Alle Jahre grüsst das Murmeltier: Der Grenzschutz wird von Ökonomen kritisiert. Nun ist die Hochschule St. Gallen an der Reihe. Untersucht wurden die Zollansätze werden der Haupternte in der Schweiz. Sie heisst bewirtschaftete Periode. In dieser Zeit werden hohe Zölle angewendet (Ausserkontingentszollansatz AKZA), damit die Schweizer Produzenten vor sehr günstiger Importware geschützt.
Wie ist die Einfuhr von frischem Obst und frischen Gemüsen geregelt?
Für jedes Produkt gibt es eine bewirtschaftete und eine nicht bewirtschaftete Periode. Diese Perioden richten sich mehrheitlich nach dem Angebot an inländischer Ware. Dabei gelten jeweils unterschiedliche Zollansätze und Einfuhrmöglichkeiten, schreibt das Bundesamt für Landwirtschaft.
In der bewirtschafteten Periode können Kontingente freigegeben werden, wenn das inländische Angebot nicht ausreicht, die Nachfrage zu decken. Einfuhren im Kontingent können zum tiefen Zollansatz (Kontingentszollansatz KZA) getätigt werden. Werden keine Kontingente freigegeben, können Einfuhren nur zu einem hohen Zollansatz (Ausserkontingentszollansatz AKZA) getätigt werden. Genau diesen Zollansatz kritisiert die Studie der Uni St. Gallen. Produkte – vor allem solche, die in der Schweiz nicht angebaut werden – sind frei importierbar.
«Zölle schwächen Bauen»
Die Studie hat nun diese AKZA-Ansätze ins Visier genommen. Im Maximum sind es gemäss der Universität St. Gallen 731 Franken pro 100 Kilo Tomaten. Ausserhalb der heimischen Erntezeit beträgt der Importzoll noch 5 Franken pro 100 Kilo. Bei den Erdbeeren liegt der AKZA-Ansatz bei 510 Franken je Kilo, ausserhalb der Schweizer Saison sind es 3 Franken. Bei den Rüebli liegt der AKZA-Ansatz bei 710 Fr./100 kg.
Die verschiedenen Agrarzölle würden die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Landwirtschaft schwächen, sagt Stefan Legge, Ökonom und Co-Autor der neuen Studie zur SRF. «Die hohen Zölle und nicht zuletzt auch die vielen Subventionen (Red. Direktzahlungen) – die Schweiz ist eines der OECD-Länder mit den höchsten Subventionen an die Agrarbranche – zeigen, dass die Schweizer Landwirtschaft eigentlich nicht wettbewerbsfähig ist», kritisiert er.
Der HSG-Forscher spricht der Schweizer Landwirtschaft die Wettbewerbsfähigkeit ab.
Ernesto Rodriguez
«Preise gehen künstlich nach oben»
Gemäss Legge würden vor allem einkommensschwache Haushalte die Zölle spüren. Denn die Preise würden so künstlich nach oben getrieben. Gemäss der Studie steigen die Preise für Tomaten während der Schweizer Erntesaison auf bis zu 10 Franken pro Kilo, im Winter sinken sie auf Weltmarktniveau.
«Ein Haushalt mit vier Personen gibt monatlich etwa 600 Franken für Lebensmittel aus. Wenn nun eine ganze Reihe von Produkten – wir haben ja nur Früchte und Gemüse näher angeschaut – zu bestimmten Zeiten deutlich teurer werden, kostet das einen Haushalt mehrere hundert Franken mehr pro Jahr», sagt Legge. Die neue Studie der HSG stellt damit den Gemüse- und Obstbau in der Schweiz infrage.
«Politik macht Bauern Vorgaben»
Die Studie lässt aber die unterschiedlichen Produktionsbedingungen und Vorschriften zwischen der Schweiz und dem Ausland ausser Acht. Biogemüseproduzent Manfred Wolf aus Kerzers FR wirft den Studienautoren vor, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. «Man vergleicht die Preise eins zu eins mit dem Ausland und blendet aus, unter welchen ökologischen Auflagen und unter welcher Kostenstruktur man hier in der Schweiz produziert», sagt er zu SRF.
