Matthias Bannwart ist Meisterlandwirt in Berg SG und als Kontrolleur tätig.
zvg
«Schweizer Bauer»: Sie haben sich gemeldet, um Ihre Sicht auf den biologischen Anbau und Bio Suisse zu erläutern. Wieso?
Matthias Bannwart: Ich finde, es ist an der Zeit, dass man sich mit dem ganzen «Biohype» genauer auseinandersetzt. Eines vorweg, ich bin für Fairness und Transparenz, nicht gegen den biologischen Anbau. Ich habe in meinem Kollegenkreis etliche Biobauern. Mich stört es jedes Mal, wenn Urs Brändli, Präsident von Bio Suisse, «seine Biobauern» in den Himmel hinauf lobt und die konventionellen Landwirte schlechtredet. Das verursacht bei der nicht landwirtschaftlichen Bevölkerung ein falsches Bild.
Welches falsche Bild?
Dass Bio das Beste punkto Nachhaltigkeit und alles andere schlecht ist.
Niemand will sich genauer mit dem biologischen Anbau und dem riesigen Marketingapparat Bio Suisse auseinandersetzen.
Warum wollen Sie, dass man sich mit dem Biohype auseinandersetzt?
Man ist sich gewohnt, dass in den nichtlandwirtschaftlichen Medien jegliche Kritik an Bio verpönt ist. Es wird fast nur noch über Biobauern berichtet, es wird so dargestellt, als ob Bio die einzige Lösung wäre. In diesen Medien werden auch keine Leserbriefe gedruckt, welche Bio auch nur im Kleinsten hinterfragen. Es scheint fast so, als wolle man allen konventionellen Bauern ein schlechtes Gewissen machen und sie dazu «animieren», doch bitte auf Bio umzustellen.
Können Sie näher darauf eingehen?
Es kommt mir vor wie ein moderner Ablasshandel: Die Leute kaufen Bio und denken dann, sie hätten ihre Pflicht erfüllt in Bezug auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz und können danach ohne schlechtes Gewissen dreimal pro Jahr mit dem Flugzeug in die Ferien fliegen. Niemand will sich genauer mit dem biologischen Anbau und dem riesigen Marketingapparat Bio Suisse auseinandersetzen. Sonst müsste man nämlich einmal das eigene Konsumverhalten und die eigene Lebensweise in Frage stellen und Verantwortung übernehmen.
Zur Person
Der 64-jährige ist Meisterlandwirt und kommt aus Berg SG. Der zweifache Familienvater hat seinen Obstbaubetrieb letztes Jahr ausserfamiliär verpachtet.
Auf dem 1,4 SAK-Betrieb werden unter anderem Äpfel und Zwetschgen angebaut. Er ist als ÖLN-Kontrolleur und zudem im Gartenbau tätig.
Dann ist der biologische Landbau in Ihren Augen gar nicht besser und es macht keinen Sinn, Bioprodukte zu kaufen?
So meine ich das nicht. Der biologische Landbau ist nicht mehr so viel besser, wie zu den Anfangszeiten vor 50 Jahren. Damals war der Biolandbau dringend nötig. In den letzten Jahrzehnten hat die konventionelle Landwirtschaft so stark aufgeholt, dass der Unterschied zum Bioanbau immer kleiner wird. Ich mache im Kanton St. Gallen ÖLN- und andere Kontrollen und sehe, dass beim Tierschutz, beim Düngereinsatz und beim Pflanzenschutz viele Betriebe eigentlich fast biologisch produzieren. Das sind die Punkte, die die Bevölkerung interessieren.
Wie meinen Sie das?
Wichtig ist der Bevölkerung der Tier- und der Pflanzenschutz und vielleicht der Düngereinsatz. Bei Mutterkuhbetrieben, bei den Schafhaltern ebenso in der Milchwirtschaft – wenn man die intensiven Hochleistungsbetriebe weglässt - und so weiter, gibts keine wirklich wichtigen Unterschiede mehr zwischen Bio und Nicht-Bio. Bio Suisse bleibt nichts anderes übrig, als ihre Anforderungen immer mehr zu verschärfen, um gegenüber den Konsumenten noch Verkaufsargumente zu haben. Das ist ein Problem.
Die Biobauern stehen im Klinsch.
Warum ist das ein Problem?
Wenn die Vorschriften stetig verschärft werden und die Bauern dadurch immer mehr in die Ecke gedrängt werden, wird die Hemmschwelle auch kleiner, Dinge zu tun, die eigentlich nicht erlaubt sind. Es ist ein Riesentabuthema. Um den stetig steigenden Anforderungen seitens Bio Suisse und Abnehmern noch gerecht werden zu können, wird dann manchmal zu illegalen Mitteln gegriffen, wie der jüngste Fall im Kanton Aargau zeigt. Ein weiteres Problem ist, dass die Bevölkerung nach wie vor denkt, Bio gleich ungespritzt. Die Biobauern stehen im Klinsch. Zuzusehen wie die eigene Ernte kaputt geht und zu wissen, dass eigentlich geprüfte Mittel vorhanden sind, ist doch auch eine Form von Foodwaste.
