Andreas Baumann ist Präsident des Initiativkomitees zum Schutz der Kuhglocken. An der letzten Gemeindeversammlung vermochte er zu überzeugen. Rund 170 Einwohnerinnen und Einwohner haben sich auf seine Seite gestellt. Es sei verdienter Lohn, habe er sich doch mit seinen Verbündeten monatelang auf diese Gemeindeversammlung vorbereitet, berichtet die «Basler Zeitung».
Auslöser für dies Abstimmung, bei der sich nur eine Handvoll Personen gegen das Glockengeläut ausgesprochen haben, war eine Klage seitens der Anwohner. Mehrere Bürgerinnen und Bürgern hätten sich daran gestört, dass in der Nähe ihrer Wohnungen das Geläut von Kuhglocken zu hören war, vor allem auch nachts.
Gemeinde solle Klagen verbieten
Die Einwohnern hätten dann die Behörden eingeschaltet und Klage eingereicht. Das löste wiederum eine Reaktion jener Bewohner aus, die sich für die Kuhglocken stark machen wollten. 1099 Unterschriften habe das Pro-Kuhglocken-Komitee in kurzer Zeit gesammelt, ein Drittel der Stimmberechtigten der Gemeinde, so die «Basler Zeitung» weiter. Eine ausserordentliche Generalversammlung soll nun eine definitive Entscheidung herbeiführen. Das Komitee wolle Klagen gegen Kuhglocken verbieten, wie auch gegen das Geläut von Kirchenglocken.
Andreas Baumann arbeitet als Neurologe und stamme ursprünglich aus der Ostschweiz. Der Bauernsohn scheint die Tradition im Blut zu haben, die er in Aarwangen verteidigen will. Für ihn scheint es um mehr zu gehen als nur um Lärmbelästigung, die von offizieller Seite übrigens bestätigt wurde. Er wolle eine gelebte Tradition, eine ländliche Schweiz, einen bäuerlichen Kontext verteidigen, lässt sich der «Basler Zeitung» entnehmen.
Die Gemeindeversammlung scheint von seinem Votum überzeugt worden zu sein und unterstützte seine Bemühungen mit nur vier Gegenstimmen fast einstimmig. Das alles berührt mich wirklich sehr», sagt der Neurologe. Ihm würde es darum gehen, dass mit einem Verbot der Kuhglocken sein Gerechtigkeitsempfinden erheblich gestört wurde. Die Gemeinde nördlich von Langenthal zählt rund 5'000 Einwohner und ist längst von einem Bauerndorf zu einer Agglomerationsgemeinde geworden.
Die Glockeninitiative in Aarwangen scheint von einem grossen Teil der Bevölkerung getragen. Hier bei der Übergabe der Unterschriftensammlung im Sommer 2023. Rechts die Kühe mit den Glocken.
Thomas Peter
Wie alles begann
Im Sommer 2022 stritten sich mehrere Anwohner einer Kuhweide mit einem alteingesessenen Bauern. Vor allem nachts seien die Kuhglocken zu laut gewesen und sie baten den Bauern darum, doch wenigsten nachts auf die Glocken zu verzichten.
Am 15. November 2022 sei dann bei der Gemeinde Aarwangen eine Lärmklage eingegangen. Baumann hätte sich mit dem Bauern zusammengetan, um etwas gegen die Klage zu tun. Das diese Reaktion auf eine so breite Unterstützung in der Bevölkerung führen würde, hätte Baumann und sein Komitee nie für möglich gehalten. Selbst internationale Medien in England, Kanada und Australien hätten darüber berichtet.
Nicht der erste Glockenstreit
Die Auseinandersetzung zwischen Einwohnern, die um ihren Schlaf besorgt sind, und einem Bauern, der seinen Kühen die Glocken nicht abhängen will, würden die Schweizer Gerichte schon seit Jahrzehnten beschäftigen, führt die «Basler Zeitung» weiter aus. Bereits 1975 hätte sich das Bundesgericht zum «Weidegang mit umgehängten Glocken zur Nachtzeit auf einer Wiese» geäussert.
