Schweizer Bauer: Wildtiere kommen immer wieder in die Schlagzeilen, in der Schweiz sind es meistens Wölfe, bei euch in Sri Lanka eher Affen, Wildschweine oder Elefanten.
Jennifer Pastorini: Ja, meine Schweizer Freunde berichten mir über die Diskussionen zum Thema Wolf. Wir im Centre for Conservation and Research (CCR) konzentrieren uns auf ein erfolgreiches Zusammenleben von Mensch und Elefant in Sri Lanka.
Hier leben viele Elefanten, solche in ungeschützten Regionen und andere in Nationalparks. Wo engagiert ihr euch?
Vor allem in den ungeschützten Gebieten, wobei die Grenzen fliessend sind – es gibt keine Zäune um die geschützten Zonen. Das CCR befindet sich im Süden, gleich neben dem bekannten Yala-Nationalpark, der viele Touristen anzieht. Pro Tag sind mehrere hundert Jeeps auf Safaris unterwegs, vor allem wegen den Leoparden und den etwa 450 Elefanten. Regnet es, wächst genug Futter für die Elefanten. Wenn nicht, steigt der Druck und die Tiere müssen auf andere Gebiete ausweichen, das heisst, sie bewegen sich auch ausserhalb des Parks. Wobei asiatische Elefanten nicht so weit wandern wie afrikanische. Aber Elefanten sind keine Allesfresser, sie sind wählerisch und wissen, was ihnen gut tut.
Sie lieben, was die Bauern auf ihren Feldern anbauen.
Genau. Wenn sich ein Elefant beispielsweise einen Kürbis schnappen kann, kriegt er damit viel mehr Energie, als wenn er stundenlang Gras fressen würde. Für ihn ist das wie ein Geburtstagskuchen – er kann ihm nicht widerstehen. In der Regel sind es die Bullen, die sich vorwagen und auch mal ein Risiko eingehen. Die Weibchen bleiben eher im Hintergrund und beschützen die Kleinen.
Der Reisbauer, den wir besucht haben, hat seinen Vater wegen einem Elefanten verloren: Der Vater wollte um 5 Uhr morgens in die Stadt fahren, um Gemüse zu verkaufen und starb. Sind die Elefanten angriffige Tiere?
Nein. Zwar sterben in Sri Lanka jedes Jahr bei Zwischenfällen rund 400 Elefanten und 140 Menschen – Tendenz steigend. Doch es sind in der Regel tragische Unfälle, die sich vermeiden liessen. Wenn man wie hier bei uns in einer Gegend mit Elefanten lebt, weiss man eigentlich, wie man sich verhalten muss. Die Tiere sind in der Dämmerung und im Morgengrauen unterwegs, dann geht man ihnen am besten aus dem Weg. Wenn man sie bei einer Zufallsbegegnung erschreckt, kommt es oft nicht gut.
CCR
Das Centre für Conservation and Research in Sri Lanka wurde 2004 gegründet. Das Team von Prithiviraj Fernando und Jennifer Pastorini und den zahlreichen Mitarbeitern hat mit seinen Forschungsarbeiten und Datenerhebungen erheblich dazu beigetragen, die Ökologie und Lebensweise der asiatischen Elefanten in Sri Lanka besser zu verstehen. CCR ist auch beratend tätig und oft auch in anderen asiatischen Ländern unterwegs. Finanziert wird die Arbeit durch Spenden. www.ccrsl.org
Das CCR ist bekannt für seine Forschungen über asiatische Elefanten, aber auch für konkrete Massnahmen: Elektrozäune gegen Elefanten.
Wir installieren verschiedene Zäune. Der Zaun bei den Reisfeldern, den wir gesehen haben, ist mobil. Den benutzen die Bauern schon seit zehn Jahren. Wenn die Ernte fertig ist, wird er abmontiert. Andere Zäune wiederum sind fix gebaut worden, zum Beispiel rund um ein Dorf. Die Zäune werden mit Solarenergie betrieben oder ans Netz gehängt. Unser neustes Modell besteht aus zwei Teilen: Ein Zaun mit hängenden, elektrisch geladenen Drähten vor dem eigentlichen Elektrozaun.
Warum ein neues Modell?
Die Elefanten haben herausgefunden, dass man den Zaun mit Ästen zerstören kann. Auch haben sie manchmal die Pfosten rausgezogen. Nun kommen sie dank den hängenden Drähten nicht an den eigentlichen Zaun heran. Mal schauen, was sie sich als nächstes einfallen lassen…
Mehrere hundert Elefanten leben in der Region.
Susanne Sigrist
Als wir unterwegs waren, habe ich auch Zäune aus Gitter und Beton gesehen, viele davon kaputt. Heisst das, dass auch andere Gruppen aktiv sind?
Diese Zäune werden vom Department of Wildlife Conservation erstellt, also von der Regierung. Sie sind oft nicht gut gebaut, gehen schnell kaputt und – was viel schlimmer ist – sie werden relativ willkürlich durch die Gegend gezogen. Schlussendlich funktionieren die Zäune nicht, weil sie nicht regelmässig kontrolliert und repariert werden. Wichtig ist, dass man die Reisfelder einzäunt, bis sie abgeerntet sind und die Dörfer relativ eng umkreist. So ist der regelmässige Unterhalt einfacher und für die Elefanten bleibt viel freies Land, auf dem sie sich bewegen können. Dann finden sie auch genügend Futter und Wasser.
