«Gruyère» gilt in der grössten Volkswirtschaft der Welt nicht als Herkunftsbezeichnung und wird dort also nicht geschützt. Für die Sortenorganisation Gruyère war dies ein herber Rückschlag. Wie nun eine Recherche der «Luzerner Zeitung» zeigt, gibt es im US-amerikanischen Detailhandel aber immer weniger Gruyère-Kopien. Auch seien die Imitate grösstenteils korrekt etikettiert. Und was Emmentaler Bauern damit zu tun haben könnten, erfahren Sie am Schluss dieses Artikels.
Stichproben in US-Supermärkten
Rund 10 Prozent des in der Schweiz produzierten Gruyère ist 2022 in die USA exportiert worden. Der Schweizer Gruyère konkurriert dabei nicht nur mit den Kopien der amerikanischen Käsereien, sondern auch mit solchen aus Deutschland oder Finnland.
Im Detailhandel sei jedoch zu beobachten, dass die Gruyère-Kopien aus amerikanischer Produktion seltener würden. Auch sei durch eine korrekte Etikettierung die Verwechslungsgefahr gering, zumindest im Mittleren Westen der USA. Dort nämlich, also im Bundesstaat Wisconsin, hat ein USA-Korrespondent der «Luzerner Zeitung» einige Stichproben gemacht, die gewiss nicht repräsentativ sind.
Imitat aus Wisconsin
So gäbe es beispielsweise im Wisconsin Cheese Mart in Madison , der Hauptstadt von Wisconsin keinen US-amerikanischen Gruyère. Dies, obschon das Geschäft nach eigenen Angaben mit 150 verschiedenen Käsesorten, die weltgrösste Auswahl hätte. In einem Supermarkt, auch in Madison, wurde der Korrespondent dann aber fündig. Dort gibt es einen «Grand Cru Gruyère» zu kaufen, der von einer Käserei aus Wisconsin stammt. Angeblich handelt es sich bei dieser Firma um eine Tochterfirma der Emmi Gruppe. Konkurriert Emmi also ihren eigenen Gruyère AOP?
Eine Sprecherin von Emmi Roth, wie der amerikanische Zweigbetrieb seit 2009 heisst , hat dies so nicht bestätigen wollen. «Möglicherweise wurde der Käse vom Detailhändler falsch etikettiert und wir werden uns mit ihm in Verbindung setzen», sagte die Sprecherin zur «Luzerner Zeitung». Gemäss einer Gerichtsakte verzichtet Emmi Roth darauf, Käse aus Wisconsin als Gruyère zu verkaufen.
Diese Abmachung gelte aber nicht für artverwandte Eigenmarken – also für Gruyère-Käse, den Supermärkte von Emmi Roth beziehen und dann mit einer eigenen Etikette in den Handel bringen. So verkauft die Supermarkt-Kette Wegmans nicht nur rezenten Le Gruyère AOP aus der Schweiz, sondern auch das billigere und mildere Imitat aus Wisconsin.
Emmi Roth wird im Herbst 2023 in Wisconsin ein neues Hauptsitz-Gebäude beziehen.
Angebot an Imitaten bleibe konstant
Alle Greyerzer-Käse im Angebot stammten von der Emmi-Gruppe, auch wenn auf der amerikanischen Kopie der Name des Herstellers nicht erwähnt werde. Die Emmi-Sprecherin vom Luzerner Hauptsitz, Simone Burgener, hat dieses Arrangement auf Anfrage bestätigt. «Im Auftrag von Handelspartnern produzieren wir, wie andere Hersteller auch, vor Ort artverwandte Käse, deren Vermarktung inklusive Auslobung nicht in unserer Verantwortung liegen», sagt Burgener zur «Luzerner Zeitung».
Die Kunden der Eigenmarken würden jeweils «auf die rechtliche Situation sowie die Risiken» hingewiesen. Auch empfehle Emmi, auf den Gebrauch des Begriffs «Gruyère» zu verzichten. «Auf die Art, wie, unter welchem Namen und zu welchem Preis derartige Eigenmarken verkauft werden, haben wir aber letztlich keinen Einfluss, auch nicht rechtlich», sagt Burgener weiter.
Wie die Stichproben des Korrespondenten zeigen, sind die amerikanischen Käsereien sehr transparent und würden korrekt deklarieren, dass ihr Käse nicht importiert worden sei. Philippe Bardet, Direktor der Sortenorganisation Gruyère, kennt die meisten amerikanischen Gruyère-Hersteller und beobachtet, dass in den vergangenen Jahren keine neuen Anbieter dazugekommen seien.

Philippe Bardet, Direktor der Sortenorganisation Gruyère AOP, kenne die Käsereien in den USA, die den Gruyère nachmachen.
zvg
Verbeugung vor Schweizer Tradition
Die Burnett Dairy Cooperative aus Grantsbur g verkaufe ihren Greyerzer als «Cheddar Gruyère», so der USA-Korrespondent weiter. Die Käserei Cheese Brothers aus Barron preist ihren Greyerzer als «Wisconsin Gruyère» an ( der Käse wird online verkauft , für umgerechnet rund 58 Franken pro Kilo).
Und die Cheese Brothers, also die Käsebrüder, lassen einen anderen interessanten Aspekt erkenne, wieso in den USA «Schweizer» Käse produziert wird. Deren Vorfahren wuchsen nämlich im Kanton Bern auf und wanderten vor etwas mehr als 100 Jahren aus dem Emmental nach Wisconsin aus. Einer der Brüder bezeichnet es deshalb als ein «Missverständnis», dass in der Schweiz der Eindruck entstanden ist, amerikanische Käser seien Trittbrettfahrer.
«Wir stehlen weder Namen noch imitieren wir Stile», sagt er zur «Luzerner Zeitung». Vielmehr sei «Wisconsin Gruyère» eine Art Verbeugung vor den Traditionen der Heimat seiner Vorfahren. Auf diesen Aspekt des Markenschutzes sensibilisiert, würden die Cheese Brothers deshalb den Namen des Käses wohl bald ändern.



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