Samstag, 3. Juni 2023
08.05.2022 10:55
Ernährung

Syngenta-Chef: «Bio schadet Klima»

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Von: blu/sda

Der Chef des Agrarkonzerns Syngenta hat angesichts einer drohenden Nahrungskrise eine Abkehr vom Biolandbau gefordert. Reiche Länder stünden in der Pflicht, ihre Agrarproduktion zu erhöhen, um eine weltweite Hungerkrise zu verhindern, sagte Erik Fyrwald. Die Kleinbauern-Vereinigung und Bio Suisse kritisieren den Syngenta-Chef.

Die Erträge im Biolandbau könnten je nach Produkt um bis zu 50 Prozent tiefer ausfallen, sagte der 62-jährige US-Manager des Basler Konzers im Interview mit der «NZZ am Sonntag». «Die indirekte Folge ist, dass Menschen in Afrika hungern, weil wir immer mehr Bioprodukte essen.»

«Bio schadet Klima»

Der Biolandbau fördere den Landverbrauch, weil er grössere Flächen benötige, sagte Fyrwald. Bio schade auch dem Klima, weil die Äcker in der Regel gepflügt würden, was den CO2-Ausstoss erhöhe. Und in der Biolandwirtschaft würden auch Pestizide im grossen Stil eingesetzt. «Sie sind allerdings weniger effizient. Im Bioweinbau wird gegen Pilzbefall Kupfer eingesetzt, ein Schwermetall», so der Syngenta-Chef.

Die Leute sollen nach Ansicht von Fyrwald biologisch produzierte Produkte kaufen dürfen, wenn sie dies wollten, aber die Regierungen sollten darauf pochen, dass die Ertragsverluste nicht derart gross sind. Die EU-Landwirtschaftspolitik strebt demnach einen Bioanteil von 25 Prozent an. In der Schweiz beträgt der Marktanteil 11 Prozent. Das Ziel gelte es aber kritisch zu überprüfen, machte der Manager deutlich. «Menschen in Afrika wird Nahrung weggenommen, weil wir Bioprodukte wollen und unsere Regierungen die Biolandwirtschaft unterstützen», kritisiert der in Basel lebende Fyrwald.

Ukraine ernährte 400 Millionen Menschen

Fyrwald plädierte für einen dritten Weg in der Landwirtschaft, also weder nur konventionell noch rein biologisch. «Unsere Vision heisst regenerative Landwirtschaft», sagte er. Vom Biolandbau übernehme man die Fruchtfolge. So würden die Böden gesund bleiben. Gleichzeitig setze man Pflanzenschutzmitteleinsatz gezielt ein, damit die Äcker nicht gepflügt werden müssten und das CO2 in der Erde bleibe. «Dazu braucht es Pflanzen, die Wetterextremen widerstehen», so der Manager weiter.  Da helfe Genom-Editierung, um die Erträge zu steigern

Dass er und Syngenta den Biolandbau aus Konzerninteressen bekämpfen, bestritt er im Interview. «Die ganze Branche erzielt mit Bio hohe Gewinne, weil die Konsumenten bereit sind, viel dafür zu zahlen.»

Gefahr einer Ernährungskrise

Der Syngenta-Chef sah eine grosse Gefahr für eine weltweite Ernährungskrise. Bereits vor dem Ukraine-Krieg seien die Preise für Mais, Soja und Getreide wegen Covid-19 und Wetterextremen gestiegen. Es habe eine Dürre in Südamerika und im Westen der USA gegeben, gleichzeitig sei es im Mittleren Westen kalt und nass gewesen. Zudem leide Indien unter einer Rekordhitze.

Und nun komme der Krieg in der Ukraine dazu, sagte Fyrwald. Die Ukraine ernähre 400 Millionen Menschen. Das Uno-Welternährungsprogramm decke den Bedarf von 125 Millionen Menschen, die Hälfte des Getreides komme aus der Ukraine. Dieses falle nun weg.

