Ursin Riedi, Biobauer aus Morissen GR, produziert seit bald drei Jahren Strom und Wärme aus der Gülle seiner Kühe.D Der «Schweizer Bauer» hat ihn interviewt.
«Schweizer Bauer»: Warum haben Sie auf Ihrem Hof eine Biogasanlage gebaut?
Ursin Riedi: Wir wollten neben dem bestehenden Stall ein Wohnhaus bauen und fragten uns, wie wir es heizen werden. Auch fürs Abwasser brauchten wir eine Lösung. Und wir überlegten, ob wir die Stromproduktion noch ausbauen können. Denn wir hatten auf dem Stall schon eine Fotovoltaikanlage, sahen aber, dass der anfallende Strom zeitlich nicht gut zum Verbrauch in der Milchproduktion passt. Gleichzeitig hatten wir festgestellt, dass die Gülle aus dem neuen Stall, verglichen mit Mist und Gülle aus dem früheren Anbindestall, nicht mehr richtig wirkt. Man hat ja auch lesen können, dass man in modernen Systemen Nährstoffe und damit Geld in die Luft verliert. Darum kamen wir auf Biogas und haben im Jahr 2020 diese Anlage in Betrieb genommen.
Hatten Sie beim Bau der Anlage ein Vorbild?
Mein Onkel, ebenfalls ein Bauer, hat in den 1980er-Jahren Versuche mit Biogas gemacht und damit ein Auto angetrieben. Auch er baute für sein Haus eine Biogasanlage.
Die kleineren Anlagen von Niklaus Hari, Reichenbach i. K. BE, sind ja recht bekannt. Haben Sie ein ähnliches System?
Wir haben eine Anlage nach seinem System. Wir stiessen via Google auf Zeitungsberichte über Niklaus Hari und stellten fest, dass er seine Anlage selbst gebaut hat. Mit meiner Frau fuhr ich dann zu ihm, und Hari besuchte uns im Val Lumnezia. Es stellte sich heraus, dass sein Ansatz demjenigen meines Onkels gleicht. Hari ist vertrauenswürdig, es wurde klar, dass er uns nicht einfach etwas «andrehen» wollte. Er hat uns sehr gut beraten.
Stösst auch Ihre Anlage auf Interesse?
Ja, es kommen immer wieder Personen vorbei, um unsere Anlage anzuschauen und um zu erfahren, welcher tägliche Aufwand damit verbunden ist und worauf man achten muss. Es ist klar, dass so eine Anlage nicht für jedermann geeignet ist.
Wieso nicht?
Es ist wie bei einer Kuh: Du musst schauen, dass sie beständig richtig gefüttert wird. Es braucht auch technisches Interesse. Die Anlage von Hari kauft man nicht schlüsselfertig. Eigentlich hat eine Biogasanlage nur wenige Komponenten, aber weil es mehrere Teile sind, ist das Bewilligungsverfahren kompliziert. Wenn überhaupt, sind Behörden und Versicherungen mit Grossanlagen vertraut. Zuerst stiessen wir da auf Skepsis.
Ich erinnere mich, dass Vertreter der Bundesämter für Landwirtschaft und für Umwelt an einer Tagung von Ökostrom Schweiz die Stromproduktion aus landwirtschaftlichen Biogasanlagen als eher teuer und ineffizient bezeichneten. Was sagen Sie dazu?
Man kann natürlich alle guten Ideen zu Tode rechnen. Bei einer Anlage in unserer Grösse wird der Lohnanteil mit 18’000 Franken pro Jahr beziffert. Wenn man so rechnet, bleibt einem nicht mehr viel zum Abschreiben und Investieren. Ja, dann wäre man rasch im Minus. Natürlich muss man beim Aufwand ehrlich sein. Die Arbeit rund um die Fütterung der Anlage passiert oft parallel mit den Stallarbeiten. Es sind keine zusätzlichen Abläufe nötig. Somit sind 18’000 Franken oder 50 Franken pro Tag für uns zu hoch gerechnet. Es entsteht manchmal der Eindruck, dass die Vertreter der «grossen» Anlagen funktionierende dezentrale, «kleinere» Anlagen bewusst schlechtreden, um die eigene Berechtigung zu festigen. Auch nicht zu unterschätzen ist die Tatsache, dass Substratbeschaffungskosten und allfällige Konkurrenz bei Kleinanlagen nahe bei null liegen.
Wie ist der Output Ihrer Anlage?
Wir produzieren damit 45’000 Kilowattstunden Strom pro Jahr und rund 90’000 Kilowattstunden thermische Energie. Und zwar mit rund 30 Grossvieheinheiten, welche im Schnitt das ganze Jahr über bei uns stehen, wenn man die gealpten Tiere abzieht. Thermisch wird ein Drittel der anfallenden Primärenergie für den Betrieb des Fermenters gebraucht, die anderen zwei Drittel werden für die Wärme im Haus und fürs Warmwasser genutzt. Bei der elektrischen Energie werden weniger als 5% für den Prozess benötigt. Das Rührwerk zum Beispiel läuft bei uns nur alle 4 Stunden 2 Minuten lang.
Was hat die Biogasanlage gekostet?
Alles zusammen 350’000 Franken. Wir hätten für das Haus aber ohnehin eine Heizungs- und Abwasserlösung gebraucht. Ohne die substanzielle Hilfe der Schweizer Berghilfe hätten wir das Biogasprojekt nicht realisieren können.
Sie erwähnten in Ihrer Präsentation, dass Sie keine Insellösung haben, dass ohne Strom aus dem Netz bei Ihnen nichts läuft. Haben Sie eine Insellösung geprüft?
Ja. Wir wollen ja nicht einen Stromausfall ununterbruchsfrei zu 100% ersetzen können, wie es in Spitälern der Fall sein muss. Wir überstehen einen Unterbruch und könnten im Anschluss eine Notlösung einrichten und diese hochfahren. Wir überlegen, ob die für den Betrieb der Biogasanlage nötige Elektrizität und die erforderliche Netzspannung im Notfall aus der Batterie eines Elektro-Fahrzeugs auf unserem Hof kommen könnte. Ökostrom Schweiz hat auch ein Projekt zur Prüfung der Insellösung am Laufen.
Die Berghilfe sagte, Sie prüften schon die nächsten Schritte zur Schliessung der Kreisläufe. Welche sind das?
Die Anschaffung von elektrisch betriebenen Geräten oder Fahrzeugen: Motormäher, Auto, Nutzfahrzeuge.