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Ist die Schwiegertochter doch das Problem?

Wenn Schwiegertöchter auf dem Bauernhof zur Reizfigur werden, steckt dahinter mehr als nur Familienknatsch – Coach Barbara Eiselen erklärt, warum klare Grenzen über Glück oder Konflikt entscheiden.

Barbara Eiselen |

«Ich gehe gar nicht gerne aus dem Haus, denn da sitzen meine Schwiegereltern und beobachten alles, was ich tue. Deshalb mag ich den Winter lieber, weil sie dann nicht draussen sitzen.»

So fühlt es sich als Schwiegertochter oder als Schwiegersohn in einer Bauernfamilie manchmal an. Es gibt auch Fälle, in denen es sich andauernd so anfühlt: Wie einengend das ist! Wie bedrückend das ist!

Wer hat das Problem?

Aber wo liegt das Problem eigentlich? Ist die Schwiegertochter zu empfindlich? – Ich gehe hier vom klassischen Gender-Beispiel aus, es kann aber genauso umgekehrt sein. Sind die Schwiegereltern zu kontrollierend? Beides stimmt – und beides stimmt auch nicht. Es geht im Grunde um etwas anderes.

Aber bevor ich auf den wahren Grund eingehe, noch dies: Oft sieht der hofübernehmende Sohn kein Problem mit seinen Eltern. Es sei doch alles nicht so gemeint, und seine Frau solle doch nicht so viele Probleme machen. Sie aber fühlt sich, wie eingangs erwähnt, in vielen Situationen extrem bedrückt und hat tatsächlich ein Problem.

Die Falle der Selbstzweifel

Klassischerweise läuft dann – meist über Jahre – etwas sehr Destruktives ab. Die Schwiegertochter meint dann wirklich, das Problem zu sein. Sie sei doch so kleinlich. Sie könne doch etwas grosszügiger sein. Das sagt man ihr auch.

Was heisst grosszügiger? Ups, da kommen wir dem wahren Grund schon nahe. Was versteht man denn unter Grosszügigkeit? Grosszügigkeit wird mit Freigiebigkeit und Toleranz gleichgesetzt. Eigentlich eine edle Haltung und Eigenschaft, die man von dieser Schwiegertochter erwartet. Selber ist man ja bereits grosszügig, also könnte sie es auch sein.

Und nun komme ich ohne Umschweife und direkt auf den wahren Grund der Problematik: Es geht um Grenzen. Das ruft gleich die Frage hervor: Was sind denn Grenzen überhaupt? Zwischen zwei Einfamilienhäusern ist die Grenze relativ klar: Es ist der Gartenzaun. Aber wo gibt es eine Grenze zwischen zwei Familien zweier verwandter Generationen auf dem Hof, die auch noch unter dem gleichen Dach wohnen? Da wird es etwas komplizierter. Zumal diese Menschen nicht nur im gleichen Haus wohnen, sondern nicht selten auch zusammen arbeiten, den Garten teilen und die Kinderbetreuung ebenfalls gemeinsam organisieren. Wo verlaufen da die Grenzen? Und eine noch wichtigere Frage: Wer setzt diese Grenzen eigentlich fest?

Unsichtbare Territorien

Wo es Grenzen gibt, da gibt es auch Territorien, die sich voneinander abgrenzen. Es geht um die Grenze zwischen «Deins» und «Meins». Ich beobachte sehr oft, dass diese Grenzen nicht oder nur teilweise geklärt und festgelegt sind.

Nehmen wir also an, dass es da eine «gut» funktionierende Familie gibt, in der vielleicht schon seit Generationen keine klar festgesetzten Grenzen existieren. Das «gut» ist absichtlich in Gänsefüsschen gesetzt, weil «gut» nicht per se gut ist. Gehen wir davon aus, dass irgendwie alles ein bisschen allen gehört, man sich gegenseitig hilft, und das auch als selbstverständlich betrachtet – ja, sogar erwartet wird. Man nimmt sich beispielsweise auch einfach die Aufmerksamkeit des anderen. Oh, da sind wir schon wieder im unsichtbaren Raum: Wie kann man denn eine Grenze setzen, ob ich mir nun zu viel Aufmerksamkeit nehme oder nicht? Aber lassen wir dieses Detail einmal beiseite.

Nun haben wir also diese Familie, in der alles «gut» läuft. Das «gut» heisst viel eher: alle finden in diesem grenzenlosen Miteinander irgendwie ihren Platz.

Kolumne mit Barbara Eiselen

Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig. Sie schreibt einmal im Monat für den «Schweizer Bauer» und greift in ihrer Kolumne Themen auf, die unsere Leser beschäftigen.

In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen meistens um tieferliegende Themen handelt.

Barbara Eiselen bildete sich fort in den Bereichen Coaching, Psychologie und Familiensysteme und ist heute selbstständige Beraterin. Sie hat die Vision, die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf.

