Es war damals einer der denkwürdigsten Tage für die Schweizer Wirtschaft in diesem Jahrhundert: Am 15. Januar 2015 um 10.30 Uhr hob die SNB völlig unerwartet den Euro-Mindestkurses von 1,20 Franken auf.
Sie verursachte damit ein Beben am Schweizer Finanzmarkt, aber auch einen heftigen Schock für die Exportindustrie. Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften reagierten geschockt und warnten vor einer Rezession in der Folge der jähen Frankenaufwertung.
Auf dem falschen Fuss
Der SNB-Entscheid erwischte damals fast alle Wirtschaftsakteure auf dem falschen Fuss. Dass der 2011 im Rahmen der damaligen Euro-Krise (Stichwort Grexit etc.) eingeführte Mindestkurs für die SNB immer schwieriger zu verteidigen sein würde, war allerdings den meisten Akteuren schon länger klar geworden. Die milliardenschweren Devisenkäufe durch die SNB in den Monaten davor waren auf wachsende Kritik gestossen.
Zwar führte die abrupte und zum Teil massive Frankenaufwertung nach der Aufhebung vor allem bei den exportorientierten Industrieunternehmen in den Jahren 2015 und 2016 zu teils tiefen Bremsspuren. In der Maschinen-, Metall- und Elektroindustrie dürften dem «Frankenschock» laut Ökonomen-Schätzungen zumindest vorübergehend Tausende von Arbeitsplätzen zum Opfer gefallen sein.
Nur ein negatives Quartal
Insgesamt zeigte sich die Schweizer Wirtschaft aber doch recht robust, wobei sie von der sehr diversifizierten Struktur ihrer Industrie profitierte. So ist etwa die hierzulande sehr wichtige Pharmaindustrie aufgrund ihrer einmaligen Produkte relativ wenig vom Wechselkurs abgängig und war entsprechend wenig betroffen vom starken Franken.
«10 Jahre nach Aufhebung des Mindestkurses können wir klar sagen, dass damit die Welt nicht untergegangen ist», formuliert es etwa Karsten Junius, Chefökonom der Bank Safra Sarasin. Wider Erwarten habe der Wechselkursschock die Schweiz auch in keine Rezession katapultiert. Nach einem Quartal mit einer negativen BIP-Entwicklung sei die Schweiz damals wieder gewachsen, was ihre aussergewöhnliche Anpassungsfähigkeit unterstreiche.
Lob von Banken
Gemäss UBS-Chefökonom Daniel Kalt haben sich die Schweizer Unternehmen in dieser Situation als sehr flexibel erwiesen und sich sehr gut an die damalige Lage adaptiert. Zwar hätten viele Firmen über Quartale oder zum Teil gar Jahre Verluste schultern müssen. Über die Zeit hätten sie dann aber besser gelernt, mit den Währungsschwankungen oder solchen Schocks umzugehen.
Junius von Safra Sarasin zieht denn auch eine positive 10-Jahres-Bilanz: «Damit lässt sich heute sagen, dass der Schritt der SNB vollkommen richtig gewesen ist», meint er. Die Nationalbank unter dem damaligen Präsidenten Thomas Jordan sei jedenfalls dafür zu loben, dass sie nicht länger zugewartet und bereits gehandelt habe, bevor die EZB mit ihren Anleihenkäufen begonnen habe. «Zu diesem Zeitpunkt wäre es spätestens klar geworden, dass der Mindestkurs nicht mehr aufrecht zu halten ist.» Und ein späterer Ausstieg wäre auch deutlich teurer geworden, glaubt er.
«Sehr mutiger, aber richtiger Schritt»
Der Chefökonom von Raiffeisen Schweiz, Fredy Hasenmeile, sieht es ähnlich. «Die Aufhebung des Mindestwechselkurses war ein sehr mutiger, aber auch ein vollkommen richtiger Schritt. Die Bilanz spricht für sich», sagte er. Der reale Wechselkurs habe sich seither nur wenig aufgewertet. Die Schweizer Industrie habe sich gut behauptet und zähle heute trotz kontinuierlichem Strukturwandel mehr Beschäftigte als damals.
Und noch wichtiger: Die Schweizer Industrie sei wettbewerbsfähig geblieben - unter anderem wegen des beständigen Fitnessprogramms, das der starke Franken der Industrie auferlege. «Ein Blick nach Deutschland zeigt, was geschieht, wenn eine Wirtschaft durch eine schwache Währung nicht mehr gefordert wird», betonte Hasenmaile.