Essen wir künftig vor allem Fleisch aus dem Labor?
David Parry / PA Wire
Das Projekt «Respectfarms» will Landwirtschaftsbetrieben ermöglichen, auf ihren Bauernhöfen Kulturfleisch zu produzieren. Die Bauern produzieren Rohstoffe und Fleisch. Die Fenaco will prüfen, ob diese Produktionsform ein Geschäftsfeld für Schweizer Bauern ist. Könntet Ihr Euch die Produktion von Laborfleisch vorstellen? Abstimmen und mitdiskutieren
Das niederländische Unternehmen Mosa Meat hatte 2013 den ersten Burger aus im Labor kultiviertem Fleisch vorgestellt. Dieser wurde damals mit Kosten von über 270’000 Franken veranschlagt. «Der Burger war 2013 noch so teuer, weil es damals eine neue Wissenschaft war und wir in sehr kleinem Massstab produzierten», erklärte eine Sprecherin von Mosa Meat im Sommer 2019. «Sobald die Produktion hochgefahren ist, rechnen wir mit Herstellungskosten von rund neun Euro», sagte sie weiter.
Steigende Fleischnachfrage
Seither wurden mehrere Unternehmen gegründet, die in diesem Bereich forschen und auf den Marktdurchbruch hoffen. Dies vor allem auch deshalb, weil der Fleischkonsum weiter steigen wird. Gemäss Berechnungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wird die weltweite Nachfrage nach Fleisch bis 2050 um 50 Prozent ansteigen.
Die Befürworter von sogenanntem «Clean Meat» glauben, dass Laborfleisch der einzige umweltverträgliche Weg ist, um den wachsenden Fleischbedarf zu decken. Studien gehen davon aus, dass der Markt für solche Produkte bis im Jahr 2050 auf etwa 10 Milliarden US-Dollar anwachsen wird. Die Ressourcen für die Lebensmittelproduktion jedoch sind begrenzt. Die Land- und Ernährungswirtschaft ist gemäss Forschern gefordert, Lösungen für eine effiziente Produktion von Nahrungsmitteln zu finden, welche die Umwelt nicht zusätzlich belasten.
Zelluläre Landwirtschaft
Seit Jahren wird das Kulturfleisch als solche Lösung propagiert. Und auch die Fenaco will sich in diesem Bereich engagieren. «Die zelluläre Landwirtschaft ist ein vielversprechender Ansatz, um die nachhaltige Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung sicherzustellen», schreibt sie in einer Mitteilung.
Für die Produktion von Kulturfleisch werden lebenden Tieren dabei schmerzfrei Zellen entnommen. Anschliessend werden diese Zellen in Nährlösungen unter idealen Bedingungen in einem Fermenter zu Muskelfleisch kultiviert.

zvg
Landwirte produzieren Rohstoffe und Fleisch
Mehrer Unternehmen im Ausland, aber auch im Inland (Migros) arbeiten an Methoden, um effizient und günstig Kulturfleisch zu produzieren. Sie gehen aber von einem industriellen Ansatz aus. Die Landwirtschaft würde hier nicht profitieren.
Das Projekt «Respectfarms» zielt auf die dezentrale Produktion von Fleisch in Zellkulturen auf Bauernhöfen. Die Vision: Die Landwirtinnen und Landwirte bauen auf ihrem Ackerland die Rohstoffe für die Nährlösung an und kultivieren danach das Fleisch in Fermentern direkt auf ihren Höfen. Das soll eine nachhaltige lokale Produktion und zugleich eine maximale Wertschöpfung für die Bauernbetriebe ermöglichen.
«Respectfarms reduziert die Rolle der Landwirtinnen und Landwirte nicht auf die Zulieferung von Nährmedien, sondern eröffnet ihnen echte Alternativen zur herkömmlichen Fleischproduktion», sagt Florentine Zieglowski, Mitgründerin von Respectfarms. Genau nach einem solchen Ansatz habe die Fenaco gesucht, sagt Christian Consoni, Leiter der Division Lebensmittelindustrie.
Respectfarms
Respectfarms bildet der Europäische Struktur- und Investitionsfonds zur Untersuchung des Potenzials der zellulären Landwirtschaft, der von der niederländischen Regierung koordiniert wurde. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen in einer Machbarkeitsstudie 2023 validiert und auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden. Danach soll mit dem Bau des weltweit ersten Kulturfleischbauernhofs gestartet werden.
«Landwirte haben einen bedeutenden Platz in der zellulären Landwirtschaft. Unsere Bauernhöfe vereinen das Beste aus Tradition und Innovation. Die Zukunft der Wurst ist kultivierte Wurst», schreiben die Promotoren auf ihrer Website.
Die Fenaco ist Teilsponsorin des Projekts und unterstützt es als einzige landwirtschaftliche Organisation ausserhalb der Niederlande. Neben einem finanziellen Beitrag bringt die Genossenschaft ihr agronomisches Wissen und ihre grosse Erfahrung im Bereich der Lebensmittelverarbeitung ein.