Sie nennt es «den Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt». Eiselen ist Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie.

Die Schwiegertochter als Fremdkörper

Und nun kommt eine Schwiegertochter in diese Familie. Ich denke, jede Leserin und jeder Leser bemerkt hier die Zeitbombe. Sie hat eigentlich nur eine Option: irgendwie ihren Platz in diesem funktionierenden, aber grenzenlosen System zu finden. Und das ist tatsächlich eine Herausforderung, die ohne Hilfe kaum zu bewältigen ist – mit bestem Willen nicht!

Ganz konkret: Diese Frau bekommt kein Territorium, wenn sie in die Familie kommt, sondern muss sich in dieses selbstverständliche Geben und Nehmen einfügen. Meistens kennt sie die ungeschriebenen Regeln nicht einmal. Und jetzt kommt das ganz Dicke hervor: Wie kann jemand denn grosszügig sein, wenn dieser jemand noch gar kein Territorium hat? Ich kann ja nur grosszügig sein und Menschen in meinen Garten einladen, wenn es denn auch meinen Garten gibt. Wenn aber sowieso schon alle darin herumlaufen, Blumen pflücken, das Trampolin benutzen und zwischendurch vielleicht sogar mal jäten – ja, wie kann man denn da grosszügig sein? Es ist ja schon alles genommen.

Und genau so fühlt es sich an, wenn die Schwiegertochter nicht einmal mehr rausgehen möchte. Sie hat gar keinen Platz, gar keinen Garten in ihrem Schwieger-Familiensystem, sondern sollte sich in das «gut» funktionierende System einfügen.

Fehlendes Plätzchen, fehlender Respekt

Das Problem liegt eigentlich nur darin, dass diese Frau nicht in der Schwiegerfamilie aufgewachsen ist, ihr Denken nicht so geprägt wurde wie es in der Schwiegerfamilie «richtig» ist und vor allem, dass sie von den Schwiegereltern nicht von Kind an ihr Plätzchen bekommen hat. Sie ist gewissermassen ein Fremdkörper, der nun die «Frechheit» besitzt, sich Platz zu nehmen. Das ist ironisch gemeint.

Eigentlich sollte es umgekehrt laufen. Die neue Person sollte mit ihrem Ehemann ihren vollen Platz auf dem Hof bekommen. Die Eltern und der Rest der Schwiegerfamilie müssen Platz machen. Das bedeutet, dass das Betriebsleiter-Ehepaar die Betriebsleiterwohnung bezieht und gemeinsam entscheidet.

Verantwortung des Sohnes

Und da kommt die Verantwortung des übernehmenden Sohnes ins Rampenlicht. Er hat eine bedeutende Rolle beim Setzen von Grenzen – und nun kommt die Antwort auf die Frage: Wer setzt die Grenzen eigentlich fest?

Der Sohn muss sich zu seiner Frau stellen und sie in ihren Schwierigkeiten ernst nehmen – wenn es gut laufen soll. Er hat keine leichte Aufgabe, nämlich die, seinen eigenen Eltern Grenzen zu setzen. Er steht im Loyalitätskonflikt. Im Zweifelsfall sollte er aber zu seiner Frau stehen. Und diese Verantwortung scheut mancher, denn sie ist tatsächlich herausfordernd.

Sehr vieles passiert unbewusst. Im Coaching geht es darum, diese Prozesse ans Licht zu bringen, um überhaupt Ordnung zu schaffen sowie richtige und wirklich gute Grenzen setzen zu können. Dies bedingt, überhaupt ernst zu nehmen, dass tatsächlich Druck da ist. Erst dann kann man überhaupt an Lösungen arbeiten.

Neu definierte Rollen

Bei einer Hofübergabe und der Integration einer Schwiegertochter müssen alle herumrücken und ihren Platz neu definieren. Es ist nicht allein an der Schwiegertochter, sich dem System anzupassen. Das war vielleicht früher mal so – es war deshalb aber nicht besser.

Ich lade alle Leserinnen und Leser ein, über ihre Erfahrungen und Meinungen zu Grenzen und Rollenverteilung auf dem Hof nachzudenken und offen darüber zu sprechen – nur im Austausch können wir gemeinsam Lösungen finden.

