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Bauern mit Grossdemo gegen Umweltauflagen

blu/sda |

 

In den Niederlande gingen an diesem Samstag tausende Bauern und Bürger auf die Strasse. Sie protestierten in Den Haag unter anderem gegen geplante Verschärfungen für die Landwirtschaft. Die Bauernorganisation «Farmers Defence Force» rief zur «grössten Demo aller Zeiten» auf.

 

Diesmal ging es nicht nur um Proteste gegen Umweltauflagen. Rechtspopulistische Parteien, allen voran Rechtsaussen Geert Wilders, wollten das Podium nutzen, um zum Widerstand gegen die Regierung aufzurufen. Ausserdem mobilisierte die Bewegung der früheren Corona-Gegner «Samen voor Nederland» (Gemeinsam für die Niederlande) ihre Anhänger.

 

Support kommt aber nicht von sämtlichen Organisationen. Sjaak van der Tak , Vorsitzender der wichtigen Landwirtschafts- und Gartenbauorganisation, sagte zu niederländischen Zeitung «De Telegraaf», er unterstütze den Protest nicht und werde auch nicht anwesend sein. Die Proteste gingen mehrheitlich friedlich vonstatten.

 

 

Stickstoff reduzieren

 

Auch radikale Klimaschützer von Extinction Rebellion kündigten eine Protestaktion in Den Haag an. Sie haben einen Autobahnzubringer blockiert. Ihnen gehen die Massnahmen zum Klimaschutz nicht weit genug.

 

Bei den Behörden war die Sorge vor Gewalt gross. Im vergangenen Jahr protestierten Bauern wochenlang im ganzen Land. Sie blockierten mit Traktoren Autobahnen, legten Brände oder schütteten Müll, Mist und Asbest auf Strassen. Sie bedrohten ausserdem Politiker vor ihren Privatwohnungen. Anlass für die Bauern-Proteste sind die angekündigten Auflagen zum Schutz der Naturgebiete. Die Mitte-Rechts-Koalition von Premier Mark Rutte will den Stickstoff-Eintrag bis 2030 drastisch reduzieren. Auslöser für diese Entscheidung war ein Urteil des höchsten Gerichts im Jahr 2019. Die Massnahmen könnten das Ende für etwa 30 Prozent der Höfe bedeuten, schätzt die Regierung.

 

50 Prozent Reduktion

 

Der Protest der Bauern richtet sich gegen geplante Umweltauflagen. Denn im Juni 2022 stellte die Regierung in Den Haag den «Stickstoff-Plan» vor. Er sieht im Kern vor, dass die Landwirtschaft ihren Ausstoss an Stickstoffverbindungen bis 2030 um 50 Prozent reduziert. Verärgert hat die Bauern die detaillierte «Stickstoff-Karte» mit einzelnen Regionen, in denen die Gesamtemissionen um 12 Prozent bis hin zu etwa 70 Prozent in der Nähe von Naturgebieten sinken sollen.

 

In der Nähe von Naturschutzgebieten soll der Ausstoss gar um bis zu 95 Prozent sinken. Die Verantwortung, das durchzusetzen, wird auf die Provinzen abgewälzt. Die drastische Reduktion führt nach Einschätzung der Regierung dazu, dass etwa 30 Prozent der Viehhalter ihren Betrieb aufgeben müssen. 

 

Das Finanzministeriums hat Mitte Juli berechnet, wie viele Betriebe aufgeben müssten. Das Resultat ist drastisch. Die aktuelle Stickstoffstrategie der Regierung würde dazu führen, dass 11’200 landwirtschaftliche Betriebe ihre Tore für immer schliessen müssten. Weitere 17’600 Landwirte müssten ihren Viehbestand deutlich reduzieren, um ein Drittel auf fast die Hälfte. In Holland gibt es derzeit noch rund 54’000 Betriebe.