Bauern unterstützen

Europa und die USA würden die Verknappung in erster Linie durch steigende Preise zu spüren. «Die reichen Länder stehen aber in der Pflicht, selbst so viel Nahrung zu produzieren, um eine Hungerkrise in armen Ländern zu verhindern», sagte der US-Amerikaner zur «NZZ am Sonntag».

Es spricht sich auch gegen die Schliessung von Märkten aus. Boykotte gegen russische Agrarexporte wären keine gute Idee, hielt er fest. «Vor allem müssen wir aber die Bauern rund um die Welt unterstützen. Wir sollten ihnen Mittel zur Verfügung stellen, die helfen, die Erträge zu erhöhen, und die Resistenz der Pflanzen gegen Wetterextreme stärken», so Fyrwald.

Kritik der Kleinbauern-Vereinigung und Bio Suisse

Der Berner Biobauer und Präsident der Kleinbauern-Vereinigung, Kilian Baumann, bezeichnete die Argumentation von Syngenta als grotesk: Weil die Bauern immer weniger Pestizide einsetzten, kämpfe ein Agrarkonzernvertreter um seine Umsätze. Nicht der Biolandbau, sondern der Hunger auf Fleisch förderten den Landverbrauch, schrieb der Grüne Berner-Nationalrat in einem Tweet.

Auf 43 Prozent der Schweizer Ackerfläche würden Futtermittel angebaut und zusätzlich würden noch 1,2 Millionen Tonnen an Futtermitteln importiert. Um eine tierische Kalorie zu produzieren benötigt es ein Vielfaches an Fläche gegenüber einer pflanzlichen Kalorie, so Baumann.

Bio Suisse wies in einer Stellungnahme auf Anfrage von Keystone-SDA darauf hin, dass ein Drittel der produzierten Nahrungsmittel ungenutzt in den Abfall wandere. Getreide, Mais und Speiseöl würden in enormen Mengen in Treibstofftanks landen oder zu Fleisch verarbeitet, während Menschen verhungerten. «Die Fläche für eine Portion Schweineschnitzel könnte dabei fünf Portionen Bio-Soja produzieren», schreibt der Kommunikationsleiter von Bio Suisse, Lukas Inderfurth.

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21 Responses

  1. Genau und wo ist der Chef? Er verdient ja mit Pflanzenschutzmitteln, war ja so klar dass der Bauern Blick wieder darüber berichten muss.
    Gescheiter mal was gegen das Foodwaste unternehmen, als immer Die Bio branche verfluchen. Das ganze ist nicht zu ende gedacht!

      1. Vom Humusabbau leben heute leider fast alle Anbausysteme. Möchte Syngenta mit dieser Ankündigung zusätzlich auch noch die im nächsten Jahr ziemlich sicher fehlenden Kunstdünger liefern?

    1. Werter Beobachter
      Sie haben Recht, das ganze *Bio* ist wirklich nicht zu Ende gedacht. 😉
      Sie sollten desweiteren Ihrem Namen gerecht werden und noch etwas weiter zurück „beobachten“…
      https://www.blick.ch/wirtschaft/migros-chef-bolliger-provoziert-debatte-bio-ist-schlecht-was-ist-dran-id7745659.html
      Ausgerechnet Derjenige, welcher „Bio“ zu dem gemacht hat, was es heute ist… letztendlich geht es immer nur um Eines: Margen, Gewinn, Wachstum. UND NICHTS ANDERES.

  2. Endlich spricht einer über die Realität. Viele Leute aus der Bio-Branche müssen ja selber zugeben, dass man mit Bio die Welt nicht ernähren kann. Es braucht einen Mittelweg.
    Die Argumente vom Bauern-Killian kann man nicht wirklich ernst nehmen. Leute die arbeiten brauchen auch mal ein Stück Fleisch. Und wenn die Leute ein Stück Fleisch wollen, dann wollen sie nicht Kraut und Rüebli.