Kommentare (8)

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  • Esther | 17.09.2025
    Ich habe diesen Generationenkonflikt 23 Jahre als Schwiegertochter durchgestanden. Für den übernehmenden Sohn ist es nicht so einfach einen Vater, der immer alles besser wissen will, in die Schranken zu weisen. Ich war immer zwischen den Fronten. Da bekam man sowohl von den Schwiegereltern als auch mal vom eigenen Mann eine Lektion erteilt (Fluchen, einen als Idiot darstellen lassen).
  • Madame Simpel | 15.09.2025
    Da gibt es für mich nur eine Lösung: Schneidet endlich diesen alten Zopf vom "Alle miteinander unter dem selben Dach wohnen" ab! Es ist nicht mehr zeitgemäss und schon lange überholt. Es gibt auch in der Landwirtschaft andere Möglichkeiten und Wohnformen, die besser in die heutige Zeit und zu den jungen Familien passen. Der/die Betriebsleiter/in und seine/ihre Familie sollten die einzigen sein, welche nach der Hofübergabe oder dem Generationenwechsel auf einem Landwirtschaftsbetrieb wohnen. Alle anderen haben wohntechnisch nichts mehr auf dem Betrieb verloren. Das würde manch wüste Szene verhindern und den Betroffenen viel Leid ersparen, hervorgerufen durch Generationenkonflikte und weil man dauernd viel zu nahe aufeinander hockt und um sein Territorium kämpfen muss. So kann es einem nämlich auch herzlich egal sein, wenn sich z.B. die Schwiegertochter an einem sonnigen Tag mal mit einem Buch für ein paar Stunden in den Liegestuhl legt. Oder wenn die Schwiegermutter ihre Blumenrabatte jätet, als ob es kein Morgen gäbe und am nächsten Tag kaum mehr aufrecht gehen und stehen kann. Wenn man getrennte Wohnorte hat, sieht man es ja nicht. Ganz nach dem Motto: was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss. Die abtretende Generation kann trotzdem auf dem Hof arbeiten oder die Enkelkinder betreuen gehen, es braucht lediglich ein bisschen mehr Organisation und Absprache. Getrennte Wohnorte schliesst nichts aus, im Gegenteil, es würde helfen, angespannte Situation zu entspannen.
    • Aufi | 15.09.2025
      So locker geht das nicht.Helfen ,Hüten ,Springen und dann noch zuschauen wies unter geht.
      Die Junge Generation muss Geld verdienen,um Schulden zubezahlen und die Alten sollten
      arbeiten,(gerne zum Nulltarif) und zuletzt noch die Augen verschliessen.
      Nein so nicht...deshalb habe ich fremd verkauftund bin weggezogen.
  • Freiermut Weiterblick | 15.09.2025
    Deshalb gibt es auch in über 80% der Landwirtschaftsbetriebe einen Generationenkonflikt. Wegen der Coaches (Ironie off). Man heiratet seine(n) Partner:in, nicht die ganze Familie. Und wenn diese/r will, dass sie/er auf den Betrieb zieht, muss er sich anpassen und wie geschrieben zur Partnerin/dem Partner stehen. Immer. Sonst funktioniert es nicht. Glücklicherweise gibt es heute bessere Möglichkeiten, um sich wieder zu trennen. Aber schlechter, als in den restlichen Berufsgruppen. Also Augen auf und Gütertrennung (und bei Mitarbeit Lohn) vereinbaren.
  • Freimut Weitblick | 15.09.2025
    Vielleicht sind nicht Schwiegertöchter oder Schwiegereltern das eigentliche Problem – sondern Coachs, die uns Probleme einreden, um Beratungsstunden zu verkaufen. Bauernfamilien haben seit Generationen gelernt, Konflikte selbst zu lösen – ohne dass jemand von aussen Grenzen ziehen musste. Wer jedes Miteinander gleich zur Theorie macht, schafft oft mehr Druck als Entlastung. Erstaunlich auch, wie viel Bühne dieses Medium einer einzelnen Autorin dafür bietet.
    • Sybille | 15.09.2025
      ICH wäre froh gewesen hätte ich die Hilfe eines Coaches gehabt! In meiner Schwiegerfamilie wurde nicht geredet. Nur geschumpfen, kommandiert, geschlagen. Ein Coach hätte damit Schluss gemacht. So blieb mir nichts anderes Übrig und nach 22 Jahren warf ich die Mistgabel hin. Ich ging.
    • Schelm | 16.09.2025
      Ganz falsch.
      Beratung ist der neue Geld Esel, egal welche Ausbildung und oder Fachwissen.
      Man kann seine eigene Meinung als das einzig richtige Weg verkaufen. Wenn es nicht klappt, dann geht man ohne Reue und Pflichten aber mit den Säcken voller Geld.
      Wichtig: Sich als Experten / Coachs (Betreuer) darstellen zu können.
      Das Prinzip des Fortschrittes heute heisst:
      - egoistisches Denken fördern
      - schlechte Schule, Ideologie statt Bildung
      - mässige Ausbildung
      - teure Beratung von "Experten/Coachs" für jedem Bereich
    • Luzerner Bauer | 17.09.2025
      Hoi Freimut
      Manchmal die Meinung von jemandem aussenstehenden anzuhören UND mal richtig darüber nachzudenken schadet sicher nie!
      Was du schreibst über "Bauernfamilien haben seit Generationen gelernt, Konflikte selbst zu lösen", ist oft mehr die Probleme unter den Teppich zu wischen und das Ganze einfach aussitzen zu wollen... bis es dann halt irgendwann doch explodiert!
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