Wölfe wurden in Mitteleuropa ab dem 15. Jahrhundert systematisch verfolgt. Im 19. Jahrhundert waren sie in nahezu allen Regionen vor allem durch menschliche Bejagung stark dezimiert und in West- und Mitteleuropa fast ausgerottet. Seit den 1980er Jahren steht der Wolf in vielen Ländern unter Schutz.
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Der Regierungsrat lehnt den von einer Mehrheit der Finanzkommission (FiKo) vorgeschlagenen Gegenvorschlag zur kantonalen Volksinitiative «Für einen Kanton Bern mit regulierbarem Grossraubtierbestand» ab. Mit dem Gegenvorschlag soll der Kanton unter anderem die Möglichkeit erhalten, Wölfe zu sterilisieren, anstatt sie abzuschiessen
Bis 90’000 Franken pro Wolf
Die Regierung begründet seine Ablehnung mit dem geringen Handlungsspielraum. «Der Gegenvorschlag hätte faktisch keine Auswirkungen auf den Vollzug im Kanton Bern, da der Kanton kaum Handlungsspielraum bei der Beschränkung und Regulierung des Bestands von Grossraubtieren hat», heisst es in einer Mitteilung. Diese Kompetenzen lägen beim Bund.
Initiative
In der Berner Kantonsverfassung soll festgeschrieben werden, dass der Kanton Vorschriften zum Schutz vor Grossraubtieren erlässt und sich um die Bestandesregulierung kümmert. Zudem soll die Förderung des Grossraubtier-Bestandes ausdrücklich verboten werden. Zu den Grossraubtieren zählen Luchs, Wolf, Bär und Goldschakal. Lanciert wurde die Initiative Anfang Oktober 2022 von der bernischen «Vereinigung zum Schutz von Wild- und Nutztieren vor Grossraubtieren». Nationalrat Thomas Knutti (SVP) ist deren Präsident. Für die Initiative wurden über 20’000 Unterschriften gesammelt.
Mit der gleichen Argumentation lehnt der Regierungsrat auch die Initiative selbst ab. Die vorgeschlagene Sterilisierung lehnt der Regierungsrat wegen medizinischen Risiken für die Tiere, aber auch wegen des grossen finanziellen und personellen Aufwands ab. «Für eine Sterilisation der Tiere müssen diese vorgängig betäubt werden», heisst es weiter. Das setze voraus, dass man sich dem Tier bis auf eine Distanz von rund 30 bis 40 Meter nähern könne. «Das ist bei Wölfen aber äusserst schwierig und zeitaufwendig», schreibt die Regierung. Er setzt zum einem Vergleich: Für einen Abschuss muss auf 200 bis 300 Meter annähern. Die kantonale Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion geht von Kosten für den Fang und die operative Sterilisation eines weiblichen Wolfs von rund 65’000 bis 90’000 Franken pro Fall aus.
Senkt Schäden an Nutztieren nicht
Die Berner Regierung erachtet die Sterilisation «überhaupt kein geeignetes Mittel» zur Populationskontrolle. Gemäss Berechnungen des Kantons müssten über 90 Prozent einer Population gefangen werden. «Das ist wegen des ausgeprägten Wanderverhaltens der Tiere und der gleichzeitigen Beschränkung der Massnahme auf den Kanton Bern gar nicht möglich ist», so der Regierungsrat weiter. Eine Sterilisation sei zudem kein geeignetes Mittel, um kurz oder mittelfristig Schäden an Nutztieren zu verhindern. «Die Sterilisation erweist sich als ungeeignete und damit unverhältnismässige Massnahme zur Bestandeskontrolle und Schadensprävention», hält die Regierung fest.
Gegenvorschlag
Die Finanzkommission des bernischen Grossen Rates will der Volksinitiative für einen «regulierbaren Grossraubtierbestand» einen Gegenvorschlag gegenüberstellen. Anstatt Problemwölfe abzuschiessen, soll als Alternative eine Sterilisation geprüft werden. Dies sei ein kurzer, unproblematischer Eingriff, der das soziale Gefüge im Rudel intakt lasse. Die Massnahme könne erfolgreich sein, weil weniger Jungtiere geboren würden, und so der Bestand ohne Abschüsse besser reguliert werden könnte, heisst es vonseiten der Kommissionsmehrheit. Der Kanton Bern soll in Zusammenarbeit mit dem Bund ein Pilotprojekt starten.
Das Tierschutzgesetz schütze die Würde alle Tiere. Für die Wildtiere heisst das, dass sie die Recht haben, so natürlich wie möglich zu leben. Dies gelte besonders für die Fortpflanzung. Das sein ein zentrales Element im Leben der Wildtiere, denn ein grosser Teil ihres Jahreszyklus drehe sich darum. Die flächendeckende Sterilisation von Wölfen steht deshalb aus Sicht des Regierungsrats im klaren Widerspruch zu diesen grundlegenden ethischen Prinzipien und damit der Tierschutzgesetzgebung. «Die im Gegenvorschlag vorgesehene Bestimmung ist bereits aus diesen Gründen als widerrechtlich abzulehnen», so der Regierungsrat weiter.
Noch kein Wolfsrudel im Kanton Bern
Das Ziel einer Schadensverminderung durch den Wolf kann mit Herdenschutzmassnahmen und gezielten Abschüssen besser, tierethischer und ressourcenschonender erreicht werden, wie die Regierung weiter schrieb.
Sowieso hätte der Gegenvorschlag genau wie die Initiative kaum Auswirkungen auf den Vollzug im Kanton Bern. Denn die Kompetenzen bei der Regulierung des Bestands von Grossraubtieren lägen beim Bund. Gemäss dem Regierungsrat gibt es bis heute im Kanton Bern kein Wolfsrudel, sondern lediglich Einzeltiere.