Die Wettbewerbswirkung des europäischen Binnenmarkts hemmt nationale Sonderwege bei der Tierschutzpolitik. Das geht aus einer aktuellen Fallstudie der Humboldt-Universität zu Berlin zur Tierschutzpolitik in Deutschland hervor, die in der Fachzeitschrift «European Policy Analysis» veröffentlicht wurde.
Laut den Ergebnissen haben Bedenken zum innereuropäischen Wettbewerb politische Entscheidungsträger davon abgehalten, allzu strenge Tierwohlvorgaben vorzuschreiben. Und das, obwohl der gesellschaftliche Druck für mehr Tierwohl im untersuchten Zeitraum deutlich angestiegen sei. In der Studie «Enabling free movement but restricting domestic policy space? The price of mutual recognition» (Freizügigkeit ermöglichen, aber innenpolitischen Spielraum einschränken? Der Preis der gegenseitigen Anerkennung) analysierten die Wissenschaftler die Politik der vergangenen Jahrzehnte und führten eine Reihe von Interviews mit Experten.
Nur wenn alle an einem Strick ziehen
Wie die Forscher in ihrer Arbeit ausführen, ist es zwar möglich, auf nationaler Ebene bestimmte Haltungsformen zu verbieten. Wegen der europäischen Marktzugangsregeln müssten aber von den Ländern, die mit entsprechenden Regeln vorangehen, trotzdem Importprodukte aus anderen EU-Ländern aus eben diesen Haltungsformen akzeptiert werden.
«Dies wiederum hat eine bremsende Wirkung auf die Politikgestaltung», erklärte die Doktorandin an der Humboldt-Universität zu Berlin und Autorin der Studie, Jasmin Zöllmer. «So hat Deutschland die Käfighaltung von Legehennen aufgrund von drohenden Wettbewerbsnachteilen trotz mehrerer Vorstösse am Ende nie ganz abgeschafft», so Zöllmer.
Vorschläge liegen auf dem Tisch
Laut den Forschern gibt es dennoch Möglichkeiten, nationale Tierwohlstandards anzuheben, ohne dass sich dadurch die Produktion ins EU-Ausland verlagert. «Seit vielen Jahren liegen Vorschläge aus Wissenschaftlichen Beiräten und Stakeholderkommissionen vor, die Tierschutzstandards in Deutschland deutlich anzuheben und die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten über staatliche Tierwohlprämien auszugleichen», sagte der Co-Autor der Studie, Prof. Harald Grethe. Allerdings habe die Politik diese Vorschläge noch nicht ausreichend umgesetzt.
Vorbild USA
Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, den gemeinsamen Markt umzugestalten. Ein interessantes Beispiel bietet den Agrarwissenschaftlern zufolge der US-Bundesstaat Kalifornien. Dieser könne seine strengen Tierschutzgesetze auch für Importe aus anderen Bundesstaaten geltend machen. «Dadurch entsteht kein Wettbewerbsnachteil. Die Regulierung kann nicht durch «Billigimporte» unterwandert werden», so Grethe. Über vergleichbare Lösungen für den europäischen Binnenmarkt sollte daher verstärkt nachgedacht werden.
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