Die im European Milk Board (EMB) organisierten Milcherzeuger haben ihre Warnungen vor einer neuen Krisensituation bekräftigt. Vergangene Woche protestierten Vertreter des Verbandes in Brüssel, um die politischen Entscheidungsträger zu zusätzlichen Maßnahmen zu bewegen.
„Wenn nicht schnell gehandelt wird, werden Europas Milcherzeuger untergehen“, so EMB-Präsident Romuald Schaber mit Blick auf die Preisrückgänge der vergangenen Monate. Die Lage spitze sich immer weiter zu. Viele Erzeuger hätten große Schwierigkeiten, ihre Rechnungen zu begleichen und sorgten sich, das Futter für ihre Kühe nicht mehr bezahlen zu können. „Das Angebot übersteigt die Nachfrage deutlich. Ohne die begrenzende Wirkung der Quotenregelung in wichtigen Produzentenländern wie Deutschland oder Holland wäre die Situation derzeit noch wesentlich schlimmer“, betonte Schaber. Wenn nächstes Jahr auch noch die Milchquoten als letztes Begrenzungssystem wegfielen, drohe ein weiterer Preisverfall. Alles deute mittlerweile darauf hin, dass eine schwere Marktkrise wie 2009 bevorstehe.
Der EMB-Vorsitzende erneuerte Forderungen nach Einführung eines Anreizprogramms, um Erzeuger zu Produktionsverringerungen zu bewegen. Wenn dann die Nachfrage wieder anziehe, könne die normale Produktion erneut aufgenommen werden. Verständnis für die EMB-Forderungen zeigte der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Alexander B o n d e . Keine Unterstützung erhält das EMB hingegen beim Thünen-Institut (TI) für Marktanalyse. Dr. Sascha A. Weber und Dr. Heiko Hansen lehnen Vorschläge, die in Richtung einer Marktregulierungsstelle zielen, ausdrücklich ab.
Hilfe käme zu spät
Die beiden TI-Wissenschaftler bewerten im aktuellen „Thünen Working Paper 34“ insbesondere eine Analyse des Büros für Agrar- und Regionalentwicklung (BAR) in Kassel. Das BAR sieht in einer Monitoringstelle mit allgemeinverbindlicher Entscheidungsbefugnis für alle europäischen Milcherzeuger eine gute Möglichkeit, um das Milchangebot der Nachfrage anzupassen. Nach Einschätzung der TI-Wissenschaftler jedoch würde eine solche Regulierungsstelle die individuelle Entscheidungsfreiheit von Erzeugern beschränken, Neueinsteigern den Marktzutritt erschweren und den Strukturwandel hemmen. Rückwirkungen auf andere Agrargütermärkte seien wahrscheinlich, und vor allem Verbraucher würden benachteiligt. Darüber hinaus erwartet das TI zusätzliche Bürokratie und Kosten, während die preisstabilisierende Wirkung einer EU-weiten Regulierung in Frage gestellt wird.
Bereits die notwendige Erhebung der Daten halten die Forscher für schwierig. Eine effiziente Marktsteuerung könne aber nur mit zeitnah verlässlichen Marktinformationen vorgenommen werden. Die Preis- und Mengeninformationen für den europäischen Binnen- und den Weltmarkt seien systembedingt mindestens zwei Monate alt. „Bevor eine Marktkrise erkannt wird und die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden können, kommt die Hilfe für die Marktbeteiligten bereits zu spät“, heißt es in dem Arbeitspapier.
Sorge wird geteilt
Bonde erklärte im Anschluss an ein Gespräch mit Vertretern des Bundes Deutscher Milchviehhalter (BDM) in Stuttgart: „Wir teilen die Sorgen der Milchbäuerinnen und Milchbauern und unterstützen sie in ihrem berechtigten Interesse nach auskömmlichen und stabilen Milchpreisen.“ Bonde warf der Bundesregierung vor, sich auf EU-Ebene nicht ausreichend für die Milchbauern einzusetzen. „Eine Politik, die allein auf Weltmarkt und Verdrängung setzt, entzieht vielen bäuerlichen Milchviehbetrieben die Existenzgrundlage“, so der Minister. Die geforderte flexible Mengensteuerung sei ein gutes Instrument, um den Milchbauern zu helfen. Es müsse jetzt darum gehen, langfristig wirkende Sicherheitssysteme aufzubauen, um Preisstürze wie zuletzt 2009 zu verhindern.