen viel Ruhe und Stabilität.
Die Zahl der Landi-Genossenschaften ist stark zurückgegangen.
Sie haben sich zusammengeschlossen, um schlagkräftiger zu werden. Uns ist wichtig, dass sich die Mitglied-Landi wirtschaftlich positiv entwickeln. Das haben sie, und das freut mich. Auch die landwirtschaftlichen Einkommen haben sich im letzten Jahrzehnt insgesamt positiv entwickelt. Dank konstanten Produzentenpreisen und gesunkenen Vorleistungskosten. Dazu hat auch die Fenaco wesentlich beigetragen. Der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine hat diese Entwicklung leider unterbrochen. Die stark gestiegenen Produktionskosten führen bei den Landwirtinnen und Landwirten zurzeit zu rückläufigen Einkommen.
Die Stimmung in der Landwirtschaft ist deshalb im Moment nicht die beste.
Dies ist mir bewusst. Auch unser Ergebnis ist rückläufig. 2022 lag es im Vergleich zu 2021 rund 20 % tiefer. Aufgrund der steigenden Energie-, Personal- und Frachtkosten zeichnet sich 2023 eine ähnliche Entwicklung ab. Wir wollen mithelfen und die Produzentenpreise verteidigen. 90 % der Rohstoffe, die wir in der Fenaco handeln und verarbeiten, stammen aus der Schweiz. Wichtig ist, dass wir in der Wertschöpfungskette der Land- und Ernährungswirtschaft auch in schwierigen Zeiten miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. Ich gehe davon aus, dass uns infolge Teuerung und einer getrübten Konsumentenstimmung zwei weitere nicht einfache Jahre bevorstehen. In der Schweiz waren bisher viele Unternehmen bereit, einen Teil ihrer gestiegenen Kosten selbst zu tragen, sodass die befürchtete Preis-Lohn-Spirale kaum zum Tragen kam. Anders als im Ausland. Darum bin ich optimistisch, dass sich der Übergang zu einer neuen Preisstabilität sanfter gestalten lässt. Die Aussichten für die Schweizer Landwirtschaft sind in meiner Wahrnehmung positiv, weil die Nachfrage nach Schweizer Produkten gut und der Rückhalt der Landwirtschaft bei den Konsumentinnen und Konsumenten gross ist.
Martin Keller, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Fenaco, im Gespräch mit Daniel Salzmann, Chefredaktor "Schweizer Bauer".
zvg
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Schweizer Landwirtschaft?
Nebst den bereits erwähnten wirtschaftlichen Herausforderungen möchte ich den Pflanzenschutz besonders hervorheben. Der Absenkpfad zur Reduktion der Risiken ist wichtig. Er führt dazu, dass wir das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten hochhalten können. Da war auch ein Nachholbedarf vorhanden. Doch die Streichung vieler Wirkstoffe bereitet mir Sorge. Es wurden in den letzten Jahren ungefähr doppelt so viele Wirkstoffe gestrichen, wie neu zugelassen. Der technologische Fortschritt im Bereich Pflanzenschutz wird nicht ausgeschöpft. Die neuen Produkte sind ohne Ausnahme umweltfreundlicher, jedoch ist das Zulassungsverfahren zu umständlich und dauert zu lange. Da sind Änderungen dringend nötig. Aktuell resultieren tiefere Ernten beim Raps oder bei den Kartoffeln, und wir stellen Qualitätseinbussen beim Gemüse und beim Obst fest. So können inländische Infrastrukturen nicht ausgelastet werden und es muss auf Importprodukte ausgewichen werden. Das ist für die Schweizer Landwirtschaftsbetriebe und auch für uns wirtschaftlich nicht attraktiv.
Wie lässt sich das Problem lösen?
Ich sehe zwei Ansätze. Der eine ist, dass die Schweiz nicht nur die Streichung von Wirkstoffen aus der EU übernimmt, sondern auch die Neuzulassungen. Der andere ist, dass der Schweizer Zulassungsprozess deutlich beschleunigt wird – und zwar für biologische genauso wie für konventionelle Wirkstoffe.
Jahrelang wurden die rückläufigen Zulassungszahlen hingenommen. War die Branche zu passiv?
