In Afrika essen viele Menschen Erde, ein Stückchen Lehm als Snack zum Feierabend oder etwa als Mittel gegen körperliche Gebrechen. Die Beweggründe und Folgen der sogenannten Geophagie sind noch weitgehend unbekannt.
Das Essen von Erde ist in Afrika weit verbreitet - vor allem unter schwangeren Frauen. Manche sammeln die meist stark lehmhaltigen Produkte selbst - an Steinbrüchen, von Termitenhügeln oder aus Flussbetten. Andere kaufen die Erdklumpen auf dem Markt oder im Supermarkt - wo sie oft auch in gebrannter Form angeboten werden und dann noch eher aussehen wie massive Steine.
Drei bis fünf Rappen
Eine solche Verkaufsstelle ist der Marktstand von Beatrice Athiambo auf dem Toi Markt in Kenias Hauptstadt Nairobi. Sie verkauft «Mawe ya kula» - «Steine zum Essen». Da gibt es orangefarbene Blöcke, die weich sind und im Mund zu ganz feinem Sand zerfallen. Und dann sind da noch die grauen Blöcke - gröber und härter.
Athiambo kauft ihre Ware direkt an einer Lehmgrube in Säcken zu rund 100 Kilogramm. Mit einer Machete hackt sie die ziegelsteingrossen Klötze klein. Fünf kenianische Schilling (fünf Rappen) verlangt sie für ein apfelgrosses Stück. Die kleiner gehackten Blöcke kosten drei Schilling (drei Rappen). Die Geschäftsidee hatte Athiambo vor vier Jahren, weil sie selbst gern Erde ass.
Gegen Schwangerschaftsbeschwerden...
Aber warum nehmen Menschen Erde zu sich - und das teils in Mengen von mehreren Hundert Gramm pro Tag? Eine Gruppe von Wissenschaftern um die Medizinanthropologin Ruth Kutalek von der Medizinischen Universität Wien liess im Zuge einer Studie die Konsumierenden selbst zu Wort kommen. Die Befragungen in Uganda lieferten zwar keine repräsentativen Ergebnisse für ganz Afrika. Doch sie eröffneten einen Einblick in die wenig erforschten Beweggründe für das Essen von Erde, sagt Kutalek.
Das Team befragte 50 Personen zum Thema - Männer und Frauen, Schwangere und Nicht-Schwangere und auch medizinische Fachleute. Fazit: Am weitesten verbreitet ist das Phänomen unter Schwangeren. Sie nannten als Grund für den Griff zu den Klumpen zumeist ein unerklärliches körperliches Verlangen. Viele Schwangere gaben an, die Erde helfe gegen Morgenübelkeit und Sodbrennen. Vor allem deren Gerüche seien verlockend, wie etwa der Duft von feuchter Erde nach dem Regen, oder jener von frisch gebrannten Ziegelsteinen.
...als Snack...
Eine Konsumentin spricht von Sucht. «Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn ich es sehe», sagt die Kenianerin Joyce Andalo. Die 34-Jährige kostete zum ersten Mal als kleines Mädchen von den erdigen Brocken. Ihre Mutter hatte welche gekauft. Heute versuche sie, den besonderen Snack als Belohnung zu sehen. Wie ein kaltes Bier nach einem langen Arbeitstag. Bei ihrer letzten Schwangerschaft habe sie täglich vier bis fünf von den grossen Stücken gegessen.
...oder wegen Eisenmangels?
Manche Wissenschafter vermuten Eisenmangel als Hauptgrund für Geophagie. Zwar sei diese Annahme durch Studien nicht ausreichend bestätigt, schreiben Forscher aus Französisch-Guyana. Aber viele Indizien deuteten darauf hin. Ausserdem könnten Stoffe, die in der tonhaltigen Erde enthalten seien, Vergiftungen vorbeugen. Das sei für den Menschen im Laufe der Evolution sehr wichtig gewesen. Denn Menschen essen schon seit Urzeiten Erde, und das nicht nur in Afrika.
Geophagie birgt aber auch Risiken, wie der in Nairobi arbeitende Gynäkologe Samson Mabukha Wanjala betont. Wer Erde esse, könne auch Krankheiten einfangen, etwa Infektionen. Die Ware werde nicht hygienisch behandelt und liege - wie Baumaterial - auf dem Boden herum. Durchfall- und Wurmerkrankungen seien da keine seltenen Nebenerscheinungen.
Wissenschafter warnen auch vor der Aufnahme von Schwermetallen und anderen Giften. Wer mit dem Essen von Erde aber einmal angefangen hat, wird sich kaum von diesen Erkenntnisse überzeugen lassen und den Konsum einstellen.