Fenaco will selbst nicht produzieren
Die Fenaco will nun analysieren, ob die zelluläre Landwirtschaft tatsächlich ein neues Geschäftsfeld für die Schweizer Bauern darstellt. Das Unternehmen will selbst nicht in die Produktion von Laborfleisch einsteigen.
«Durch unsere Projektbeteiligung bauen wir Wissen in Bezug auf die Herstellungsprozesse, die benötigte Infrastruktur, die Wirtschaftlichkeit oder die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf», so Consoni. Diese Erfahrungen will man den Bauern zur Verfügung stellen, damit sie Investitionsentscheide fällen können.
Laborfleisch schneidet nicht besser ab
Neue Studien zweifeln nun daran, dass die Herstellung von «kultiviertem Fleisch» umweltfreundlicher ist als jene von herkömmlichem Fleisch. Zwar entstehen etwa bei der Anzucht von Hackbällchen 75 Prozent weniger Treibhausgase als etwa bei Rindern auf der Weide, berichtete die «NZZ am Sonntag» im Oktober 2021 mit Verweis auf eine neue Übersichtstudie.
Beim Schweinefleisch jedoch sind die Treibhausgasemissionen von Laborfleisch um ein Zweifaches höher, bei Geflügel um ein Dreifaches. Noch schlechter sieht die Bilanz beim Energieverbrauch aus. Die Zellen brauchen 37 Grad Körpertemperatur, und auch die Sterilisation der Anlagen sowie die Herstellung der notwendigen Nährmedien benötigen Energie. Je nach Studie schneidet das Fleisch aus dem Bioreaktor in Sachen Energieverbrauch schlechter ab als herkömmliches Rindfleisch, auf jeden Fall aber schlechter bei Huhn oder Schwein.
«Heilsversprechen»
Gemäss einer niederländischen Studie müssten mehr als 30 Prozent der notwendigen Energie aus erneuerbaren Quellen stammen, damit das Laborfleisch beim CO2-Fussabdruck mit konventionell hergestelltem Geflügel- und Schweinefleisch mithalten kann. Beim Land- und Wasserverbrauch ist Laborfleisch ressourcenschonender.
«Man kann noch gar keine zuverlässigen Aussagen darüber machen, wie sich In-vitro-Fleisch auf Klima, Umwelt und Gesundheit auswirken wird», sagte Technikphilosophin Silvia Woll vom Karlsruher Institut für Technologie zur «NZZ am Sonntag». Die Unternehmen würden Heilsversprechen aussprechen. «Doch wenn man an der Basis klopft, klingt es hohl», kritisierte Woll.
Hohe Kosten für Nährmedium
Und gemäss der niederländische Unternehmensberatung CE Delf ist die Erzeugung von In-Vitro-Fleisch um den Faktor 100 bis 10’000 teurer als die Produktion herkömmlicher Ware. Um «Laborfleisch» konkurrenzfähig zu machen, müssten also die Produktionskosten erheblich gesenkt werden. Sogar bei einer deutlichen Verringerung des Nährmediumbedarfs sowie einer erheblichen Verbilligung der Wachstumsfaktoren und Proteine würde die Erzeugung von In-vitro-Fleisch aber noch rund 15 $ (13.8 Fr.) je Kilogramm kosten, im Vergleich zu etwa 2 $ (1,85 Fr.) für herkömmliches Fleisch.
7 Responses
I gloub i blibe bim aute System!
Die grösste Herausforderung dürfte wohl sein, die Zellkulturen kontaminationsfrei zu halten, ohne Antibiotika einzusetzen, da sie kein eigenes Abwehrsystem besitzen und unstrukturiertes Fleisch sehr anfällig auf Verderbnis ist. Ansonsten benötigen die Zellen, genau wie in einem Tier, Nährstoffe zum wachsen, und sie geben auch Abfallstoffe aus dem Zellstoffwechsel ab Da düfte noch einiges an Herausforderungen und unvorgesehenem Aufwand auf die Produzenten zukommen. Die Schnapsidee bringt nichts.
Wie immer, die Bauern sollen die komplexe Arbeit übernehmen, sonst braucht es ja einen 3-Schicht Betrieb der enorme Kosten generiert. Der Preis wird so angesetzt, dass der Bauer sicher eingeklemmt ist zwischen Produktionskosten und Ertrag. Kein einziger Landwirt der mit seinen Händen arbeitet ist bis jetzt explodiert wie die Handelsfirmen. Andere arbeiten lassen, gibt finanziellen Reichtum, da denkt die Fenaco schon richtig.
Hände weg von der Laborfleischproduktion, sonst machen wir ein Eigengoal!
Das hat eigentlich mit ‚Land‘-wirtschaft nichts mehr zu tun! Also muss es auch nicht auf dem Land produziert werden, und die Bauern werden am Schluss höchstens noch ein paar Tiere als Zellenlieferanten halten.
Das grosse Geld werden damit wohl andere verdienen… 🙁
Überhaupt; hirnverbrannte Forscherei der Labortäter !
Bei der Herstellung der Nährmedien aus Ackerkulturen dürften große Mengen an Nebenprodukten anfallen, welche dann am sinnvollsten an Tiere verfüttert werden.