    1. Konventionell kann man die Welt nicht ernähren, das ist ja nach 50 Jahren Hungerkrise in Afrika trotz immer mehr Agrarchemie auf der Hand. Es muss ein anderer Weg eingeschlagen werden. Bio ist einer. In Afrika bio anbauen ist oft der einzige gangbare Weg, doch da stemmen sich die Chemie-Riesen dagegen. Die Chemie-Lobby will nun den Anstieg der Agrar-Preise nutzen, um auf die Gentech-Schine zu kommen. Merkt man das nicht?

    2. Viel Glück auf dem Weg zurück in die Steinzeit! Jahrzehntelange vergiftung der Natur und der Böden für den Profit ist ja so Zeitgemäss! Ich habe Kinder und die wollen auch in Zukunft keinen Agrochemiedreck!

  3. Hatte bis vor ein paar Jahren selbst nach Bio Suisse produziert, musste aber feststellen ich es meinem Böden und Hochstammbäume nicht länger antun möchte.
    Diverse spritzmittel wo über Jahre nicht abbaubar sind etc. Produziere jetzt wieder nach ip Richtlinien und der Ertrag macht wider richtig Freude auch wenn unterem Strich finanziell drinn ist.
    Habe Milchvieh Haltung zuchtsauen, wenig ackerbau und ein paar hochstämmer.

  4. An Alle, die jetzt frohlocken: Syngenta gehört den Chinesen, freut euch nicht zu früh.
    Wie es ist, wenn man richtig abhängig ist, zeigt leider die aktuelle Lage bei Gas und Öl!

  5. Man merkt sofort, dass der Syngenta Chef kaum Ahnung hat von Bodenfruchtbarkeit. Ihm geht es nur ums eigene Geschäft. Vielleicht ist das ja nur ein Vorgeschmack davon, was die Chinesen für Absichten haben. Schon tragisch, wenn die Landwirtschaft bei Oel, Gas und Dünger von Putin und bei den PSM von China abhängig ist. Solche Seitenhiebe hat der Biolandbau aber schon viele erlebt und hat trotzdem stetig zugenommen. Für viele Probleme heute ist Syngenta und nicht der Biolandbau verantwortlich.

    1. Du hast vergessen zu schreiben von wem wir noch mehr von Nahrungsmitteln abhängig würden, wenn alle hierzulande Bio machen würden.

      1. Wenn ich die Kommentare lese, werde ich das nie erleben. Weniger Nahrungsmittel wegwerfen, weniger Fleisch, weniger Eier könnte man dann auch noch. Wie abhängig von ausländischem (Eiweiss-)Futter wir sind, habe ich noch vergessen zu schreiben. Aber selbstverständlich kritisiert man am einfachsten die Biobauern, dann braucht man seine Sicht nicht zu hinterfragen.

  6. Die regenerative Landwirtschaft ist offenbar auch beim Syngenta-Chef angekommen, nur hat er sie nicht begriffen…

  7. Erik Fyrwalds zynische These: Nicht Putins Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundenen Ernteausfälle sind die Ursache einer künftigen Hungerkrise, sondern Konsumenten von Bio-Gemüse. Abkehr vom Biolandbau und ökologischen Ausgleichsflächen, vom Arten- und Gewässerschutz: Die CEO’s und Lobbyisten der Agrar- Pestizid- und Düngemittelindustrie instrumentalisieren Putins Krieg und nutzen das entstehende Leid als Chance zur Gewinnsteigerung und zur Durchsetzung ihrer politischen Agenda.

  8. Vielleicht sollte mal miteinander (alle Bauern und die Chemiekonzerne zusammen) an einer Lösung gesucht werden, statt sich gegenseitig Schuld zu zuweisen.
    Zudem sollten Kleinstbetriebe gefördert werden, die sind oft kreativer und flexibler als die Grossen.

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