Ich glaube nicht. Wir müssen zwei Dinge auseinanderhalten. Einerseits die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes und die Streichung veralteter und problematischer Wirkstoffe. Das ist unbestritten. Andererseits die Zulassung neuer Wirkstoffe und Technologien. Die Folgen der Verzögerungen in den letzten Jahren werden nun sichtbar. Die theoretische Diskussion der Zulassungsverfahren unterscheidet sich stark von den praktischen Auswirkungen auf dem Feld. Wir müssen die Diskussion über die Notwendigkeit des Pflanzenschutzes und über neue Wirkstoffe proaktiv führen.
Die Fenaco-Erfolgsbeteiligung der Landwirte ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Rührt dies daher, dass die Fenaco fast zu viel Gewinn macht?
Nein. Wir haben nach der Einführung zum 25-Jahr-Jubiläum heuer entschieden, die Erfolgsbeteiligung zum 30-Jahr-Jubiläum aufzustocken und an unsere Mitglieder auch von jenen Geschäftsfeldern etwas zurückfliessen zu lassen, an denen sie nicht direkt beteiligt sind. Letztlich messen uns die Landwirtinnen und Landwirte aber daran, was wir als Genossenschaft im Betriebsalltag für sie leisten.
Die Erfolgsbeteiligungspakete machen Freude, wie man immer wieder hört…
Heuer bekommen rund 13’700 Landwirtschaftsbetriebe ein Warenpaket, im Vorjahr waren es 12’500. Von der Rückvergütung profitieren neu 12’200 Betriebe, im Jahr davor waren es 9800 Betriebe. Das bedeutet zwei Millionen Franken zusätzliche Rückvergütungen. Insgesamt hat die Erfolgsbeteiligung einen Wert von 9 Millionen Franken. Wir danken den Landwirtinnen und Landwirten damit für ihr Vertrauen in die Fenaco-Landi Gruppe.
Bei der Gründung der Fenaco haben die Verbände in den Kantonen Schaffhausen und St. Gallen nicht mitgemacht. Laufen Bestrebungen, diese zwei Verbände zu integrieren?
Nein. Die beiden Verbände haben sich erfolgreich entwickelt. Wir arbeiten partnerschaftlich und gut zusammen.
Wo liegen für Sie zum jetzigen Zeitpunkt die grössten betrieblichen Herausforderungen für die Fenaco?
Wir stehen vor einer grossen Pensionierungswelle. Viele langjährige Mitarbeitende aus der Babyboomer-Generation gehen in den Ruhestand. Besonders die Landwirtinnen und Landwirte schätzen den Austausch mit diesen erfahrenen und kompetenten Fachkräften. Sie zu ersetzen, wird nicht einfach. Wir möchten junge Leute frühzeitig ins Unternehmen holen, damit sie von den erfahrenen Angestellten lernen können. Ebenso wollen wir Möglichkeiten schaffen, damit ältere Mitarbeitende bei Bedarf und Interesse länger arbeiten können. Herausfordernd gestaltet sich auch das Kostenmanagement und der Umgang mit den grossen globalen Unsicherheiten. Je angespannter weltweit die Situation ist, umso grösseren Wert legen wir auf ein respektvolles und kompromissbereites Miteinander in unserem Unternehmen und mit unseren Partnern.
30 Jahre Fenaco – die Meilensteine
2023 Eröffnung der Agrar-Kompetenzzentrums in Lyssach.
2022 Zur Förderung des Dialogs zwischen Stadt und Land lanciert die fenaco verschiedene Massnahmen: Zuwendung von CHF 10 Mio. an die Stiftung für eine nachhaltige Ernährung durch die schweizerische Landwirtschaft für Projekte, die insbesondere direkte Begegnungen zwischen Bauernfamilien und Bevölkerung ermöglichen. Partnerschaft mit dem Verkehrshaus der Schweiz für eine Ausstellung zum Thema Land- und Ernährungswirtschaft (Eröffnung 2023). Herausgabe des Stadt-Land-Monitors.
2021 Eröffnung des neuen Zentrums für nachhaltigen Pflanzenschutz AGROLINE Bioprotect in Aesch (BL) und Lancierung der Technologieplattform Innovagri mit den LANDI.
