Während zwei Tagen berät der Nationalrat die AP22+.
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Ins Landwirtschaftsgesetz kommen weder ein Absenkpfad für Treibhausgase noch ein Ausbaupfad für mehr Tierwohl. Das hat der Nationalrat am Mittwoch im Zug der Beratungen über die Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) beschlossen.
Mit seinem bisherigen Entscheiden blieb der Nationalrat auf der Linie des Ständerates, der die Vorlage im Dezember behandelt hatte. SP, Grüne und GLP wollten im Landwirtschaftsgesetz explizit einen Absenkpfad für Treibhausgase verankern.
Landwirtschaft hat grossen Einfluss
Die Landwirtschaft hätte ihre Emissionen demnach gegenüber dem Stand von 1990 bis 2030 um 20 Prozent, bis 2040 um 30 Prozent und bis 2050 um 40 Prozent senken sollen. «Aus unserer Sicht ist es konsequent, wenn wirklich alle Wirtschaftsakteure sich an der Erreichung dieses Ziels verpflichtend beteiligen – auch in der Land- und Ernährungswirtschaft. Wenn die Wirtschaftsakteure diese Ziele kennen, können sie entsprechend handeln und sich entsprechend ausrichten. Der neue Artikel gibt der Landwirtschaft und der Ernährungswirtschaft moderate Vorgabe und somit auch die notwendige Rechtssicherheit gibt», sagte GLP-Nationalrat Roland Fischer (LU).
Das Ziel von 40 Prozent sei eher tief, die Industrie müsse mehr erreichen, sagte Kathrin Bertschy (GLP/BE). «Das Sektorziel nimmt also bereits Rücksicht auf die Landwirtschaft. Es ist nicht besonders ambitioniert. Es ist ein umsetzbares Ziel. Aber es führt kein Weg daran vorbei», hielt sie fest.
Auch Kilian Baumann (Grüne/BE) setzte sich für den Artikel ein. «Ein Drittel des konsumbedingten Treibhausgasausstosses geht auf unsere Ernährung und damit auf die landwirtschaftliche Produktion zurück. Wie wir diese Bereiche gestalten, hat daher einen grossen Einfluss darauf, ob wir die Klimaziele erreichen oder eben nicht erreichen können», sagte er. Mit dem Artikel zeige die Landwirtschaft, dass sie bereits heute zum Klimaschutz beitrage und bereit sei, diese Anstrengungen weiter zu verstärken. «Mit der ausdrücklichen Erwähnung von Landwirtschaft und Ernährung wird zudem zum Ausdruck gebracht, dass eine klimafreundliche Produktion ebenfalls Anpassungen in unseren Konsummustern bedingt», führte Baumann aus.
«Unser CO2-Gesetz sieht ausdrücklich – ausdrücklich und namentlich – vor, dass alle Sektoren zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beizutragen haben, so auch namentlich und ausdrücklich die Landwirtschaft», sagte Jacqueline Badran (SP/ZH) . Es sei richtig, wenn man Ziele ins Gesetz schreibe. «Ich hoffe, dass hier drin allen klar ist, dass der Boden der grösste CO2-Speicher, aber auch der grösste und mit Abstand grösste Emittent von Treibhausgasen ist. In dem Sinne kommt der Landwirtschaft eine Schlüsselfunktion in der Klimafrage zu», hielt sie fest.
«Bauern schlafen nicht»
Anderer Meinung war Markus Ritter (Mitte/SG). «Eine separate Regelung für einen Absenkpfad für Treibhausgase ist im Landwirtschaftsgesetz nicht nötig. Diese Anliegen sind in anderen Gesetzgebungen, die alle Wirtschaftsbereiche betreffen, bereits in Diskussion», sagte der Präsident des Schweizer Bauernverbandes.
