Die Kälbermärkte werden ab dem 1. Juli nicht mehr von der Proviande überwacht. Marktkenner sind sich einig: Die Preisschwankungen bei den Kälbern dürften grösser werden. Die Landwirte sind am kürzesten Hebel.
Die Kälbermärkte werden ab dem 1. Juli nicht mehr von der Proviande überwacht. Marktkenner sind sich einig: Die Preisschwankungen bei den Kälbern dürften grösser werden. Die Landwirte sind am kürzesten Hebel.Doris GrossenbacherAb dem 1. Juli gibt es für Kälber, die unter 161 Tage alt sind, keine öffentlichen und von der Proviande kontrollierten Märkte mehr. Dies hat verschiedene Folgen:
- Die Absatzgarantie der Kälber zum Proviande-Preis fällt weg.
- Die Händler erhalten für die ersteigerten Kälber kein Importkontingent mehr.
- Die Preistransparenz ist nicht mehr gewährleistet.
Märkte auf privater Basis
Die Kälbermärkte in Thun BE, Buttisholz LU und Wattwil SG werden vorläufig auf privater Basis weitergeführt. Der Markt in Herisau AR löst sich auf.
Beni Wunderli, Markt-Chef in Wattwil, sagt: «Mit dem Markt können wir das Angebot bündeln und erreichen eine gewisse Preistransparenz.» Die Händler, die bisher auf dem Markt waren, würden weiterhin kommen, weiss er. «Dafür brauchen wir aber Kälber aller Kategorien, also auch Label-Kälber, die auf den Markt kommen», ruft Wunderli die Landwirte auf.
Marktplatz ist teuer
In Thun werden noch drei Händler und ein Abnehmer den Markt aufsuchen. Ein Händler wird seine Kälber fortan separat zusammenführen.
«Das grösste Problem sind die Kosten für den Marktplatz», erklärt Niklaus Scheuner, Händler aus Süderen BE. Da der aktuelle Marktplatz sehr teuer sei, suche man nach einer Alternative. Da ein Viehhandelsplatz aber auch Vorschriften bezüglich Gewässerschutz erfüllen müsse, gestalte sich die Suche als schwierig.
Gebündeltes Angebot
Bruno Rüttimann von der Viehhandelsorganisation ASF in Sursee sagt: «Wir werden die QM- und Labelschlachtkälber wie gewohnt am Montag zusammenführen und auf dem Marktplatz in Buttisholz optimal auf die verschiedenen Abnehmer verteilen.» Der Markt bleibe dank der Bündelung von Angebot und Nachfrage und den Bestrebungen für marktkonforme Preise für Produzenten und Händler attraktiv.
Preise im freien Fall
«Es wird sich weisen, wie die ganze Preisfindung nun stattfinden wird», sagt Wunderli. Die Proviande werde weiterhin einen Wochenpreis publizieren. «Dieser ist aber nicht mehr gestützt, und folglich wird sich in Zeiten mit einem zu grossen Angebot niemand daran halten.»
Dazu kommt, dass der Bund die Beiträge von rund 3 Mio. Fr. für die Kalbfleischeinlagerung ab 2015 streichen will. «Wenn das Geld nicht mehr gesprochen wird, dann sind die Kälberpreise im Frühling im freien Fall», ist Wunderli überzeugt. «Die Abnehmer werden die Kälber zwar kaufen, aber praktisch nichts mehr bezahlen.» Der Produzent kann das Kalb höchstens direkt vermarkten, sonst ist er machtlos.
Kein Kontingent mehr
Die Händler hätten bisher mit ihrem Importkontingentsanteil einen Zusatzerlös pro Kalb von rund 50 bis 60 Fr. gehabt, so Wunderli. Dies habe es ihnen zum Teil ermöglicht, die Kälber praktisch zum gleichen Preis an- und wieder zu verkaufen. Ohne diesen Puffer müssten die Händler nun anderweitig zu ihrer Marge kommen.
«Wir versuchen natürlich, möglichst die Marge bei den Abnehmern auszuhandeln», sagt ein Händler. «Dies ist aber leider nicht immer möglich.» Sobald es also Preisdruck gebe, könnte dies für die Produzenten zur Katastrophe werden.
Grössere Schwankungen
Marktkenner befürchten in Zukunft grössere Preisschwankungen: «Wenn die Kälber rar sind, werden die Preise höher steigen, herrscht ein Überangebot, werden sie tiefer sinken.» Ein Grund, weshalb das Bundesamt für Landwirtschaft die Kälbermärkte abgeschafft hat, ist laut Branchenkennern die gezielte Kälberauffuhr einiger Händler auf dem Markt, um Kontingentsanteile zu lösen. Ein Händler bestätigt: «Dadurch, dass wir nun die Kälber nicht mehr auf dem Markt extra ab- und wieder aufladen, sparen wir etwas Arbeit.»
Tränkerschlachtung
«Die Preise für Tränkekälber sind durch den Wegfall der kontrollierten Märkte weniger betroffen», meint Wunderli. Bereits bisher seien ja die Tränkerpreise von den Händlern und nicht von der Proviande festgelegt worden.
Brigitte Meier, Geschäftsführerin des Kälbermästerverbandes, gibt jedoch zu bedenken: «Ohne Marktstützung bei den Bankkälbern werden die Mäster nichts mehr für Tränker mit reiner Milchgenetik bezahlen.» Es gelte zu verhindern, dass frischgeborene Kälber getötet werden.
Politik wird aktiv
In einer Motion verlangt Nationalrat Erich von Siebenthal (SVP, BE), dass Tiere ab einem Alter von 121 Tagen wieder über die öffentlichen Schlachtviehmärkte vermarktet werden können – unter gleichen Bedingungen wie Tiere ab 161 Tagen. Die Vermarktung von sogenannten Fressern im Alter von 120 bis 160 Tagen sei ein wichtiger Betriebszweig für viele Betriebe im Berggebiet, schreibt er. Schweizweit sei bisher rund ein Viertel (3000 Tiere) der über öffentliche Märkte abgesetzten Tiere in dieser Kategorie gewesen.