Der Bauer argumentierte im Wesentlichen damit, bei der Schussabgabe in rechtfertigender Notwehr gehandelt zu haben.
Letztes Verteidigungsmittel
Laut dem am Mittwoch veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts müssen jedoch mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, damit Notwehr rechtmässig ist. So muss eine Person angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht werden und die Abwehr muss aufgrund der Umstände als verhältnismässig erscheinen.
Der unvermittelte Schusswaffengebrauch könne grundsätzlich nur das letzte Verteidigungsmittel sein. Im konkreten Fall habe das Eindringen auf den Hof des Verurteilten dessen Hausrecht verletzt. Dies stelle für sich alleine aber noch keine Gefahr für Leib und Leben dar. Eine solche habe zwar beim späteren Angriff durch einen Eindringlich mit der Mistgabel bestanden – indessen nicht mehr bei der darauffolgenden Schussabgabe.
Deckung hinter Hoflader
Die Eindringlinge hatten sich gemäss den Ausführungen der Bundesgerichts zuvor bereits entfernt und bei einem Hoflader Deckung gesucht. Mit der unvermittelten und unkontrollierten Schussabgabe auf die nur wenige Meter entfernten Personen habe der Beschwerdeführer sein Recht auf Notwehr erheblich überschritten.
Zwar sei er im fraglichen Zeitpunkt noch emotional aufgewühlt gewesen. Die beim Mistgabel-Angriff bestehende Notwehrlage sei jedoch beendet gewesen. Das Bundesgericht hat auch die weiteren Einwände des Mannes gegen seine Verurteilung und die vorinstanzliche Strafzumessung abgewiesen.
Das Berner Obergericht hatte ihn der versuchten schweren Körperverletzung – begangen im Notwehrexzess, der Freiheitsberaubung, der mehrfachen einfachen Körperverletzung, der Nötigung, der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und der mehrfacher Widerhandlung gegen das Waffengesetz für schuldig befunden.
In Rübenkeller gesperrt
In der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober 2016 drang eine Personengruppe auf den Bauernhof in Niedermuhlern BE ein, wo der Landwirt Hanf beziehungsweise Marihuana anbaute. Dieser versuchte mit Helfern die Eindringlinge zu vertreiben. Einen der Flüchtenden brachte er zu Fall, fesselte ihn mit den vorbereiteten Kabelbindern und sperrte ihn in den Rübenkeller.
Als seine Komplizen versuchten, ihn zu befreien, lud der Bauer seine Schusswaffe mit Hasenschrotpatronen und begab sich zur Tenne, wo sich die Eindringlinge befanden. Beim Betreten stach ihm eine Person schwungvoll mit einer Mistgabel in die Hand. Zwei Zinken durchbohrten dabei die Handfläche. Als die Eindringlinge die Waffe bemerkten, ergriffen sie die Flucht und suchten bei einem Hoflader Deckung.
Einige Sekunden später gab der Landwirt einen unkontrollierten Schuss in deren Richtung ab. Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte den Landwirt 2020 wegen versuchter schwerer Körperverletzung, Betäubungsmitteldelikten und weiterer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von 46 Monaten, einer Geldstrafe von 270 Tagessätzen und einer Busse.
(Urteil 7B_13/2021 vom 5.2.2024)