Die beiden Agrarinitiativen würden 15’000 Arbeitsplätze im Aargau auf das Spiel setzen, ist sich das Aargauer Komitee «2x Nein zu den extremen Agrar-Initiativen» sicher. Und die grossen Verlierer wären die Natur, die Konsumenten und auch viele Biobetriebe, argumentiert das kantonale Komitee.
«Die Initiativen schiessen übers Ziel hinaus, am Markt vorbei, verteuern die Lebensmittel massiv und bringen der Umwelt nichts. Verlierer wären die Bauernfamilien und mit ihnen die Biodiversität, die zurückginge», lautete die Botschaft des Komitees.
Die Aargauer Bäuerinnen und Bauern wollten durchaus auch Teil der Lösung sein und mithelfen, die umweltrelevanten Auswirkungen der Landwirtschaft weiter zu minimieren, sagte Christoph Hagenbuch, der neue Präsident des aargauischen Bauernverbandes anlässlich der Medienkonferenz des kantonalen Komitees gegen die Agrarinitiativen auf einem Biohof in Wohlen AG.
Gemüse- Obst- und Weinbaubetriebe massiv betroffen
Die beiden extremen Agrar-Initiativen seien aber der falsche Weg. Bei einer Annahme der Agrarinitiativen wären die Aargauer Landwirtschaft und vor allem Gemüse- Obst- und Weinbaubetriebe massiv betroffen. Christoph Hagenbuch betonte weiter, dass das neue, strenge Pestizidgesetz, das National- und Ständerat in der Frühjahrssession verabschiedet haben, wirksamer und konsequenter sei als die beiden Agrarinitiativen und dass die Mitglieder des Bauernverbandes Aargau dieses Gesetz mittragen würden.
Die Risiken beim Einsatz von Pflanzenschutzmittel müssten etwa bis 2027 um 50 Prozent vermindert werden. «Dies ist ambitiös, weil die Landwirtschaft in den letzten zehn Jahren die Einsatzmengen bereits um 40 Prozent reduziert und auf biologische Mittel umgestellt hat», so Hagenbuch.
Grosse Anstrengungen
«Ich bin stolz auf die Leistung der Aargauer Bauernfamilien. Mit rund zehn Prozent trägt der Agrarkanton Aargau massgeblich zur Versorgungssicherheit unseres Landes bei», sagte Hagenbuch weiter. Es werde einzig darüber geredet, wie viel Pflanzenschutzmittel und Gülle die Landwirtschaft ausbringe.
Beides sei elementar für die Ernährungssicherheit. Zum einen müssten die Pflanzen geschützt und dadurch die Ernte gesichert werden, zum anderen sei Gülle ein hervorragender, natürlicher Nährstoff für die Kulturen. Er gibt sich aber dialogbereit: «Über das richtige Mass kann man sich tatsächlich streiten». Die Landwirtschaft unternehme seit Jahren grosse Anstrengungen, um immer ökologischer und nachhaltiger zu werden
Kein Schweizer Brokkoli mehr
Vor die Medien trat auch Toni Suter, Präsident der Aargauer Gemüseproduzenten. «Mit Pflanzenschutzmitteln sichern wir unsere Ernte, wenn alle anderen Schutzmassnahmen ausgeschöpft sind», erklärte er. Für ihn ist die Aus-und Weiterbildung im Bereich Pflanzenschutz zentral: «Pflanzenschutz darf nur von ausgebildeten Profis ausgeführt werden. Die wissen, wie man die Pflanzenschutzmittel sehr gezielt, und dank modernster Technologie auf ein Minimum dosiert, ausbringt», sagte Suter.
Er warnte vor den Folgen eines Ja zu den Initiativen. «Es ist fraglich, ob in der Schweiz noch Brokkoli angebaut werden könnte. Denn ohne Pflanzenschutz gibt es bei der heiklen Pflanze im Sommer kaum Erträge. Wir würden den Brokkoli dann einfach importieren. Und die Importware wäre mit Mitteln behandelt, die in der Schweiz verboten sind», führte er aus.
Pflanzenschutzmittel als Ergänzung
Auch Andy Steinacher, Präsident des Verbandes Aargauer Obstproduzenten, warnte vor einem Ja. «Obstbäume in allen Produktionsformen, also auch im Bioanbau, sind auf Pflanzenschutzmittel angewiesen. Wir bekämpfen bereits viele Schädlinge mit Nützlingen und Verwirrungstechniken mit Lockstoffen. Diese Massnahmen müssen aber teilweise mit Pflanzenschutzmitteln ergänzt werden», erklärte er.
Er forderte auch ein Umdenken der Konsumenten: «Hier braucht es ein Umdenken des Handels und der Konsumenten: Weg von den krankheitsanfälligen Sorten hin zu robusteren Sorten. Dann geht der Einsatz von Fungiziden automatisch zurück.» Ein faktische Pflanzenschutzmittelverbot führt gemäss Steinacher zu mehr Food Waste. «Die regionale Produktion würde um schätzungsweise 40 Prozent sinken und durch Importe ersetzt, die weniger nachhaltig sind», hielt der Obstbauer fest.
Geflügelhaltung wieder einstellen
Dominik und Ruedi Donat vom Biohof Bollhof in Wohlen, die Gastgeber der Medienkonferenz, wären mit ihrem Betrieb von der Trinkwasser-Initiative besonders betroffen. Die Initiative verlangt unter anderem, dass nur noch Landwirte Direktzahlungen bekommen, die nicht mehr Tiere halten, als sie mit betriebseigenem Futter versorgen können.
Die vor fünf Jahren begonnene Junghennenaufzucht müsste mangels eigenen Futters wieder aufgegeben werden. Die Bewirtschafter müssten ihren Tierbestand massiv reduzieren und die Geflügelhaltung wieder einstellen. «Die inländische Produktion von Bio-Eiern und Bio-Poulet aber auch Bio-Schweinen würde abnehmen, die Preise im Detailhandel entsprechend steigen. Weniger konsumiert würde deswegen aber nicht», hielt der Komitee fest.
Hochstammbäume würden gefällt
Alle Exponenten des kantonalen Komitees «2 x Nein zu den extremen Agrarinitiativen» betonten, dass bei einer Annahme der Trinkwasser-Initiative die allermeisten ihrer Produzenten keine Direktzahlungen mehr erhalten würden. Unter den «extremen Anforderungen» der Initiativen könnten sie Obst, Gemüse und Wein nicht mehr in ähnlicher Menge und hoher Qualität produzieren, warnten sie.
Aus ökonomischen Gründen wären die Produzenten gezwungen, auf ihren extensiven Blumenwiesen wieder Kulturen anzubauen. Viele Hochstammbäume würden gefällt werden, weil sich deren Pflege nicht mehr lohnen würde, erklärten.
Das Aargauer 2x-Nein-Komitee setzt sich unter anderem aus dem kantonalen Bauernverband, dem Verband der Aargauer Obstproduzenten, der Sektion Aargau der Vereinigung Schweizer Gemüseproduzenten, des Branchenverbandes Aargau Wein, den Aargauer Landfrauen und Vertreter des nationalen Nein-Komitees der Biobauern zusammen.