Die Schweizerische Nationalbank (SNB) dürfte am kommenden Donnerstag ein weiteres Mal an der Zinsschraube drehen. Da die Inflation zuletzt aber deutlich zurückgekommen ist, könne der Zinserhöhungszyklus damit langsam zu einem Ende kommen.
Nachdem die SNB in den letzten 12 Monaten drei Zinsschritte à 50 Basispunkten (BP) und einen à 75 Basispunkten vorgenommen hat, dürften es dieses Mal gemäss Ökonomen-Einschätzungen nur noch 25 Basispunkte sein. Jedenfalls erwartet die klare Mehrheit der von der Nachrichtenagentur AWP befragten Ökonominnen und Ökonomen lediglich einen solch kleinen Schritt.
Scharfe Rhetorik
Dass die SNB gar – wie es letzte Woche die amerikanische Notenbank Fed vorgemacht hat – eine Zinspause einlegen wird, halten die Beobachter hingegen für praktisch ausgeschlossen. Dies hat vor allem auch mit der relativ scharfen Rhetorik der SNB-Spitzen in jüngster Zeit zu tun.
«Zum jetzigen Zeitpunkt können wir eine weitere Straffung der Geldpolitik nicht ausschliessen», sagte jedenfalls SNB-Chef Thomas Jordan erst wieder am vorletzten Wochenende in der Sonntagspresse. Die SNB müsse sicherstellen, dass die Inflation wieder nachhaltig unter 2 Prozent zu liegen kommt. «Wir haben immer noch ein Umfeld, in dem die Inflation zu hoch ist und es relativ breit zu Preiserhöhungen kommt», so der SNB-Präsident.
Inflation wieder nahe Zielband
Allerdings hat sich die Inflation in den letzten Monaten klar in die gewünschte Richtung bewegt, was denn auch der Grund ist, dass die meisten professionellen SNB-Beobachter dieses Mal lediglich einen kleinen Schritt erwarten. So sank die hiesige Jahresteuerung im Mai von 2,6 auf 2,2 Prozent, nachdem sie zu Beginn des Jahres im Januar und Februar vor allem wegen höherer Strom- und Flugpreise noch bis auf 3,4 Prozent angestiegen war.
Mit dem aktuellen Stand nähert sie sich auch wieder dem Zielband von 0 bis 2 Prozent, das die SNB langfristig anstrebt bzw. mit dem sie ihren Auftrag zur Erhaltung der Preisstabilität definiert. Dass die Inflation aber so schnell verschwindet, wie sie zuvor gekommen war, dürfte allerdings Wunschdenken sein. Ein wichtiger Punkt dabei ist etwa die Entwicklung der Mieten.
Höhere Mieten
So ist Anfang Juni wegen der erhöhten Zinsen erstmals in der Geschichte der sogenannte Referenzzinssatz angestiegen, was sich in den nächsten Monaten in deutlich steigenden Mietpreisen manifestieren wird. Und da die Mieten auch ein wichtiger Faktor im Konsumentenpreisindex sind, dürfte die Inflation im Herbst nochmals anziehen. «Wenn die Hälfte der Vermieter die Miete um die möglichen 3 Prozent erhöht, würden diese Mietanpassungen die Inflationsrate um gut 0,2 Prozentpunkte anheben», hat beispielweise Karsten Junius von der Bank Safra Sarasin berechnet.
Es ist daher nicht auszuschliessen, dass die SNB diesem potentiellen Wiederanstieg mit einer weiterhin relativ aggressiven Politik entgegentreten wird. Alexander Koch von Raiffeisen Schweiz erwartet zwar auch wie die meisten seiner Kollegen einen Schritt um 25 Basispunkte, sieht allerdings eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es 50 Basispunkt sein werden. Jedenfalls seien die Chance dafür grösser, als dass die SNB ganz auf eine Erhöhung verzichte.
«Markante Verschärfung
Zu den Experten, die ohnehin eine Erhöhung um 50 Basispunkte erwarten, gehört etwa Thomas Stucki von der SGKB. Allerdings stellt auch er fest, dass sich die Inflationsrate wieder der Zielbandbreite nähert. Er geht deshalb davon aus, dass dies der letzte Zinsschritt im aktuellen Zinserhöhungszyklus sein wird. «Ein Zinsniveau von 2 Prozent ist zwar noch nicht sehr hoch, aber im Vergleich zu den letzten 10 Jahren eine markante Verschärfung des Finanzierungsumfelds», meint er. Die Haushalte und die Unternehmen müssten sich anpassen, was die Wirtschaft und den Immobilienmarkt bremse.
Auch bei einem lediglich kleinen Zinsschritt erwarten allerdings bereits viele SNB-Experten ein Ende des Erhöhungszyklus. So etwa Marc Brütsch von Swiss Life, der klipp und klar sagt: «Die Inflation dürfte in der Schweiz im Juni 2023 unter 2 Prozent fallen.» Trotz Sondereffekten in den Wintermonaten (höhere öV Tarife, Mehrwertsteuererhöhung und höhere Mieten) wird die Inflationsrate seiner Meinung nach nicht wieder über die Schwelle von 2 Prozent ansteigen.
Auch Alessandro Bee von der UBS erwartet nur noch einen letzten kleinen Schritt. Er führt neben der Inflationsentwicklung auch noch andere Faktoren als Argument dafür an. So sei etwa das Risiko einer US-Rezession in der zweiten Jahreshälfte gestiegen, was auch die SNB wohl vorsichtiger lassen werde. Ausserdem bringt er mit Devisenverkäufen noch ein weiteres Instrument in Spiel, mit dem die SNB die Inflation tendenziell im Zaume halten kann. So verbilligt ein stärkerer Franken die Einfuhren und senkt entsprechend die sogenannte importierte Inflation.