Martin Haab (SVP/ZH) sagte, dass die Bauern bereits heute viel unternehmen, um den Ausstoss von Treibhausgasen zu vermindern. «Ich möchte an Berufskollege Baumann appellieren: Sprechen Sie mal mit Ihren Bauern, wenn Sie die Gelegenheit dazu haben, und fragen Sie, wo der Schuh drückt. Jeder sagt, dass die Umsetzung dieser Massnahmen unglaublich herausfordernd ist», sagte Haab weiter. Die Massnahmen würden aber umgesetzt und trügen dazu bei, die Ziele zu erreichen. «Wenn Sie sich vielleicht die Mühe genommen haben, heute die Zeitung ‘Schweizer Bauer’ anzuschauen, dann haben Sie gesehen, dass auf der Frontseite von neuen Technologien berichtet wird, die die Bauern einsetzen. Sie ergeben bei den Ammoniakemissionen in den Laufställen der Rindviehbetriebe Reduktionen von bis zu 60 Prozent. Sie sehen also: Die Bauern schlafen nicht, und die Forschung schläft nicht. Wir sind auf einem guten Weg, und wir arbeiten daran», sagte Haab zu Baumann.
Zwischenziele gebe es bereits, und sie müssten deshalb nicht extra erwähnt werden, begründete Sprecher Olivier Feller (FDP/VD) das Nein der Mehrheit. Der Rat lehnte dieses Ansinnen aber mit mit 107 zu 81 Stimmen ab.
Kein Absenkpfad Tierwohl
Martina Munz (SP/SH) beantragte einen Ausbaupfad für Tierwohl. Die Konsumenten wünschten tierische Nahrungsmittel aus tierfreundlicher Produktion. Die Landwirtschaft solle frühzeitig wissen, wohin die Reise geh. «Deshalb ist es wichtig, jetzt einen Tierwohlartikel ins Gesetz aufzunehmen und nicht bis zur AP 2030-2033 zu warten, damit sich die Landwirtschaft bei Investitionen daran orientieren kann», hielt sie fest.
In der politischen Debatte zur Massentierhaltungs-Initiative sei der Bevölkerung versprochen worden, dass das Tierwohl weiterhin eine hohe Priorität habe. «Dieses Versprechen kann jetzt eingelöst werden. Besonders tierfreundliche Produktionsformen sollen mit dem neuen Artikel gefördert, und die gewünschte Wirkung soll überprüft werden können», sagte Munz. Die Zielvorgabe von 80 Prozent beim Programm Raus (regelmässiger Auslauf ins Freie) in der Botschaft zur AP22+ sei einerseits wegen fehlender gesetzlicher Abstützung und andererseits wegen der lückenhaften Zielformulierung ungenügend. Beim Programm BTS (besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme) gebe es keine Zielvorgabe. «Mit dem Tierwohlartikel könnten Zielvorgaben gesetzt werden», führte Munz aus.
Ihr eilte Kilian Baummann (Grüne/BE) zu Hilfe. Der Biolandwirt sagte, dass die Schweizer Bevölkerung hohe Ansprüche an das Tierwohl habe. Mit einem «Ausbaupfad Tierwohl» im Gesetz würden langfristig auch die Landwirtschaftsbetriebe profitieren. «Denn wenn die Schweiz ihr Alleinstellungsmerkmal bei der Tierhaltung nicht verlieren will, muss sie sich weiterentwickeln», führte er aus.
Tierwohl entscheidet sich an der Ladentheke
Markus Ritter sah das nicht so. Er sagte, dass das Tierwohl in der Schweiz bereits ein sehr hohes Niveau erreicht habe. «Weitere Bestimmungen sind nicht nötig. Das wurde vom Volk mit der Ablehnung der Massentierhaltungs-Initiative auch so bestätigt», sagte der Mitte-Nationalrat. Und er brachte die Kosten in die Debatte ein. «Diese würden bei der Einführung eines solchen Ausbaupfades Tierwohl deutlich steigen, wie ich im Eintretensreferat aufgezeigt habe. Allen, die höhere Tierwohlstandards wollen, steht die Möglichkeit offen, Labelprodukte wie IP- oder Bioprodukte zu kaufen», führte er aus.
