Der Internationale Getreiderat IGC mit Sitz in London warnte am Donnerstag im monatlichen Bericht zu den Weltgetreidemärkten vor einem wachsenden Protektionismus zahlreicher Staaten in Reaktion auf die durch den Krieg in der Ukraine heraufbeschworenen Engpässe am Getreideweltmarkt.
Massnahmen wie Exportrestriktionen zur Sicherung der eigenen Versorgung und Eindämmung der Preise gingen nach hinten los und träfen gerade Länder mit unsicherer Versorgung wie im Nahen Osten und in Afrika.
So soll Serbien entgegen ersten Signalen nunmehr seine Agrarausfuhren gänzlich stoppen – nämlich auch die Auslieferung bestehender Kontrakte. In Bulgarien seien dem Vernehmen nach die verordneten Aufkäufe für eine Staatsreserve über private Firmen gescheitert, und der Staat habe für den Markt rückwirkend mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine Force Majeure erklärt.
Russland exportiert wieder
Russland soll begonnen haben, vor dem Krieg geschlossene Weizenkontrakte wieder über das Schwarze Meer zu verschiffen, und am Weltmarkt tauchten neue Ausschreibungen für Weizenkäufe – etwa aus der Türkei – auf. Ein von einigen Agenturen kolportierter Getreideexport-Stopp Russlands, der kurzfristig für neue Preisausschläge sorgte, erwies sich als Ente. Russland beschränkt temporär die Ausfuhr lediglich in die ehemaligen Sowjetrepubliken der Eurasischen Wirtschaftsunion.
Dorthin gelangten nämlich russische Exporte zollfrei, wohingegen Moskau auf Exporte in alle anderen Länder saftige Zölle erhebt. Jüngst seien offenbar zur Umgehung dieser Zölle die Lieferungen in die Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion sprunghaft gestiegen, um die Ware von dort ohne Zölle zu reexportieren. Diesen Umgehungsgeschäften habe der Kreml laut Analysten mit dem Exportstopp für diese kleine Ländergruppe einen Riegel vorschieben wollen.
IGC schätzt Getreideendlager höher
Der IGC setzt die weltweite Schätzung der gesamten Getreideernte 2021/22 insbesondere beim Mais hinauf und revidiert den Verbrauch als Folge der Unterbrechungen der Schwarzmeer-Exporte und wegen einer Rationierung der Nachfrage durch hohe Preise hinab. Vor dem Hintergrund sich vor allem in der Ukraine anhäufender Lagerhaltung setzt der Rat die weltweiten Getreideendlager zum Vormonat um 11 Mio. t hinauf, woraus nunmehr nach vier Jahren des Abbaus ein Bestandsaufbau von 6 Mio. t resultiert.
Der Getreide- und Ölsaatenpreis-Index des IGC (GOI) stieg seit Februar um 12,9% (+33,2% zum Vorjahr) nahe dem höchsten Stand seiner 22-jährigen Geschichte. Die ungewisse Lage in Russland und der Ukraine mache jedoch, so der IGC, alle Prognosen – für die laufende Saison 2021/22 und noch mehr für die kommende 2022/23 – hochspekulativ. Auch weil die Krise die Produktionskosten für die kommende Saison weiter in die Höhe treibe und damit Menge und Qualität der Ernten beeinflussen könne.
Teurer Dünger und…
Laut agrarpreise.at erreichte der Grosshandelspreis FOB deutsche Ostseehäfen für Harnstoff am Donnerstag mit 1’285 Euro/t (1’330 Fr.) ein neues Rekordhoch und kostet das 3,4-Fache wie vor Jahresfrist. Diammonphosphat hielt knapp unter der vorwöchigen Spitze bei 930 Euro/t (959 Fr.) mit nahezu einer Verdoppelung zum Vergleichszeitraum 2021, gleiches gilt für Kornkali 40% mit aktuell 465 Euro/t (480 Fr.).
…geringere Ernte 2022
Der EU-Getreidehandelsverband Coceral nimmt in seiner zweiten Schätzung der Ernte 2022 für die EU-27 und das Vereinigte Königreich (UK) eine Getreideernte von 305,6 Mio. t an. Das sind um 1,1 Mio. t mehr als in der Dezember-Prognose, aber um 1,7 Mio. t weniger als die Ernte 2021. In der EU-27 alleine soll die Ernte von Getreide einschliesslich Mais heuer gegenüber dem Vorjahr von 284,9 Mio. t auf 282,6 Mio. t abnehmen.
Innerhalb der EU dürfte die Produktion vor allem in östlichen Mitgliedstaaten, wie Polen, Rumänien und Bulgarien, sowie in Spanien und Frankreich kleiner ausfallen als im Vorjahr, in Ungarn vor allem beim Mais jedoch grösser. Die EU-27 und das UK würden die Produktion von Raps mit einer Prognose von 19,3 Mio. t gegenüber dem Vorjahr (18,5 Mio. t) nur begrenzt steigern können, die Erwartung reduziert sich gegenüber Dezember um 0,7 Mio. t.