Ein weitere Urteil fiel im Jahr 2000. Die Urteile liessen den Gemeinden jeweils einen Handlungsspielraum, heisst es im Bericht. Allfällige Verbote sollten höchstens nachts ausgesprochen werden. Immer aber sei von Fall zu Fall zu entscheiden, so die Gerichte.
Auch internationale Medien haben über den Konflikt in Aarwangen berichtet.
Sometimes journalism isn’t too miserable. Swiss village of Aarwangen in ding-dong over challenge to cowbells https://t.co/sXvm6Sv9X4
— Imogen Foulkes (@ImogenFoulkes) November 2, 2023
Gemeinde versuchte zu schlichten
Die Gemeinde Aarwangen hätte sich darum bemüht, den Streit zu schlichten. Dazu hätte sie auch eine polizeiliche Fachstelle für Lärmakustik aufgeboten. Zwei Spezialisten hätten dann von Hand die Glocken geschwungen, um deren Lautstärke zu messen. Ihre Schlussfolgerung war, dass das Glockengeläut als erheblich störend einzustufen sei. Das Geläut dürfe während der Nacht nicht gestattet sein. Die Spezialisten hätten jedoch nur eine Empfehlung ausgesprochen. Der betroffene Bauer hätte zudem den Bericht angefochten, dies jedoch ohne Erfolg.
Von den Klägern sei mittlerweile nur noch eine Partei übrig. Einige hätten sich zurückgezogen, andere seien weggezogen. Die Meinungen in der Nachbarschaft der Kuhweiden seien geteilt, schreibt die «Basler Zeitung». Es gäbe jene, die einfach die Fenster schliessen würden, andere aber klagten an.
Gegenseitige Rücksichtnahme
Auf die Klage angesprochen hätte die junge Klägerin (mit einem Kleinkind im Arm) gesagt, dass sie nichts gegen Kühe, und schon gar nichts gegen die Landwirtschaft habe. Aber sie würde im Parterre leben. Das Schlafzimmer ginge direkt auf die Kuhweide hinaus. «Wenn mehrere Kühe wenige Meter vor unserem Schlafzimmer stehen, kann dies nachts um zwei sehr laut sein», sagt sie. Da müsse es doch eine Lösung geben, fragte sie den Journalisten der «Basler Zeitung» rhetorisch.
Andreas Baumann hat die Lösung schon parat. Für den Streit um Kuhglocken soll ein Reglement erarbeitet werden, das den traditionellen Glockenklang als Kulturgut definieren und ihn also tag und nachts erlauben würde. Er verwies dabei auch auf einen Entscheid unseres Nachbarn. So hätte Paris entschieden, dass Zugezogene nicht mehr gegen Geräusche und Gerüche aus der Landwirtschaft klagen könnten.
In der Bundesverfassung sei die Rede von gegenseitiger Rücksichtnahme. Für Andreas Baumann, der diese Formulierung als Bestätigung seiner Position zu betrachten scheint, dürfte dabei allenfalls die Ansicht der Gegenseite zu wenig berücksichtigen. Eine ausserordentliche Generalversammlung werde zeigen, in welcher Form die Gemeinde diese «gegenseitige Rücksichtnahme» in ihr Reglement aufnehmen werde.
Der «Schweizer Bauer» hat über die Glockeninitiative in Aarwangen berichtet.
Für mich ist das keine Frage des Lärmbelästigung, die Glocken sind oft überdimensioniert und unnötige Tierquälerei! Mrin Nachbar hat auch Kühe ohne Glocken die dind glücklich damit. Kühe auf der Alp hat die Glocke eine Aufgabe, aber auf eingezäunten Weiden seh ich weder Sinn nock Zweck. Das ist Tierquälerei!
Viele haben in der heutigen Zeit , keine Ahnung mehr ,wie Landleben funktioniert.
Ob Stadt oder Land ,gegenseitige Rücksichtnahme sollte Selbstverständlich sein.
am schluss erwarten alle von uns Ballenberg pur, und meinen das sei moderne Landwirtschaft.