Die Politik würde Vorgaben machen, in welche Richtung die Bauern gehen sollen: Mehr Ökologie und Nachhaltigkeit. Und das habe seinen Preis. Zudem würden Schweizer Haushalte nur noch 6 Prozent für Lebensmittel ausgeben. Vor 30 Jahren seien es noch 11 Prozent gewesen, sagt Wolf weiter.
Versorgungssicherheit
Wolf macht gegenüber SRF deutlich, was es heissen würden, wenn die Zölle drastisch gesenkt würden: «Ohne diesen Grenzschutz könnten wir gewisse Kulturen in der Schweiz nicht mehr produzieren. Wolf ruft auch die Arbeitsbedingungen in Erinnerung. In Spanien würden Erntehelfer 12 oder 13 Stunden arbeiten und 5 Franken pro Stunde verdienen.
Der Schweizer Bauernverband (SBV) bringt auch die Ernährungssicherheit ins Spiel. Beim Gemüse würden bereits 50 Prozent der Waren importiert. «Es ist im Sinn der Versorgungssicherheit, dass wir einen Teil des Gemüses im Inland produzieren», sagt SBV-Direktor Martin Rufer zum TV-Sender. Die Schweizer hätten zudem eine hohe Kaufkraft. Die höheren Preise seien damit tragbar.
Kosten können nicht so stark gesenkt werden
Eine andere HSG-Studie, welche vor gut 3 Jahren verfasst wurde, kommt zum Schluss, dass bei einem Agrarfreihandel die Preise gar nicht so stark gesenkt werden könnten. Die Studie zeigt, dass die Preise für Schweizer Obst, Gemüse und Kartoffeln nicht gesenkt werden könnten und auch der Handel seine Dienstleistungen nicht markant vergünstigen könnte.
Bei den untersuchten Produkten - Tafeläpfeln, Lagerkarotten, Rispentomaten und Kartoffeln- machen Strukturkosten, d.h. Kosten für Gebäude, Maschinen und Land, jeweils mindestens 30% der Aufwände aus. Der Anteil der Arbeitskosten reicht von 16% (Lagerkarotten) bis 49% (Tafeläpfel).
«Weder die Struktur- noch die Arbeitskosten können auf das Preisniveau im grenznahen Ausland gesenkt werden und würden gemäss Studie selbst bei einem Agrarfreihandelsabkommen nicht sinken. Kurzum: Es ist unmöglich, dass Schweizer Produzenten und Grosshändler die Kosten bei zentralen Produktionsfaktoren entscheidend senken können», hielten der Obstverband und der Verband der Gemüseproduzenten im Oktober 2020 fest.
Schöne Grüße in die Schweiz
Zölle und Handelsbeschränkungen zum Schutz der Landwirtschaft sind grundsätzlich gerechtfertigt, da ein Agrarfreihandel die Existenz der Landwirtschaft nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen Ländern gefährdet. So erhebt z.B. die Europäische Union Agrarzölle zum Schutz des Preisniveaus für landwirtschaftliche Erzeugnisse und auch die EU Verbraucher:innen bezahlen infolge der Zölle zum Schutz der inländischen Produktion höhere Produktpreise. Sozialpolitik über die Preise für landwirtschaftliche Produkte betreiben zu wollen, ist völlig abwegig. Da werden die Bedürfnisse zweier Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt – diejenigen der einkommensschwachen Bevölkerung gegen diejenigen der in der Landwirtschaft Tätigen. Solche Forderungen sind nicht nur unsozial, sondern gefährden auch das Zusammenleben in der Bevölkerung.
Produzenten und Konsumenterfreundlich.
Ist die Schweiz doch eher kleinstrukturiert > mehr Aufwand, dafür Regional, Sorgfalt, Qualität und Nahrhaftigkeit => weniger Abfall, weniger Transportaufwand und Billiglohn-Ausbeutung!
Ein Umdenken muss erwachen in unserer Wohlfühl-Kultur, nach dem Motto: wenn man will - kann man "vill" (viel)! Ich weiss, es geht, auch mit kleinem Einkommen.
Wird jedoch nie geschehen, denn die Konseque wäre, das sie sich ihren Lebensunterhalt in der Wirtschaft verdienen müssten.
Diese Studie ist wieder mal das Ergebnis wenn ganz gescheite Leute 'denken'! (oder denken, dass sie denken) ;-)
Vielleicht bekommen sie dort keine Subventionen mehr vom Staat Österreich, jedoch sicher von der EU. ;-)