Wenn Bio Suisse Kenntnis bekommt von Vergehen gegen die Knospe-Regeln, wird ein Betrieb gebüsst oder aus dem Verband ausgeschlossen.
So sollte es sein. Im Zusammenhang mit den verschärften Fütterungsregeln für Wiederkäuer haben Bio-Suisse-Delegierte im November 2023 und im April 2024 auf das erhöhte Risiko von reglementswidrigem Verhalten hingewiesen. Bio Suisse kann nicht alles wissen, was auf dem Betrieb geschieht. Darum sollte der Verband ein Reglement haben, das das Risiko für Betrügereien tief hält.
Wir müssen den Menschen aufzeigen, dass der Pflanzenschutz, richtig eingesetzt, eigentlich ein Segen für die Menschheit war und ist.
Sie sprechen von Food Waste und Pflanzenschutzmitteln, können Sie das erklären?
Das Problem ist, dass Pflanzenschutzmittel in den letzten Jahren regelrecht verteufelt wurden. Klar wurden früher Fehler gemacht, aber diese wurden erkannt und ausgemerzt. Das Problem ist, dass der Mensch sehr schnell vergisst. Pflanzenschutzmittel sind schlecht und fertig – das hat sich so in den Köpfen der Leute eingebrannt. In den letzten 80 Jahren, seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir in der Schweiz nie mehr Hunger gehabt. Dass vor 150 Jahren die Leute in Europa wegen der Kartoffelfäule und dem Kartoffelkäfer verhungerten und auswanderten, davon spricht heute niemand mehr. Die Leute wären damals froh gewesen, hätten sie entsprechende Pflanzenschutzmittel gehabt. Vielleicht müssen wir den Pflanzenschutz ganz neu denken. Wir müssen den Menschen aufzeigen, dass der Pflanzenschutz, richtig eingesetzt, eigentlich ein Segen für die Menschheit war und ist.
Haben Sie ein Beispiel?
Ich kenne Gemüsebauern, die regenerativ wirtschaften und ganz bewusst nicht auf Bio umstellen, weil sie, sollte ein Schädling oder eine Krankheit massiv auftreten, die Option haben wollen, korrigierend eingreifen zu können. Damit wird doch ganz gezielt Food Waste verhindert.
Warum wollen nicht mehr Bauern auf Bio umstellen?
Es gibt Bauern, die stellen aus Prinzip nicht um, weil sie sich nicht vorschreiben lassen wollen, wie sie ihren Betrieb zu führen haben. Dazu kommen immer mehr unsinnige Vorschriften, teure Kontrollen, teure Produktionsmittel und so weiter. Die Biozuschläge sind dann beispielsweise im Verhältnis zu den Bio-Futterkosten zu tief. Ich höre von immer mehr Betriebsleitern, dass sie zunehmend Probleme bei der richtigen Nährstoffversorgung ihrer Tiere bekommen. Die Kühe haben Mangelerscheinungen und mit der Verschärfung der Fütterungsvorschriften seitens Bio Suisse können die Betriebe ihre Tiere nicht mehr richtig füttern. Für einige Betriebe ist das ein Grund, aus Bio Suisse aufzutreten. Wahrscheinlich treten viel mehr Betriebe aus diesen oder ähnlichen Gründen aus der biologischen Produktion aus, als Bio Suisse zugeben würde.
Sie sagen, Bio sei nicht immer besser für das Klima: Wieso?
Ich sehe es vor allem im Obstbau, weil ich selbst darin tätig war. Bioäpfel, so wie sie heute in den Läden der Grossverteiler liegen, haben einen deutlich höheren CO2-Ausstoss als konventionelle, weil sie 40-mal und mehr gespritzt werden müssen, um die heute geforderte Qualität zu erreichen. Zitat eines grossen Bioobstbauern: «Seit ich auf Bio umgestellt habe, hat sich mein Dieselverbrauch verdoppelt.» Der Witz ist, dass der meistverkaufte Bioapfel in der Schweiz die Sorte Gala ist. Gala ist aber auch der Apfel, der am meisten Pflanzenschutz braucht. Die ganze Welt redet von CO2-Reduktion, aber im Bioanbau geschieht teilweise genau das Gegenteil.
Können Sie da ein Beispiel nennen?