2020 Inbetriebnahme der ersten Wasserstoff-Tankstelle von AGROLA. Sie steht bei der LANDI Zofingen (AG).
2020 Übernahme von Provins, der grössten Weinkellerei der Schweiz.
2021 erfolgt zudem die Integration des Ostschweizer Traditionsunternehmens Rutishauser. Es ist ein klares Bekenntnis der fenaco zum Schweizer Wein.
2019 Lancierung von barto, dem digitalen Hofmanager. Er soll die Vorteile der Digitalisierung für die Schweizer Landwirtschaft nutzbar machen.
2018 Lancierung der fenaco Erfolgsbeteiligung anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums. Anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums wird sie 2023 ausgebaut.
2018 Silo-Inbetriebnahme im Auhafen. Es hat eine Lagerkapazität von rund 40 000 Tonnen für Getreide, Ölsaaten und Futtermittel-Rohprodukte.
2018 Einstieg in den internationalen Getreidehandel durch die Übernahme der Swiss Grana Gruppe. Ziel: Erhöhung der Versorgungssicherheit und der Schwungmasse für bessere Beschaffungskonditionen zugunsten der Schweizer Landwirtschaft.
2016 Integration von Dousset Matelin (Frankreich) in die heutige Groupe Serco. Damit findet im Bereich Agrartechnik ein länderübergreifender Transfer von Know-how statt.
2016 Abschluss von Forschungskooperationen mit Agroscope und ETH Zürich. Später kommen Kooperationen mit FiBL und ZHAW dazu.
2015 Eröffnung neues Logistikzentrum in Lahr (Deutschland). Es ist ein erfolgreiches grenzüberschreitendes Joint Venture mit der süddeutschen Agrargenossenschaft ZG Raiffeisen, das die Versorgungssicherheit der Schweiz stärkt.
2014 Vollständige Übernahme der IT-Dienstleisterin Bison und Sicherung des IT-Know-hows, insbesondere auch im Bereich Smart Farming.
2013 Inbetriebnahme neuer Leistungszentren für Kartoffeln, Karotten und Zwiebeln in Bätterkinden (BE) und für Kernobst in Perroy (VD).
2009 Übernahme der Serco Landtechnik AG und damit Stärkung des Bereichs Landtechnik.
2008 Übernahme von Steffen-Ris, heute ein Kompetenzzentrum von Inoverde.
2008 Integration des Gastro-Zulieferers Kellenberger. Kellenberger ist heute eine von mehreren Handelsfirmen von frigemo, mit denen die fenaco den Absatz von hochwertigen Schweizer Lebensmitteln in der Gastronomie fördert.
2007 Übernahme der Walliser Kernobstspezialistin Union fruits, heute ein Kompetenzzentrum von Inoverde.
2005 Aus Pomdor und Granador wird RAMSEIER. Es ist heute eine führende Produzentin von Erfrischungs-, Obst- und Fruchtsaftgetränken.
2003 Kauf der Ernst Sutter Gruppe. Damit steigt die fenaco in die Fleischverarbeitung und Fleischwarenproduktion ein.
2002 Inbetriebnahme des UFA Standorts Biblis in Herzogenbuchsee (BE). Es ist das grösste Mischfutterwerk der Schweiz.
2001 Eröffnung des ersten TopShop Tankstellenladens. Unterdessen betreiben die LANDI – beliefert von Volg –gegen 120 solcher TopShops in der Deutschschweiz und der Romandie.
1999 Übernahme der Mineralquellen Elm. Damit wird die fenaco zu einer bedeutenden Getränkeproduzentin der Schweiz.
1998 Aus Orador und UFAG entsteht die UFA AG, das führende Unternehmen für Tierernährung in der Schweiz.
24.9.1993 Die Vertreter von sechs Genossenschaftsverbänden (UCAR, FCA, VLG, NWV, VLGZ und VOLG) unterzeichnen am 24. September 1993 im Restaurant Linde in Uettligen (BE) den Fusionsvertrag: Die Fenaco- Genossenschaft ist geboren.
Diese Zusammenstellung wurde dem «Schweizer Bauer» von der Medienstelle der Fenaco zur Verfügung gestellt.