Die Explosion in einem polnischen Dorf im Grenzgebiet zur Ukraine ist nach Angaben der Regierung in Warschau von einer Rakete aus russischer Produktion ausgelöst worden. Der Einschlag in dem Dorf Przewodow habe sich am Dienstag um 15.40 Uhr ereignet, dabei seien zwei polnische Staatsbürger getötet worden, teilte das Aussenministerium am frühen Mittwochmorgen mit.
Mit der Herkunft der Rakete ist allerdings noch nicht geklärt, welches Land sie eingesetzt hat. Sowohl die Ukraine als auch Russland verwenden Raketen sowjetischer Konstruktion.
Bauer und Vorabeiter tot
Nach Angaben der Feuerwehr in Hrubieszow sind bei einer Explosion auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in dem Dorf Przewodow zwei Menschen ums Leben gekommen. Das Dorf Przewodow befindet sich 10 Kilometer vor der ukrainischen Grenze und etwa 60 Kilometer Luftlinie von der westukrainischen Stadt Lwiw entfernt, die auch Ziel russischer Angriffe war.
Gemäss der Warschauer Tageszeitung «Gazeta Wyborcza» hat sich die schwere Explosion in einer Getreidetrocknungsanlage ereignet. Zu den Opfern gehören ein Vorarbeiter und einer der Bauern, die am Nachmittag Mais dorthin brachten. Beide waren auf der Stelle tot. Auch das Backsteingebäude, in dem sich die Anlage befand, wurde vollständig zerstört.
Augenzeugen wollen kurz vor der Explosion «ein seltsames Objekt am Himmel schnell zu Boden fallen» gesehen haben. Augenblicke später erschütterte eine mächtige Explosion das gesamte Gebiet, berichtet heute.at.
Ermittlungen im Gang
Nach dem Einschlag einer Rakete russischer Produktion in Polens Grenzgebiet zur Ukraine gibt es nach Angaben von Präsident Andrzej Duda bislang noch keine eindeutigen Beweise dafür, wer sie abgefeuert hat. «Wir wissen, dass es praktisch den ganzen Tag über einen russischen Raketenangriff auf die Ukraine gegeben hat, aber wir haben derzeit keine eindeutigen Beweise dafür, wer die Rakete abgefeuert hat. Die Ermittlungen laufen», sagte Duda am frühen Mittwochmorgen. US-Präsident Joe Biden habe ihm bei der Aufklärung des Vorfalls die Hilfe amerikanischer Experten zugesagt.
Duda sagte, Polens Botschafter bei der Nato werde voraussichtlich den Antrag stellen, die Verfahren nach Artikel 4 des Nato-Vertrags einzuleiten. Artikel 4 sieht Beratungen der Nato-Staaten vor, wenn einer von ihnen die Unversehrtheit seines Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sieht.
Nach dem Vorfall versetzte Polen einen Teil seiner Streitkräfte in erhöhte Bereitschaft. Dies gelte auch für andere uniformierte Dienste, sagte ein Regierungssprecher am Dienstagabend in Warschau. Es gehe dabei um bestimmte militärische Kampfeinheiten sowie die Kampfbereitschaft von Einheiten der uniformierten Dienste, sagte er, ohne weitere Einzelheiten zu nennen.
Russland weist Berichte zurück
Das Verteidigungsministerium in Moskau wies die Berichte über den angeblichen Einschlag in Polen dagegen als «gezielte Provokation» zurück. Es seien keine Ziele im ukrainisch-polnischen Grenzgebiet beschossen worden, teilte das Ministerium mit. Auch die in polnischen Medien verbreiteten Fotos angeblicher Trümmerteile hätten nichts mit russischen Waffensystemen zu tun, hiess es weiter.
Die russische Armee hatte am Dienstag nach Kiewer Zählung die Ukraine mit mehr als 90 Raketen und Marschflugkörpern beschossen. Auch die westukrainische Stadt Lwiw war Ziel russischer Angriffe. Bürgermeister Andrij Sadowij sprach von Schäden am Energiesystem. Lwiw liegt Luftlinie etwa 60 Kilometer von Przewodow entfernt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb den Zwischenfall eindeutig Moskau zu. «Dies ist ein russischer Raketenangriff auf die kollektive Sicherheit! Dies ist eine sehr bedeutende Eskalation», sagte er. «Wir müssen handeln.»