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Sie haben 17 von 25 Kühen verloren

Durch Botulismus, auch Fleischvergiftung genannt, haben Heinz und Annemarie Rufener-Rupp 17 Kühe verloren. Die Herde war das Lebenswerk zweier Generationen. Jetzt fängt die Familie fast wieder von vorne an.

Sibylle Hunziker |

Letzten Herbst melkten Annemarie und Heinz Rufener-Rupp auf ihrem Betrieb in Blumenstein 25 Holstein-Kühe. «Platz hätten wir für 30 Kühe», sagt der Landwirt. «Unser Land würde sogar für noch mehr reichen.»

Mit dem Aufbau der Holstein-Herde haben schon Heinz Rufeners Eltern angefangen, und er hat ihr Lebenswerk zusammen mit seiner Frau fortgeführt, nachdem er vor 23 Jahren den Betrieb übernommen hat. «Uns sind robuste Kühe, die das Futter vom Hof gut verwerten und gesunde Klauen haben, ebenso wichtig wie eine gute Milchleistung.»

Ohne Vorwarnung

Ende Oktober waren die Gusti noch draussen auf der Weide. Die Kühe und Kälber bekamen die übliche Mischung aus siliertem Gras von verschiedenen Wiesen – möglichst ausgeglichene Rationen. Rufeners kontrollierten das Futter wie üblich auf sichtbare Verunreinigungen, die für Tiere schädlich sein könnten. Wie wohl alle Bauern habe man immer auch im Hinterkopf gehabt, dass mit einer einzigen verwesenden Maus genug Botulin für eine Fleischvergiftung entstehen kann, um einen ganzen Tierbestand zu vergiften. Schon bei der Ernte im nassen Sommer hatte man speziell die Gefahr von Verunreinigungen mit Erde im Auge. Die Kontrollen erfolgten aber routinemässig, nicht wegen eines bestimmten Verdachts.

Doch am 28. Oktober bemerkten Rufeners, dass eine ihrer Kühe weniger Milch gab. «Wir massen ihre Temperatur, aber sie hatte kein Fieber», erinnert sich Annemarie Rufener. Der herbeigerufene Tierarzt nahm Pansensaft für Laboruntersuchungen. «Doch anhand der Symptome war er schon vor Ort sicher, dass es eine Botulinvergiftung war», berichtet Heinz Rufener. Der Tierarzt habe gleich noch auf weitere Kühe gedeutet und gesagt: «Die und die und die hat es auch.»

23 Kühe zeigten Vergiftungssymptome

In den nächsten Tagen und Nächten kamen Rufeners nur selten ins Bett. Um das Gift auszuschwemmen, bekamen die Tiere Infusionen, und sie wurden «gedrencht» mit einem Wasserschlauch, der direkt bis in den Magen gelegt wurde. «Die Tiere wollten trinken und fressen», sagt Annemarie Rufener. «Aber das Nervengift lähmt die Zunge, und sie konnten nicht wiederkäuen.»

Das Tenn wurde nach möglichen Quellen der Vergiftung durchsucht, herausgewaschen und die angebrauchten Siloballen entsorgt. «Dank der Hilfe von Schwester, Schwager und Tochter konnten wir die Tiere rund um die Uhr betreuen», erinnern sich Rufeners. «Aber es war eine chaotische Zeit.» Von den 25 Kühen zeigten 23 Vergiftungssymptome. 17 mussten innerhalb von zehn Tagen eingeschläfert werden.

Verunsicherung bleibt

Heute geben die überlebenden Kühe wieder Milch. Einige junge Tiere konnten zugekauft werden. «Aber zwei Monate lang lieferten wir praktisch keine Milch ab», sagt Heinz Rufener. Der Ausfall des Milchgeldes, der Zukauf neuer Tiere und die Tierarztkosten sind nur die grössten Posten der finanziellen Folgen. Und die jungen Tiere werden ihre volle Leistung erst in ein paar Jahren erreichen. Dazu kommt der Verlust des züchterischen Lebenswerks zweier Generationen – und der emotionale Verlust. «Wegen des Melkroboters in unserem Freilaufstall haben unsere Kühe zwar Nummern», sagt Annemarie Rufener. «Aber für uns haben sie auch Namen.»

