Allerdings seien andere Regionen in Bezug auf die Anwendung technologischer Hilfsmittel schon sehr viel weiter als Europa, sagte der Chef des Agrochemiekonzerns. «In den USA und Brasilien haben die Bauernhöfe Zugang zu Top-Technologien und innovativen Hilfsmitteln», sagte er. Hier sei das viel weniger der Fall.
«Bauern zuhören»
«Darum haben sie einen strategischen Nachteil», so Rowe. Er könne den Unmut der Bauern und ihre Proteste deshalb ein Stück weit nachvollziehen. «Wenn die Bauern unzufrieden sind, ist es wichtig, dass man ihnen zuhört», sagte er.
Als Amerikaner wollte er sich nicht zu den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in seinem Land äussern. Er wies jedoch darauf hin, dass Syngenta bereits einmal eine Trump-Präsidentschaft überstanden habe. «Uns ging es in dieser Zeit gut», so Rowe.
Dass die Beziehung zwischen den USA und China derzeit sehr zerrüttet ist, missfällt ihm allerdings. «Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn die beiden Staaten eine Möglichkeit fänden, miteinander auszukommen.» China sei der grösste Kunde für amerikanische Agrikulturprodukte.
Produktion steigern
Rowe sieht sein Unternehmen als wichtigen Akteur, wenn es um die Sicherstellung der Welternährung geht: «Wir steuern auf eine Weltpopulation von 10 Milliarden Menschen zu.» Die Lebensmittelnachfrage werde deshalb um 50 bis 70 Prozent steigen, sagte er mit Verweis auf Statistiken. Zu dieser erhöhten Nachfrage kämen jedoch die Herausforderungen des Klimawandels. «Wetterextreme erschweren eine zuverlässige, gleichmässige Ernte.»
Wenn man also mehr produzieren wolle, müsse man die Produktivität und die Effizienz in der Landwirtschaft erhöhen. «Denn wenn wir das nicht können, brauchen wir mehr Anbaufläche. Und das wiederum würde bedeuten, dass wir Landstriche kultivieren müssten, die man nicht kultivieren sollte, wie etwa Regenwälder», so Rowe. Das hätte einen katastrophalen Effekt auf das Klima.
Regenerative Landwirtschaft
Einen Teil der Lösung für mehr Effizienz sieht er auch in der Umstellung auf regenerative Landwirtschaft. Denn aktuell seien etwa 40 Prozent der Weltlandwirtschaftsfläche «degradiert», also überbeansprucht. Bei der regenerativen Landwirtschaft schützen die Bauern ihre Böden, beispielsweise durch das Anpflanzen verschiedener Pflanzen, also durch Biodiversität. Eine Umstellung auf diese Form der Produktion brauche jedoch viel Zeit, so Rowe. «Es wird nicht schnell gehen, aber es wird stark sein.»
Jeff Rowe (51) kam im September 2016 als Präsident von Syngenta Seeds und Nordamerika zu Syngenta. Vor seiner aktuellen Position als Leiter des Pflanzenschutzgeschäfts war er die treibende Kraft hinter der erfolgreichen Neuaufstellung des Saatgutgeschäfts. Unter seiner Leitung konnte Syngenta Seeds den Umsatz deutlich ausbauen und zur Profitabilität zurückkehren. Er verantwortet zudem die gruppenübergreifenden Initiativen der Syngenta Group zur Förderung einer regenerativen Landwirtschaft und zum Schutz der Bodengesundheit. Bevor er zu Syngenta kam, war Jeff Rowe über 20 Jahre in leitenden Positionen für DuPont Pioneer tätig.
Als Landwirt der fünften Generation besitze er ein tiefgreifendes Verständnis für die Herausforderungen, denen Landwirte sich heutzutage stellen müssen, teilte Syngenta im November 2023 mit. Rowe ist dem 1. Januar 2024 Chef von Syngenta.