Der Franken macht seinem Ruf als sicherer Hafen in Krisenzeiten wieder einmal alle Ehre. Erstmals seit mehr sieben Jahren ist der Euro am Montag unter die Marke von einem Franken gefallen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) dürfte mit Interventionen dagegengehalten haben.
Aktuell notiert das Währungspaar mit 1,0079 nicht weit über der sogenannten Parität. Davor war der Euro in der Nacht auf Montag erstmals seit Januar 2015 unter die Marke von 1,00 bis auf 0,99725 Franken gefallen.
Das ist nicht nur der tiefste Stand in 2022, sondern auch der geringste Wert seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses von 1,20 Franken durch die SNB im Januar 2015. Noch vor einem Monat notierte der Euro bei 1,06 Franken.
Anleger suchen Schutz
Grund für die aktuelle Stärke des Franken ist vor allem sein Ruf als sicherer Hafen in Krisenzeiten. Dass die Anleger Schutz suchen, zeigt sich aber auch darin, dass neben dem Franken auch Dollar, Yen und Gold als sichere Häfen angesteuert werden. So hat Gold zuletzt die Marke von 2000 Dollar je Unze überwunden. Und zum Dollar ist der Euro ebenfalls weiter gefallen bis auf 1,08. Das ist der tiefste Stand seit fast zwei Jahren.
Denn der Euro gelte als Währung eines «Kriegsrandzonengebiets», merkt die Commerzbank an. Es sei zumindest «marginal wahrscheinlicher» geworden, dass die Länder des Euroraumes in den Krieg hineingezogen werden könnten. Daher hätten globale Anleger weit weniger Appetit auf Euro-Positionen.
SNB dürfte interveniert haben
Aktuell hält sich der Euro wieder knapp über der Parität zum Schweizer Franken. «Es ist zu vermuten, dass die SNB interveniert hat, als der Euro unter die Parität getaucht ist», erklärt ein Händler. Vermutlich stecke die SNB hinter jeder stärkeren Gegenbewegung, die der Euro auf seinem Abwärtstrend mache.
Auch die Valiant Bank vermutet Interventionen der SNB. Die jüngste Frankenaufwertung sei aus der Sicht der SNB wohl zu schnell gewesen. Und ohne Intervention der SNB hätte sich der Euro des Euro nicht wieder über die Parität erholt. «Der Euro wäre ansonsten bei der zuletzt gezeigten Geschwindigkeit eventuell ins Bodenlose gefallen», so die Devisenexperten der Bank.
Ganz überraschend kämen die vermuteten Intervention indes nicht. Denn Direktoriumsmitglied Andrea Maechler hatte erst am Wochenende in einem Zeitungsinterview wiederholt, dass die SNB gegen die Franken-Stärke intervenieren könnte.
Boden erreicht?
Händler fragen sich nun, wann denn der Boden erreicht ist. UBS-Devisenfachmann Thomas Fury etwa rechnet damit, dass dies um das aktuelle Niveau herum sein dürfte. «Dabei sind solche Taucher, wie es heute einen gegeben hat, immer wieder möglich. Aber dass sich der Kurs unterhalb der Parität festsetzt, denke ich nicht», sagt Flury.
Die Parität sei vor allem eine psychologisch wichtige Grösse, die die SNB wohl nicht mit aller Gewalt verteidigen werde, merkt Thomas Stucki, Chefstratege der St. Galler Kantonalbank, dazu an. Aber auch Stucki schliesst eine Stabilisierung um die Parität nicht aus.
Doch für eine nachhaltige Erholung des Eurokurses braucht es wohl mehr. Vor allem positive Nachrichten aus dem Ukraine-Krieg wären dafür notwendig, sagen Händler. So etwa eine Meldung über einen funktionierenden Waffenstillstand.
Rohstoffmarkt als Schlüssel
Für SGKB-Stratege Stucki liegt der Schlüssel für die weitere Entwicklung dagegen vor allem im Rohstoffmarkt. Der Euro werde so lange unter Druck bleiben, wie sich die Rohstoffmärkte nicht wieder beruhigen.
Zuletzt sind wegen des Ukraine-Kriegs die Preise für Erdgas, Öl, Weizen und andere Rohstoffe stark gestiegen. «Wenn es hier zu einer Beruhigung kommt, könnte sich auch der Euro wieder erholen», sagt Stucki.