Wasser ist vermutlich kein Problem, oder? Es hat viele Seen hier in der Gegend.
Die sind alle künstlich angelegt worden, im ganzen Land. In Sri Lanka erfolgt der Reisanbau immer nach dem gleichen System: Ein Stausee (genannt Tank), ein Damm und darunter die Reisfelder, die bewässert werden. Das lässt sich auch gut mit der Haltung von Wasserbüffeln kombinieren. Und Krokodile lieben die Tümpel ebenso (lacht).
Die Regierung plant mit Hilfe der Weltbank diverse Landwirtschafts-Projekte im Reisanbau. Kommen die Elefanten dadurch noch mehr unter Druck?
Vermutlich ja. Wir werden 60 Elefanten in einem dieser neuen Gebiete besendern und ihr Verhalten untersuchen. Der Siedlungsdruck ist bereits jetzt gross und es ist keine Lösung, Elefantengruppen in bestehende Nationalparks umzusiedeln. Dort gibt es nicht genügend Wasser und Nahrung für alle. Das heisst, wenn Sri Lanka weiterhin seine wilden Elefanten haben will, müssen funktionierende Formen des Zusammenlebens in ungeschützten Gebieten unterstützt werden. Bauern sollten finanzielle Unterstützung erhalten, um ihre Reisfelder mit Elektrozäunen schützen zu können. Traditionelle Chena-Landwirtschaft soll nicht gegen intensive Landwirtschaft ausgespielt, sondern gefördert werden, denn sie ist ideal für ein Miteinander von Mensch und Elefant.
Die Regierung hat 2021 kurzfristig die biologische Landwirtschaft proklamiert und danach wieder zurückbuchstabiert. Alte Formen wie die extensive Chena-Landwirtschaft drohen verloren zu gehen.
Unsere Forschungen haben gezeigt, dass die Chena-Landwirtschaft (Abbrennen, Anpflanzen während der Regenzeit, Ernten, Verwildern lassen, Wechsel zu einem neuen Stück Land) die beste Voraussetzung für ein Zusammenleben von Mensch und Elefant bietet. Die Elefanten lieben die Landstücke, die nach der Ernte brach liegen. Ein Teil unserer neuen Strategie zielt darauf ab, die Chena-Farmer zu unterstützen, indem wir der Regierung aufzuzeigen, dass damit der Bestand der Elefanten erhalten werden kann, erfolgreicher als mit intensiver Landwirtschaft.
Pro Tag sind mehrere hundert Jeeps auf Safaris unterwegs
Susanne Sigrist
Das CCR ist auch in Europa bekannt, unter anderem durch diverse Dokumentarsendungen im Fernsehen. Sie selbst sind jedoch in der Öffentlichkeit praktisch nie zu sehen. Was ist Ihre Rolle?
Mein Mann Prithiviraj Fernando repräsentiert uns gegen aussen. Bei der Zusammenarbeit mit der Regierung ist es wichtig, dass ein Einheimischer die Vorschläge einbringt. Ich übernehme vor allem die Kartierungen, werte Umfragen aus und arbeite im Hintergrund. Es braucht uns beide. Dazu immense Geduld: Artenschutz ist jahrelange, zähe Arbeit.
Wie kommt es, dass Sie seit 20 Jahren in Sri Lanka leben und arbeiten?
Mein Mann und ich haben uns 2003 in den USA kennengelernt, wo wir beide an derselben Universität eine Forschertätigkeit innen hatten. Mein Spezialgebiet war Lemuren, aber nach meinem Umzug nach Sri Lanka begann ich mich mit Elefanten zu beschäftigen.
Als wir mit den Reisbauern gesprochen haben, hatte ich den Eindruck, dass sie froh sind über den Elektrozaun, den sie CCR zu verdanken haben.
Der Zaun war kein Geschenk, die Bauern tragen einen Teil der Kosten mit, nur so übernehmen sie Verantwortung dafür. In der Regel laufen die Verbindungen zu den Bauern gut, da sie bereits in einer bäuerlichen Organisation zusammengeschlossen sind. Bei Dorfzäunen ist es etwas schwieriger. Da müssen sich die Dorfbewohner erst organisieren oder wir arbeiten auch mal mit einer dörflichen Beerdigungsgruppe zusammen (schmunzelt).
Wo liegen die Schwierigkeiten?
Die Bauern hier müssen zusammenarbeiten, ob sie wollen oder nicht, denn ihre Felder sind wie ein kleiner, ineinander verwobener Fleckenteppich. Gemeinsam stellen sie die Zäune auf, kontrollieren, ob sie geladen sind und sorgen für den Unterhalt (Pflanzen ausrupfen, die unter dem Zaun wachsen). Wichtig ist, dass die Bauern trotz dem Zaun immer noch abwechselnd in diesen kleinen Häuschen mitten in den Reisfeldern nachts Wache halten. Sobald sich Elefanten dem Feld nähern, machen die Bauern Lärm. Diese Kombination von Lärm und Elektrozaun hat sich bewährt. Die Elefanten haben keine Zeit, sich am Zaun etwas einfallen zu lassen.
Schutz der Elefanten in Sri Lanka:
Weitere Informationen und Unterstützung aus der Schweiz: www.aliya-artenschutz.ch