Gerade bei intensiven, grossen Biogemüsebetrieben ist der Einsatz von Biodünger gross. Biodünger wird auch nicht mit Zuckerwasser hergestellt. Ich stelle mir die Frage, ob Mineraldünger in der Produktion wirklich so viel mehr Energie verbraucht als zum Beispiel Hühnermist, den man trocknen und pelletieren muss. Die Frage stellt sich, ob Mineraldünger, in vernünftigen Mengen eingesetzt, wirklich so viel schlechter ist für das Klima als zum Beispiel pelletierter Mist.
Bio Suisse will natürlich lieber mehr Biobauern, denn das heisst auch mehr Geld, und darum geht es heute vor allem
Wieso will die Politik die Bioproduktion fördern?
Meine Meinung ist: Je mehr auf Bio umstellen, desto weniger wird produziert. Wird weniger produziert, muss mehr importiert werden. Importierte Lebensmittel sind billiger, der Handel verdient mehr und die Menschen wollen billige Lebensmittel, dann sind sie zufrieden.
Was will Bio Suisse in Ihren Augen?
Bio Suisse will natürlich lieber mehr Biobauern, denn das heisst auch mehr Geld, und darum geht es heute vor allem bei Bio Suisse. Bio ist heute in erster Linie ein Millionengeschäft für Bio Suisse und den Handel. Der Gedanke der Gründerväter hat nach meiner Wahrnehmung längst nicht mehr Priorität. Viele Betriebe haben höherer Direktzahlungen wegen auf Bio umgestellt und nicht aus innerer Überzeugung. Ich stelle mir die Frage, warum Bio Suisse unter Präsident Brändli verhindert hat, dass Aldi und Lidl Produkte mit der Knospe verkaufen können. Wenn es doch um die Sache ginge, sollte das Ziel doch sein, möglichst überall Biolebensmittel mit unserer Marke anbieten zu können.
Beenden Sie die Sätze…
Bio Suisse ist … eine sehr gut geölte Marketingmaschine.
Biologische Landwirtschaft ist … wichtig und hat es gebraucht, damit die konventionelle Landwirtschaft das Niveau erreichen konnte, das sie heute hat.
Landwirtschaft ist … der wichtigste Berufszweig auf der Welt.
Interview Bio Suisse
schweizerbauer.ch hat auch ein Interview mit Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli geführt. Dieses Gespräch wurde vor dem Interview mit Mattias Bannwart geführt.
-> Teil 1 des Interviews mit Urs Brändli gibt es hier (Vorschriften, Fütterung, weniger Umsteller)
-> Teil 2 Interview mit Urs Brändli (Migros, Discounter, Margen bei Bioprodukten und Preisüberwacher)
Bin auch nicht mit jeder Richtlinie einverstanden, aber das war ich bei IP suisse au nicht. Bei der Ertragsmaximierung, egal in welchem Betriebszweig gibt es viele profiteure, der Bauer gehört aber sicher nicht dazu. Denn die vielen Hilfstoffe wie Dünger, Pflanzenschutzmittel und Kraftfutter, fressen den mehrerlös wider auf...
Aber leider kriegt mann keine Anerkennung wenn die Kühe nicht 10'000kg Milch geben und die Ackerkulturen nicht perfekt aussehen! Es gibt Neid, und. Solche Artikel wie der obige.
Der Interviewpartner bedient sich sämtlichen Klischees und suggeriert hier das System zu kennen nur weil er als ehemaliger Landwirt noch Kontrollen ausführt. Öffentliche Diskussionen dieser Art nützen höchstens der polternden Person. Womöglich hofft er, die Regenbogenpresse werde auf ihn aufmerksam. Weiter spielen Diskussionen dieser Art den Befürwortern der Biodiversitätsinitiative in die Hände! Womöglich ist aber genau dies in Bannwarts Interesse um seine der Landwirtsachaft angewandten Freunde zu erfreuen...
Auf einem solchen Betrieb mit Nutztieren arbeiten heute 1-2Pers. Im Verhältnis die Fläche von Peter Garten mit 400m2 ist es nur 1‘000 auf 1Pers. gerechnet, auf 2Pers. Ist die Fläche 500 mal grösser. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in diesem Verhältnis das Ergebnis gleich gut hinbekommt.
Ich bin einfach der Meinung gewiesene Kulturen z.B. gewisse Gemüse, Kartoffeln, Obst 🥔, ist Bio weder sinnvoll und ökologisch auch unwirtschaftlich.
Alle wissen Kupfer ist ein Schwermetalle und baut sich nicht ab. Aus meiner Sicht sollte dies verboten werden, dafür andere Mittel gelockert werden.
Je nach Kultur kann im Gewächshaus Bio angebaut werden. Unser Klima mit dem Wandel (draussen) ist geeignet für Bio Gemüse und Obst. Ein Bergbauer der nur Vieh und Gras füttert der soll Bio machen.
Hochleistungskühe und Bio passt nicht zusammen, das sollte jedem klar sein.