«Am schlimmsten ist jetzt die Ungewissheit», sagt Heinz Rufener. Denn die Ursache für die Vergiftung, deren erste Symptome erst innert ein bis zwei Tagen auftreten, wurde nicht gefunden. Das Quellwasser für den Brunnen ist gemäss Untersuchung eines Lebensmitteltechnologen einwandfrei. «Für Untersuchungen speziell auf das Botulin gibt es aber in der Schweiz kein Labor.» Eine Probe des Mineralstoffzusatzes, den die Kühe bekommen, liess Heinz Rufener in einem deutschen Labor untersuchen – sie war in Ordnung.

Der Landwirt bedauert, dass er keine Futterproben präventiv in der Schweiz untersuchen lassen kann. «So haben wir jetzt bei jedem neuen Siloballen ein mulmiges Gefühl.» Im Moment prüfen sie, ob sie die Tiere gegen Botulismus impfen lassen – und auch gegen die Blauzungenkrankheit, weil sie nun Tiere zukaufen müssen.

Enorme Solidarität

Mit seinen Versicherungen ist Heinz Rufener bis jetzt zufrieden. «Aber sie decken nur einen kleinen Teil ab. Und den ganzen administrativen Aufwand hätten wir neben dem Chaos der ersten Tage nie alleine stemmen können.» Weil er damals nicht wusste, wo anfangen, habe er sich an den Berner Bauernverband (BEBV) gewandt. «Präsident Jürg Iseli und Leana Waber von der Geschäftsführung waren innert 24 Stunden da und unterstützen uns seither.» Bernhard Brügger, Präsident der Bauernvereinigung Thun und Mitglied des Grossen Vorstands des BEBV, organisierte aus dem Stand eine Spendenaktion – mit enormem Echo.

Und auch der Bekannten- und Freundeskreis leistet tatkräftig Hilfe. Wegen dieser Erfahrungen erzählten Rufeners ihre Geschichte dem «Schweizer Bauer». «Es ist zwar wichtig, dass jeder Bauer überprüft, ob er dieses seltene, aber schwere Risiko in seiner Versicherung abgedeckt hat», sagt Heinz Rufener. Vor allem aber ist seine Familie dankbar für die überwältigende Hilfsbereitschaft und Solidarität, die sie erfährt. «Und dann will ich allen sagen: Zahlt eure Beiträge bei den Bauernverbänden. Denn wenn man in eine solche Situation gerät, braucht man Hilfe von Leuten, die wissen, worum es geht.»

Impfen ist sicherer als testen

Präventive Tests von Lebens- und Futtermitteln auf Botulinum werden in der Schweiz nicht gemacht. Das Labor Miprolab in Göttingen (D), mit dem auch das Berner Tierspital zusammenarbeitet, ist als eines von wenigen im deutschen Sprachraum auf Botulismus spezialisiert und untersucht unter anderem Futterproben auf Botulinumtoxine. Allerdings werden nach Auskunft von Miprolab-Geschäftsführer Frank Gessler vor allem Kraftfuttermischungen untersucht, wo die einzelnen Chargen relativ homogen sind. Bei Siloballen könnte hingegen ein einzelner Ballen durch einen Tierkadaver vergiftet sein.

Oder mehrere Ballen könnten durch Erde verschmutzt und durch eine ungünstige Gärung unterschiedlich stark betroffen sein. Sichere Aussagen wären bei solch inhomogenen Futtermitteln nur mit mehreren Tests möglich, erklärt Gessler, der auch an der Universität Göttingen über Botulismus lehrt. Und diese Tests sind nicht billig. Er empfiehlt deshalb betroffenen Betrieben eher eine Impfung. Auch Michèle Bodmer, Leiterin der Wiederkäuerklinik am Tierspital der Universität Bern, weist darauf hin, dass eine Impfung gegen die häufigsten Botulinumgifte-Typen C und D sehr wirksam ist. Das Immunsystem der Tiere braucht vier Wochen, um den Impfschutz aufzubauen, der dann während ein bis zwei Jahren Erkrankungen verhindert.

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