Die Bedeutung der Selbstversorgung Grossbritanniens mit Lebensmitteln hat die frühere Generaldirektorin des britischen Inlandsgemeindienstes MI5, Elizabeth Manningham-Buller, unterstrichen. Eine hohe Selbstversorgung sei ein Schutz gegen globale Schocks. Der Bauernverband fordert die Regierung auf, die Ernährungssicherheit ernster zu nehmen.
«Ich behaupte, dass Lebensmittel ein Teil unserer nationalen Sicherheit sind, einschliesslich der unverzichtbaren Arbeitskräfte, die Getreide, Gemüse und Obst anbauen und ernten. Das Königreich sollte so viele Lebensmittel wie möglich selbst produzieren», erklärte Manningham-Buller im Rahmen einer Gedächtnisvorlesung für den früheren Präsidenten des englischen Bauernverbandes (NFU). Charles Henry Plumb war von 1987 bis 1989 als einziger Brite Präsident des Europaparlaments.
Produktion erhöhen
Der Ukraine-Krieg habe die weltweite Abhängigkeit von ukrainischem und russischem Weizen in den Fokus gerückt, sagte Manningham-Buller. Die Corona-Pandemie sowie diverse Konflikte und der Klimawandel hätten als «externe Schocks» weiteren Anfälligkeiten rund um die Versorgungskette offengelegt. «Je mehr wir uns selbst versorgen können, desto besser sind wir gegen globale Schocks gewappnet», unterstrich Manningham-Buller, die seit 2008 im Oberhaus des britischen Parlaments sitzt.
Die Baroness forderte die Regierung auf, die Zahl der Visa für Saisonarbeitskräfte zu erhöhen und verwies dazu auf den akuten Arbeitskräftemangel in vielen Sektoren, einschliesslich der Landwirtschaft. Ausserdem sprach sie sich dafür aus, im Vereinigten Königreich so viele Lebensmittel wie möglich zu produzieren, um in der Lage zu sein, Nahrungsmittel zu exportieren. Dies sei wichtig für das Wachstum der britischen Wirtschaft, aber auch für die Ernährung in der Welt und der eigenen Bevölkerung.
Ernährungssicherung ernster nehmen
NFU-Präsidentin Minette Batters begrüsste die Aussagen der früheren Geheimdienstdirektorin. Der NFU betone seit Jahren, dass die britische Ernährungssicherheit ernster genommen werden müsse, gerade in einer Zeit, in der die globale Volatilität die Stabilität der weltweiten Nahrungsmittelproduktion, die Ernährungssicherheit und die Energiesicherheit bedrohe, so Batters.
Derweil forderte der NFU dringend mehr Klarheit von der Regierung bei der Vergabe von Visa für Saisonarbeitskräfte. In einem Schreiben an Einwanderungsminister Robert Jenrick verdeutlicht NFU-Vizepräsident Tom Bradshaw die Befürchtung des Berufsstandes, dass die derzeitigen Zusagen der Regierung nicht ausreichten, um den Bedarf des britischen Gartenbausektors zu decken.
Mangel an Arbeitskräften
Aus Sicht des Bauernverbandes zählt die Sicherstellung einer ausreichenden Zahl saisonaler Arbeitskräfte weiterhin zu einer akuten Herausforderung für den Sektor. Nach Zahlen des NFU erreichte der Mangel an Arbeitskräften im Frühjahr einen Anteil von 40 Prozent. Im bisherigen Jahresverlauf waren im Mittel 15 Prozent zu wenige Saisonkräfte auf den Höfen.
Insbesondere der Gartenbau sei stark betroffen, da Obst und Gemüse oder Blumen nicht hätten geerntet werden können, heisst es in dem Schreiben. Für die britischen Bauern bedeute dies erhebliche finanzielle Verluste. Zugleich würden Nahrungsmittel verschwendet. Entgegen der regierungseigenen Ernährungsstrategie gehe derzeit die heimische Produktion «in besorgniserregendem Tempo» zurück und bleibe weit hinter ihrem Potential.
Willkommener Impuls
Bradshaw stellt in dem Schreiben außerdem klar, dass die steigenden Energiekosten in Verbindung mit einem anhaltenden Mangel an Erntehelfern eine ernsthafte Bedrohung für die Zukunft der britischen Obst- und Gemüseindustrie darstellten. Zwar sei die Nachricht, das Saisonarbeiterprogramm bis 2024 zu garantieren, ein willkommener Impuls für die Erzeuger.
Nach wie vor reiche aber die Zahl der verfügbaren Visa nicht aus, um weitere Ernteverluste und einen weiteren Rückgang der britischen Produktion zu verhindern. Somit sei hier schnellstmöglich Klarheit mit dem Innenministerium notwendig.