Agrophotovoltaik in einem Rebberg – ZHAW
Eine erste nationale Tagung zur Agro-Photovoltaik beleuchtete die verschiedenen Möglichkeiten, Energieerzeugungssysteme und Nahrungsmittelproduktion auf ein und derselben Fläche anzusiedeln. Dabei zeigt eine Studie: Das Potenzial ist erheblich.
Zwar ist die Versorgung der Schweiz mit Strom und Gas zurzeit gesichert. Doch im Winter könnte es eng werden mit der Versorgung. Gründe sind Unterbrüche der Gas-Lieferungen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine sowie das trockene Wetter in der Schweiz.
Das Risiko einer Strommangellage sei real und gross. Deshalb müssten schon heute alle einen Beitrag leisten und kurzfristig weniger Strom verbrauchen, sagte Michael Frank, Direktors des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), am 20. Juli 2022.
Raumplanungsverordnung angepasst
Doch nicht nur die Energie, sondern bei den Nahrungsmitteln droht eine Knappheit. Die Frage, wie Energiesicherheit und Nahrungsmittelproduktion zusammenpassen, ohne sich gegenseitig zu konkurrenzieren, ist also aktuell. Die Agro-Photovoltaik, oder kurz Agri-PV, folgt der Idee, landwirtschaftliche Nutzung und Photovoltaik-Infrastruktur gemeinsam zu betreiben, um bestenfalls Ernteerträge zu steigern, den Wasserverbrauch zu verringern und daneben effizient erneuerbare Energie zu produzieren.
Und das soll künftig für die Schweiz eine Option sein. Mit der Annahme der Revision der Raumplanungsverordnung durch den Bundesrat am 3. Juni 2022 ist der Bau von PV-Anlagen auf Landwirtschaftsland ein Stück näher gerückt. Diese können neu als «standortgebunden» gelten, wenn sich Vorteile für die landwirtschaftliche Produktion ergeben. Am 14. Juli wurde an einer Tagung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) über die Möglichkeiten von Agri-PV in der Schweiz diskutiert.
Grosses Potenzial
Grundsätzlich wolle man Möglichkeiten schaffen, den Zubau auch für grössere Anlagen zu ermöglichen, da wo es Sinn ergibt und in wenig empfindlichen Gebieten. «Diese sind nicht klar definiert – das kann angrenzend an die Bauzone sein, aber auch entlang von Autobahnen», sagte Christoph de Quervain vom Bundesamt für Raumentwicklung. Eine Planungspflicht sowie eine ausführliche Interessensabwägung bleibt erhalten.
«Rein theoretisch könnte dreimal so viel Strom erzeugt werden, wie verbraucht wird – sofern man alle Flächen in der Landwirtschaftszone einbezieht, die von der Solareinstrahlung her geeignet wären», sagte Mareike Jäger, Projektleiterin der ZHAW-Machbarkeitsstudie zur Agro-Photovoltaik in der Schweiz. Berücksichtigt wurde das Potenzial von Agri-PV-Systeme für Ackerbau, Dauergrünland und Spezialkulturen.
Restriktionen vermindern Potenzial
Aufgrund von Restriktionen sinkt das Flächenpotenzial. Aus raumplanerischer Sicht sei Agri-PV nur in «wenig empfindlichen Gebieten» vorstellbar, so die Studienautorin. In Gebieten, die zum Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung gehören, seien Anlagen nicht realistisch. Auf Biodiversitätsförderflächen sind solche nicht gestattet. Insgesamt verringert sich die Potenzialfläche um 25 Prozent.
11’486 Hektar Ackerfläche
Um ein Agri-PV-Projekt zu realisieren, muss es zudem erschlossen sein. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass das Umsetzungspotenzial schnell abnimmt, wenn die Netz-Erschliessung berücksichtigt wird. Bei den Ackerflächen beträgt es nach vorläufiger Schätzung noch 40 Prozent, wenn das Netz in unmittelbarer Umgebung (100 Meter) sein muss.
Mareike Jäger erläuterte, mit welchen Flächenanteilen man rechnen könnte, wenn man von einem erhöhten Strombedarf von etwa 80 Terrawattstunden pro Jahr ausgeht und rund 10 Prozent davon aus der Agri-PV kämen. Dies hiesse: 11’486 Hektar Ackerfläche (ca. 1,1 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz) oder 27’914 Hektar Grünland oder 9’643 Hektar Dauerkulturen (Rebberge und Obstanlagen).
BLW kritisch
Ob auf Fruchtfolgeflächen einst PV-Anlage gebaut werden, ist derzeit ungewiss. «Fruchtfolgeflächen sind die wertvollsten Ackerflächen der Schweiz und für die Eigenversorgung zur menschlichen Ernährung unverzichtbar», stellte Johnny Fleury, stellvertretender Fachbereichsleiter am Bundesamt für Landwirtschaft (BlW), klar. Kritisch sieht er auch die möglichen Auswirkungen auf den Bodenmarkt, mit einer Abnahme der Flächenmobilität sowie steigenden Pachtzinsen und Flächenpreisen.
Gemäss BLW müssen die Bewilligungsbehörden in den Kantonen genau prüfen, ob das Bauvorhaben wirklich Vorteile für die landwirtschaftliche Produktion bewirkt.
Agro-Photovoltaik, wo es Sinn macht
Florian Reyer, Landwirt aus Heggelbach (D) am Bodensee, hat bereits mehrere Jahre Erfahrung mit der Bewirtschaftung einer Agri-PV-Anlage im Ackerbau. Seine Meinung ist deutlich: Die Landwirtschaft muss nicht alle gesamtgesellschaftlichen (Fehl-)Entwicklungen lösen. In Deutschland werde bereits ein erheblicher Teil der Fläche zur Nahrungsmittelproduktion der Energieerzeugung (Biogas, nachwachsende Rohstoffe usw.) geopfert.
Die landwirtschaftliche Nutzung in Agri-PV-Konzepten dürfe nicht zur «Scheinbewirtschaftung» verkommen. Florian Reyer selbst ist für eher kleine Anlagen in der Grössenordnung von 1 bis 2 Hektaren, in einem Teilhabemodell mit den Landwirten. Der Fokus von Forschung und Planung solle auf den Zusatznutzen für die Landwirtschaft gelegt werden: Hagelschutz, Regenschutz, Verdunstungsschutz, Dauerkulturen, Beschattung und Bewässerung.
One Response
Heimat- u Lanschaftschützer hei das äuä no nid gseh.