 

 

3000 Höfe im Visier

 

Die Eigentümer von rund 3000 Höfen, die in der Nähe von bedrohten Naturgebieten die Böden am meisten belasten, sollen zum Verkauf bewegt werden oder zumindest zur drastischen Reduzierung des Viehbestandes. Aber auch Enteignungen werden nicht ausgeschlossen. «Wir haben keine Wahl», sagte die für Stickstoff-Politik zuständige Ministerin Christianne van der Wal. «Die Natur kann nicht warten.»

 

Jahrelang wurden die Umweltbelastungen geduldet oder mit Ausnahmeregeln legalisiert, obwohl Grenzwerte überschritten wurden. Immer wieder wurden Schlupflöcher gefunden, um nur nicht die landwirtschaftliche Produktion einzuschränken. Die Regierung taxiert dies heute als Fehler war. Hauptverursacher sind gemäss Regierung Viehbetriebe. 

 

Die Niederlande sind gemäss der Statistikbehörde CBS der zweitgrösste Exporteur von Agrarprodukten hinter den Vereinigten Staaten. Der Wert der Exporte erreichte 2021 knapp 105 Milliarden Euro (105 Mrd. Fr.). Nach CBS-Daten hat sich einerseits die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe seit dem Jahr 2000 auf 54’000 in etwa halbiert. Der durchschnittliche Viehhalter hält in seinen Ställen über 162 Rinder und damit knapp doppelt so viele wie damals. Bei Schweinen hat sich der Durchschnitt auf 3365 Tiere mehr als verdreifacht. Die Bauern halten rund vier Millionen Rinder, zwölf Millionen Schweine und 100 Millionen Hühner.

 

Bauern fühlen sich getäuscht

 

Das Urteil des höchsten Gerichts von 2019 hatte grosse Folgen: Alle Projekte, bei denen Stickstoff freikommt, dürfen nicht genehmigt werden. Das heisst, der Bau von Wohnungen und Strassen stockt, die Industrie kann nicht expandieren, und sogar die Energiewende kommt in Gefahr. «Der grosse Umbau der Landwirtschaft ist unvermeidlich», sagte Ministerin van der Wal. Grund dafür sei nicht nur der Naturschutz, sondern auch der Klimawandel.

 

Grosse Proteste im Sommer 2022

 

Im vergangenen Sommer gab es in Holland grosse Proteste der Landwirtinnen und Landwirte. Sie blockierten über Wochen hinweg Verteilzentralen von Supermärkten und legten Strassen – auch Autobahnen – mit Traktoren und Heuballen still. Die Folge: Mehrere Hundert Kilometer lange Staus. Neben Blockaden gab es auch Langsam-Fahr-Aktionen, um den Verkehr zu behindern. Bauern haben bei Protestaktionen aber auch Mist und Müll auf Autobahnen gekippt und Feuer an Strassenrändern gelegt.

 

Die Bauern aber fordern eine Zukunftsperspektive, und sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Sie klagen, in den besonders betroffenen Regionen nahe Naturgebieten werde Viehhaltung kaum mehr möglich sein. Sie büssten unverhältnismässig für die Krise. Der Bauernverband LTO sprach im Sommer 2022 von einem Kahlschlag. Landwirte erhielten viele Jahre lang Anreize, Höfe zu vergrössern – weswegen sie sich jetzt durch Pläne der Regierung getäuscht fühlen, den Viehbestand zu senken. Konkret fordern die Bauern mehr Zeit für die Umstellung der Betriebe. Und sie setzen vor allem auf technische Innovationen.

 

Am Stickstoff-Thema zeigt sich auch, wie sehr das Land polarisiert wird. Es beherrscht auch den jetzigen Wahlkampf. Am 15. März wählen die Niederländer ihre Provinzparlamente, und sie bestimmen dann auch die Zusammensetzung der Ersten Kammer des Parlaments (vergleichbar dem Bundesrat). Nach Umfragen steht ein deutlicher Rechtsruck bevor, mit der Protestpartei Bauer-Bürger-Bewegung als grossem Sieger. Der Koalition aber droht eine riesige Schlappe, und sie kann dann womöglich ihre Pläne nicht länger durchsetzen.

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