Seit dem Besuch von Bundesrat Guy Parmelin in Brüssel wirft die EU der Schweiz vor, sie wolle ihr unangenehme Bereiche aus dem Rahmenabkommen ausklammern. Nun zeigt ein vom «Sonntagsblick» publizierter Auszug des Verhandlungsmandates, was die Schweiz wirklich fordert.
Die EU kritisierte, man habe schliesslich das Abkommen gemeinsam ausgehandelt und müsse nun lediglich noch die drei offene Punkte Lohnschutz, Staatsbeihilfen und Unionsbürgerrichtlinie klären.
Die Forderungen der Schweiz gingen jedoch zu weit. Das akzeptiere die EU nicht. Die Schweiz ihrerseits bestreitet die Absicht, Bereiche einfach ausklammern zu wollen.
Umstrittene Unionsbürgerrichtlinie
So etwa streiten Bern und Brüssel über die Unionsbürgerrichtlinie. Diese ist in der Schweiz hoch umstritten, weil sie die Sozialhilfeansprüche und das Aufenthaltsrecht von EU-Bürgern verbessern sowie deren Ausweisung erschweren würde.
Der Bundesrat fordert daher die «explizite Ausschliessung von der Übernahme» jener Teile der Unionsbürgerrichtlinie, «die über die Arbeitnehmerfreizügigkeit hinausgehen», heisst es in den publizierten Mandats-Auszügen.
Darin pocht Bern darauf, sieben Bereiche explizit auszuschliessen. Dazu gehören das Recht auf Daueraufenthalt, mehr Rechte für nicht-erwerbstätige, entlassene und stellensuchende EU-Bürger sowie ein verstärkter Ausweisungsschutz.
Forderungen beim Lohnschutz
Eine EU-Beamtin hatte kurz nach dem Treffen zwischen Parmelin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen jedoch klar gemacht, dass die dies EU nicht akzeptieren wird. Bei der Freizügigkeit gehe es um Personen und nicht nur um Arbeitnehmende.
Beim Lohnschutz steckt das Mandat ebenfalls einen engen Rahmen. So soll die «Schutzwirkung der aktuell geltenden Massnahmen» erhalten bleiben – unabhängig von der Weiterentwicklung des EU-Rechts und der Rechtsprechung des EU-Gerichtshofes (EuGH).
Um dies zu gewährleisten, fordert die Schweiz die Sicherstellung «des Grundsatzes ‹gleicher Lohn für gleiche Arbeit›». Auch soll das «duale Vollzugssystem der Schweiz mit Sanktionen der Sozialpartner» explizit im Rahmenabkommen genannt werden.
«Gleicher Lohn für gleiche Arbeit»
Die EU anerkenne das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit», heisst es seitens der EU-Beamtin. Die Schweiz solle durchaus Massnahmen ergreifen können. So kommt Brüssel der Schweiz bei der Kautionspflicht für EU-Unternehmen, die ihren Zahlungspflichten nicht nachgekommen sind, entgegen.
Im Gegenzug will die Schweiz einer reduzierten Voranmeldefrist – neu vier statt acht Tage – zustimmen, die aktuell für Risikobranchen wie etwa dem Bau- oder Reinigungsgewerbe gilt.
Laut der Abschrift des Verhandlungsmandats fordert die Schweiz aber, dass Kautionspflicht und Voranmeldung künftig für alle EU-Unternehmen gelten sollen. Auch will sie über die Anzahl der Kontrollen von Missbräuchen wie Lohndumping weiterhin selber bestimmen.
Die Schweizer Forderungen beim Lohnschutz gehen Brüssel zu weit. Die EU-Beamtin machte gegenüber Journalisten deutlich, Die EU wolle die Schweizer Massnahmen nur akzeptieren, wenn diese proportional und nicht diskriminierend seien.
Staatsbeihilfen: Lösung möglich
Bei den staatlichen Beihilfen dürfte dem Vernehmen am ehesten eine Einigung möglich sein. Die Schweiz will gemäss Mandatsabschrift verhindern, dass die künftigen Beihilferegeln nicht auf andere Abkommen angewendet werden können. Dabei zielt der Bundesrat vor allem auf das Freihandelsabkommen Schweiz-EU aus dem Jahre 1972 ab, das die EU gerne modernisieren möchte.
Nun dürfte klar werden, warum Bundespräsident Parmelin nach dem Treffen mit von der Leyen von «erhebliche Differenzen» bei den Positionen zwischen der Schweiz und der EU sprach.