Nach tagelangen Verhandlungen haben die Spitzen der deutschen «Ampel»-Koalition vergangene Woche eine Einigung über den Bundeshaushalt für 2024 erzielt. Milliarden müssen eingespart werden.
Eine Milliarde
Um das Minus zu verkleinern, werden unter anderem Abgaben erhöht. Die CO2-Abgabe für Sprit, Heizöl oder Gas wird schneller angehoben als geplant. 2024 werden 45 statt 40 Euro pro Tonnen erhoben. Massiv weniger Geld eingesetzt wird beim Klima- und Transformationsfonds. Gemäss der «ARD» werden die Ausgaben 2024 um zwölf Milliarden Euro und bis 2027 um rund 45 Milliarden Euro gekürzt. Gespart wird auch bei der Bahn.
Betroffen von den Sparmassnahmen ist auch die Landwirtschaft. Betriebe der Land- und Forstwirtschaft können sich einen Teil der für ihren Kraftstoffverbrauch gezahlten Energiesteuer auf Antrag zurückerstatten. Diese Rückvergütung soll nun wegfallen. Gestrichen werden soll auch die die Befreiung von der Fahrzeugsteuer. Insgesamt geht es um einen Betrag von rund einer Milliarde Euro.
Berlin live
— LMA.25 (@LMA258) December 18, 2023
Die Bauern kommen.
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Özdemir: «Ich wusste von nichts»
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte gemäss «ZDF», dass er zur Streichung nicht befragt worden sei und nicht verantwortlich zu sein. Er erachte die Streichung als problematisch. Für deutschen Bauern entstünde ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ländern, die vergleichbare Subventionierungen anböten, sagte Özdemir.
Joachim Rukwied sagte in der Folge gegenüber dem «Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt»: «Özdemir ist anscheinend der schwächste Minister im Kabinett». Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) eilte seinem Parteikollegen zur Hilfe. Die Entscheidung zur Streichung hätten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und er «im Rahmen des Gesamtpakets» getroffen. Özdemir habe davor gewarnt, die Rückvergütung beim Diesel zu streichen.
#Berlin | "Das ist eine Kampfansage! Und diese Kampfansage nehmen wir an", so der Präsident des deutschen Bauernverbandes @Bauern_Verband@JRukwied zu den geplanten Streichungen von #Agrardiesel-Subventionen und der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte aufgrund des Haushaltslochs. pic.twitter.com/WQjYrtLzKt
— phoenix (@phoenix_de) December 18, 2023
Wird die Kürzung wieder gestrichen?
Bauernpräsident Rukwied warf der FDP Wortbruch vor. Die Partei meldete sich umgehend. «Die FDP-Fraktion hält die starke Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe für nicht zustimmungsfähig», sagte Fraktionschef Christian Dürr zur Nachrichtenagentur dpa. Gegen die Kürzung spricht sich auch die Landwirtschaftsministerin des deutschen Bundeslandes Niedersachsen, Miriam Straute aus. Die Bauern seien auf Diesel angewiesen. Um den Einsatz von Pflanzenschutzmittel zu verringern, müssten mehr Striegel und Hacken eingesetzt werden. Eine Umstellung auf alternative Antriebsmöglichkeiten sei nicht von heute auf morgen möglich.
Der deutsche Agrarminister Özdemir erwartet von Finanzminister Lindner Vorschläge für die Unterstützung der Landwirtinnen und Landwirte. «Etwa durch eine dauerhafte Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung oder mehr Anreizen für Innovation und Zukunft», sagte Özdemir. Der Finanzminister wiederum soll bereit sein, die Sparmassnahmen bei den Bauern zurückzunehmen. «Die Land- und Forstwirtschaft liegen mir am Herzen», sagte Lindner. Familienbetriebe würden ein hohes unternehmerisches Risiko eingehen. «Wenn man vermeiden kann, sie stärker zu belasten, dann unterstütze ich das gern», betonte der Finanzminister. «Christian Lindner hat mir zugesagt, dass er der Regierung Alternativen vorlegen kann, wenn die Koalitionspartner zustimmen», sagte FDP-Fraktionschef Dürr zur Nachrichtenagentur dpa.