SP, Grüne und Grünliberale hätten bei den Wahlen 2019 einen Wähleranteil von 37 Prozent. Der Absatz der Bio-Produkte liege bei einem Anteil von 12 Prozent. «Die Zukunft des Bio-Landbaus entscheidet sich an der Ladentheke und nicht hier im Parlament. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der linken Ratsseite, rufen Sie Ihre Wählerinnen und Wähler dazu auf, Bio-Produkte und andere Label-Produkte zu kaufen», führte er aus.
Der Antrag von Munz wurde schliesslich vom Nationalrat mit 85 gegen 107 Stimmen versenkt. Auch bei der Absatzförderung wollten SP, Grüne und GLP eine klima- und tierfreundliche Produktion berücksichtigen, kamen aber nicht durch. Auch Anträge, die Absatzförderung auf pflanzliche Produkte zu beschränken respektive ganz abzuschaffen, hatten keine Chance.
«Nicht mehr viel übrig»
Es war bereits der zweite Anlauf für die Beratung der AP22+. Vor rund zwei Jahren hatten die Räte die Vorlage sistiert und vom Bundesrat einen Bericht über die Perspektiven für die Land- und Ernährungswirtschaft verlangt. Die AP22+ legte der Bundesrat danach neu auf. SP, Grüne und GLP waren enttäuscht über die Vorlage.
«Leider ist von der ursprünglichen Agrarreform nicht mehr viel übrig», kritisierte Kilian Baumann (Grüne/BE). Martina Munz (SP/SH) sprach von einer «abgespeckten Light-Version», die der Ständerat und die Mehrheit der WAK-N noch weiter entschlackt hätten. Dem Bauernverband sei es gelungen, alle Forderungen zum Klima und für Nachhaltigkeit vom Tisch zu bringen, stellte Munz fest. Die Bauernlobby im Bundeshaus erweise der Landwirtschaft damit einen Bärendienst. Weder für das Klima noch für die Bauern werde mit dieser Vorlage genug getan, fügte Samuel Bendahan (SP/VD) an.
«Das betrifft die Bauern massiv»
Die GLP stellte eine Verzögerungstaktik fest. Kathrin Bertschy (BE) gab zu bedenken, dass die Klimaziele ohne Transformation in der Land- und der Ernährungswirtschaft nicht erreicht werden könnten. Aber: «Die Mehrheit hat keine Lösungen für den Handlungsbedarf.»
Den Vorwurf, die Bauern bewegten sich nicht, wies Marcel Dettling (SVP/SZ) zurück. Er fragte die Ratsmitglieder, ob ihnen bewusst sei, was etwa die Beschlüsse der Räte für die Senkung der Risiken durch Pestizide bedeuteten. «Das betrifft die Bauern und Bäuerinnen massiv.» 2024 folgten noch weitere Verschärfungen.
Markus Ritter (Mitte/SG) erinnerte an das Nein zur Pestizid-, zur Trinkwasser- und zur Massentierhaltungsinitiative. Jene Parteien, die damals beim Volk durchgefallen seien, stellten nun Minderheitsanträge, die zur Verteuerung der Lebensmittel beitrügen. Konsumentinnen und Konsumenten könnten schon heute Label-Produkte wählen.
Bundesrat hat gangbaren Weg suchen müssen
Die Vorlage sei nicht der grosse revolutionäre Wurf, aber mehrheitsfähig, sagte Beat Walti (FDP/ZH).
Der Bundesrat habe einen gangbaren Weg suchen müssen, unter Einbezug der politischen Realität, konterte Bundesrat Guy Parmelin die Kritik und erinnerte ebenfalls an die abgelehnten Landwirtschaftsinitiativen. Bereits die Umsetzung der beschlossenen Vorgaben für weniger Risiken durch Pestizide gebe den Bauern zu kauen.
3 Responses
eigentlich dieser Baumann?
Baumann gehört zu den Bauern die Verantwortung übernehmen und nicht nur davon sprechen!
mit vollen hosen hat er gut stinken müsste er von seinem betrib leben würde er varscheinlch etwas anderes sagen