Beim roten Tilsiter stockt der Absatz. Weil Emmi für Januar keinen solchen bestellt hat, musste die Sortenorganisation die Produktion stoppen. Möglicherweise diktieren bald die Käsehändler – es droht ein Preiszerfall.
Für den Monat Januar hat die Sortenorganisation Tilsiter Switzerland keine Produktionsmengen für roten Tilsiter freigegeben. Das bedeutet einen Produktionsstopp für den Tilsiter, der aus frischer Rohmilch aus silofreier Fütterung hergestellt wird. Davon sind 18 Käsereien in den Kantonen St. Gallen, Zürich und Thurgau betroffen. Nur eine einzige Käserei, die sich im Jahr 2011 durch besonders hohe Qualität ausgezeichnet hat, darf auch im Januar roten Tilsiter produzieren. Von der Massnahme nicht tangiert sind laut Bruno Buntschu, Geschäftsführer der Sortenorganisation, der Past-Tilsiter (grün), der Rahm-Tilsiter (gelb), der rote Bio-Tilsiter und der Bio-Alpenland-Tilsiter.
Emmi hat nicht bestellt
Die Tilsiter-Sortenorganisation sah sich aufgrund ihrer Reglemente zu diesem Schritt gezwungen, weil Emmi, die am meisten Tilsiter handelt, für Januar bei der Sortenorganisation keinen roten Tilsiter bestellt hat. Emmi hat dies kurz vor Weihnachten recht abrupt kommuniziert. Emmi-Sprecherin Sibylle Umiker teilt mit, dass Emmi in den letzten drei Monaten stets deutlich mehr Tilsiter abgenommen habe, als sie bestellt habe. Die Überlieferung habe weit über dem normalen Schwankungsbereich gelegen, den Emmi jeweils abgefedert hatte. «Wenn wir die Lagerbestände nicht abbauen können, wäre die Konsequenz, dass wir unseren Kunden überalterte Bestände liefern und die erwartete Qualität nicht mehr gewährleisten könnten.
Das schadet sowohl der Sortenorganisation, den Käsereien als auch Emmi», schreibt Umiker. Andere Handelsfirmen haben für Januar durchaus Bestellungen gemacht und müssen diese Mengen an rotem Tilsiter nun zu einem festgelegten Preis auch bei Emmi-Fabrikanten beziehen. Die Dominanz von Emmi ist durch die im Juli 2011 angekündigte Übernahme der Rutz Käse AG, die auch mit Tilsiter handelt, noch stärker geworden.
Stockender Absatz
Die Lager sind voll, weil der Absatz sowohl im In- als auch im Ausland stockt. Die Exporte – überwiegend als Alpenland-Tilsiter nach Deutschland – sind seit September gegenüber dem Vorjahr eingebrochen, nachdem sie sich in den Monaten zuvor teils noch massiv über den Vorjahreswerten bewegt hatten. Zurückzuführen ist dies zu einem guten Teil auf wegen der Euroschwäche nötige Preiserhöhungen. Auch ist der Tilsiter davon abhängig, wie prominent ihn die Exportfirmen in ihrem Sortiment platzieren. Aber im Inland läuft der Verkauf von rotem Tilsiter ebenfalls nicht wie gewünscht. Seit längerem wird er hier von regional vermarkteten Halbhartkäse-Spezialitäten konkurrenziert. Kommt hinzu, dass die Sortenorganisation entschieden hat, schrittweise aus der Produktion von Industrieware auszusteigen. Grund dafür war die mangelnde Wertschöpfung in diesem Kanal. Per Anfang Jahr ist damit ganz fertig. «So verfügen wir nicht mehr über ein Ventil», sagt Buntschu.
Ab Februar soll wieder roter Tilsiter produziert werden. Josef Hardegger, Inhaber von Hardegger Käse, dem zweitgrössten Tilsiter-Händler, geht davon aus, dass die Gesamtabsatzzahlen für den Tilsiter Switzerland in den Monaten Februar und März stabil sein werden. Emmi-Sprecherin Umiker rät zu Vorsicht bei der Planung in der Käsebeschaffung.
Diktiert der Handel?
Nun ist aber das bisherige Produktionslenkungs- und Warenausgleichssystem beim Tilsiter infrage gestellt. Werden die kleiner gewordenen Produktionsmengen nach dem gleichen Schlüssel wie bisher auf alle Käsereien verteilt, könnte es gerade für die Käsereibetriebe eng werden, die sich auf roten Tilsiter spezialisiert haben. Doch man hört, dass die beste Qualität erreicht wird, wenn mit einer guten Auslastung ausschliesslich Tilsiter produziert wird. Ein anderes diskutiertes Modell ist, dass in Zukunft – wie es beim Emmentaler heute der Fall ist – die Handelsfirmen allein bestimmen, welche Käserei wie viel Tilsiter herstellen darf. Das würde vermutlich zu einem raschen Strukturwandel bei den Käsereien führen, und die Preise könnten stark ins Rutschen geraten. «Ich hoffe, dass wir einen Weg finden, der vor allem dem Produkt dient», sagt Buntschu. Fromarte-Direktor Jacques Gygax findet es wichtig, dass eine effektive Mengensteuerung auf Stufe Sorte beibehalten wird. Sonst sei die Gefahr gross, dass Wertschöpfung vernichtet werde.
Schwierig ist die aktuelle Lage für die Handvoll von Käsereien, die ausschliesslich roten Tilsiter produzieren. Wer heute schon auch anderen Halbhartkäse herstelle, könne im Januar auf diesen setzen, sagen Käser. Das bedeutet aber letztlich nur noch mehr Konkurrenz für den Tilsiter. Es sind schwere Zeiten der Ungewissheit für die Tilsiter-Käsereimilchlieferanten, deren Betriebe öfters relativ klein und abgelegen sind.