Am Montag beginnt im westdeutschen Hamm vor dem Oberlandesgericht die mündliche Verhandlung.
Lliuya kommt aus dem westperuanischen Huaraz, wo er einen kleinen Betrieb mit Hühnern, Schafen, Mais- und Quinoa-Anbau hat. 1500 Meter oberhalb der Stadt in den peruanischen Anden liegt der Palcacocha-See, der Lliuyas Hof und die gesamte Umgebung mit rund 50'000 Einwohnerinnen und Einwohnern zu überschwemmen droht.
Kohleabbau
Grund dafür sei der Klimawandel, erklärt die Organisation Germanwatch, die den Peruaner in seiner Klage gegen RWE unterstützt. Die Gletscher in den Anden schmelzen und haben den Pegel des Sees bereits «immer wieder gefährlich ansteigen» lassen. Es drohe eine Flutwelle.
RWE hat Milliarden an Tonnen Kohle gefördert und dem Kläger zufolge so massgeblich zur Erderwärmung beigetragen. Der Konzern solle daher nötige Schutzmassnahmen mitfinanzieren. 2015 forderte Lliuya dafür 17'000 Euro (15’800 Euro). RWE gehöre zu den drei grössten Emittenten Europas und sei für 0,47 Prozent des weltweiten Treibstoffausstosses verantwortlich, argumentierte er. In dieser Höhe solle sich der Konzern an den 3,5 Millionen Euro (3,25 Mio. Fr.) Kosten für die künstliche die Absenkung des Wasserpegels des Palcacocha-Sees beteiligen.
Abschätzung zum Flutrisiko
Bei der mündlichen Verhandlung in Hamm geht es nun zunächst darum, ob tatsächlich ein hinreichendes Flutrisiko für Lliuyas Haus besteht. Dazu werden Sachverständige ihre Einschätzung abgeben, die sich vor Ort ein Bild gemacht haben. Erst im zweiten Schritt soll dann die Frage geklärt werden, inwieweit der Klimawandel und die RWE-Emissionen mitverantwortlich für eine potenzielle Überflutung sind.
«Als ich im Herbst 2015 diese Klage in Deutschland eingereicht habe, hätte ich nicht gedacht, dass alles so lange dauern würde», zitierte Germanwatch Lliuya. Am Montag wird er im Gerichtsaal im westfälischen Hamm sitzen. «Volles Vertrauen» habe er in die Justiz, sagte er vor seiner Abreise nach Deutschland.
Verzögerung des Verfahrens
Das Landgericht Essen hatte die Klage Ende 2016 abgeschmettert. Ein einzelnes Unternehmen könne nicht für den Klimawandel verantwortlich gemacht werden, hiess es damals. Lliuya ging in Berufung und feierte zumindest einen Teilerfolg: Ende 2017 ordnete das Oberlandesgericht Hamm eine Beweisaufnahme an, da die Klimaklage des Bauern schlüssig begründet sei. Einen Antrag von RWE gegen die Beweisaufnahme wies das OLG im Februar 2018 zurück.
Wegen der Corona-Pandemie verzögerte sich das Verfahren jedoch immer wieder. 2022 dann reiste eine neunköpfige Delegation auf Anordnung des OLG Hamm in die peruanischen Berge, um sich dort ein Bild der Lage zu machen.
Internationale Ausstrahlung
Der Fall hat international für Aufsehen gesorgt. Erstmals geht nach Angaben von Umweltschützern ein Betroffener wegen der Gefahren des Klimawandels in Europa gerichtlich gegen ein CO2-verursachendes Unternehmen vor. Das Urteil könnte richtungsweisend sein; zukünftige Klagende könnten sich darauf beziehen.
RWE argumentiert unter anderem, sich immer an staatliche Vorgaben für Treibhausgasemissionen gehalten zu haben. Inzwischen verfolge das Unternehmen auch das Ziel, bis 2040 CO2-neutral zu werden. Zudem gibt es laut einem Unternehmenssprecher «keine Rechtsgrundlage für die Haftung einzelner Emittenten für global wirkende Vorgänge wie den Klimawandel».