Bauernpräsident Rukwied will die Kürzungen bekämpfen. Ansonsten habe die Landwirtschaft in Deutschland keine Zukunft. «Dieses Vorhaben ist eine Kampfansage an die deutsche Landwirtschaft und an den Bauernfamilien», sagte er vergangenen Wochen. Der Deutsche Bauernverband rief deshalb zu einer Demonstration in Berlin auf.
«Das Fass ist geborsten»
Dem Aufruf «Zu viel ist zu viel» folgten am Montag 8000 bis 10’000 Landwirtinnen und Landwirte. Wie «RBB» berichtet , hat die Organisatoren rund 3000 Traktoren vor dem Brandenburger Tor gezählt. Die Polizei sprach von rund 1700 Zugfahrzeugen. Joachim Rukwied forderte die Regierung auf, die Bauern und ihre Anliegen ernst zu nehmen. Die Landwirtinnen und Landwirte hätten in den vergangenen Jahren viel geleistet in Sachen Klimaschutz. «Ist das der Dank dafür, dass wir so gut sind?" Landwirte seien die Einzigen, die so gut in Sachen Biodiversitätsschutz arbeiten.
«Wir bringen mehr Tierwohl in die Ställe», machte er deutlich. Die Regierung habe kein Interesse an einer Zukunftssicherung der Landwirte. Es brauche eine Neuausrichtung der Politik. Es gehe um die Zukunft Deutschlands.
Claus Hochrein von Land schafft Verbindung (LsV) warf gemäss «agrarheute.com» der Regierung gar Wahlbetrug vor. Die Regierung habe ihre Glaubwürdigkeit verspielt. «Das Fass ist nicht nur übergelaufen, es ist geborsten», sagte er.
Bauern demonstrierten gegen Wegfall der Agrardiesel-Rückerstattung.
DBV
«Keine Zukunftsperspektiven»
Auch die Junglandwirte meldeten sich zu Wort. «Die Politik macht alles, um die Zukunftsperspektiven zunichte zu machen», sagte Theresa Schmidt. Die Bundesvorsitzende der Landjugend warnte davor, dass durch die Streichung die Landwirtschaft Wettbewerbsfähigkeit verliere. «Mit Importen steigen die Emissionen», führte sie aus. Und sie brachte auch Finanzminister Lindner ins Spiel. Dieser habe wohl kalte Füsse, als er die vielen Bauern in Berlin gesehen habe.
Auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir trat an der Demonstration als Redner auf. Er wolle zusammen mit den Bauern nach Lösungen suchen. Er wisse, dass der Wegfall der Rückvergütung die Landwirte stärker betreffe als andere Branchen. Er habe sich auch dagegen gewehrt. Özdemir zeigte grosses Verständnis für die Landwirte und versprach Hilfe. «Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang. Deshalb kämpfe ich im Kabinett dafür, dass es in dieser Härte nicht kommt», sagte Özdemir.
Noch grössere Proteste angekündigt
Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied untermauerte am Schluss noch einmal, wie ernst es die Bäuerinnen und Bauern meinen. Er kündigte für Januar noch grössere Proteste an, sofern die Regierung die «unzumutbaren Vorschläge» nicht komplett zurücknimmt. «Dann werden wir ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat», warnte Rukwied.
Präsident des Deutschen #Bauernverband/es warnt:„Wenn diese beiden Maßnahmen nicht gestrichen werden(…) dann kommen wir wieder, nicht nur nach Berlin, dann werden wir ab dem 8. Januar überall präsent sein, wie es das Land noch nie zuvor erlebt hat.“#Oezdemir#Agrardiesel#Bauernpic.twitter.com/IYKcGXkKBT
— E.H. (@heiditheblogger) December 18, 2023
Du ANTI-Bauer. Kleb dich doch das nächste Mal auf die Strasse, wenn die Traktoren kommen.
Auch schweizer Bauern könnten wiedereinmal demonstrieren. ( Milchpreis runter, neue Vorschriften, die Tausende Fr. kosten (Schleppschlauch, Nährstoffabsenkungspflicht, etc.))