Die Bevölkerung in der Stadt Bern nimmt stetig zu. Derzeit leben rund 145'000 Einwohner auf dem Gemeindegebiet. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung lebt in sehr urban geprägt Quartieren. Doch die Stadt verfügt auch über einen sehr ländlichen Teil. Dieser befindet sich im Westen.
Landwirtschaft in der Stadt Bern
Auf dem Gemeindegebiet gab es 2022 insgesamt 38 Bauernhöfe. Zum Vergleich: 1990 waren es noch 83, im Jahr 2000 noch 66. Zehn Jahre später sank der Zahl auf 42 Höfe. Der Strukturwandel zeigt sich auch bei der bewirtschafteten Fläche. Das Wachstum der Stadt zeigt sich auch in der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN). Lag diese im Jahr 1990 noch 1’118 ha, so sank die Fläche im Jahr 2000 auf 1’072 Hektaren. Ein grosser Flächenverlust stellte sich in den Jahren danach ein. 2010 wurden noch auf 969 Hektaren gebauert, 2022 waren es nur noch 876 Hektaren (432 ha offene Ackerfläche, 434 ha ha Grünfläche und 10 ha übrige). In 30 Jahren nahm die LN um 242 Hektaren ab.
Rot-Grün hat das Sagen
In Oberbottigen und Riedbach ist die Stadt weit weg. Neben Einfamilienhäusern und einigen Neubauten prägen Landwirtschaftsbetriebe das Landschaftsbild. In der Stadt Bern hat aber Rot-Grün das Sagen. Und das seit 30 Jahren. Bern gilt als die linkste Stadt der Schweiz. Nun sorgt eine Motion der SP-Stadträte Katharina Altas und Timur Akçasayar für Aufregung im beschaulichen Berner Westen. Die beiden Parlamentarier wollen bei den Landwirtschaftsbetrieben, die sich im Besitz der Stadt Bern befinden, die betriebliche Ausrichtung ändern. Die Forderungen lauten:
- alle im Besitz der Stadt befindlichen Landwirtschaftsbetriebe und -flächen sollen auf biologische Landwirtschaft gemäss Knospe-Richtlinien umgestellt werden.
- die verpachteten Landwirtschaftsflächen und -betriebe sollen bei der Erneuerung der Pacht oder nach Ende der Laufzeit des Pachtvertrages ebenfalls auf bio umgestellt werden.
- Zudem soll der Gemeinderat Anreize schaffen, damit jene Landwirtschaftsbetriebe, die nicht im Besitz der Stadt Bern sind, auf die Knospe-Richtlinien umstellen.
Insgesamt besitzt die Stadt Bern fünf Landwirtschaftsbetriebe. Zwei Betriebe sind im Baurecht abgegeben, hier kann die Stadt Bern keinen Einfluss auf die Ausrichtung vornehmen. Mehr Möglichkeiten hat die Gemeinde bei den drei anderen Betrieben. Ein Hof erfüllt bereits die Vorgabe der Motion, dieser bauert nach den Knospe-Richtlinien. Der Hof in der Elfenau, wo die Stadt bald einen neuen Pächter bekanntgegeben wird, wird seit diesem Jahr umgestellt.
Landwirt widerspricht Gemeinderat
Übrig bleibt noch der Betrieb von Simon Zehnder in Oberbottigen. Hier will der Gemeinderat den Motionären entgegenkommen. So heisst es in der Antwort: «Der Gemeinderat ist bereit, den Betrieb Zehnder auf Bio umzustellen.» Die Stadtregierung schreibt weiter, sie habe mit dem Landwirt gesprochen. So schreibt der Gemeinderat: «Ein Austausch mit Landwirt Zehnder bezüglich Bio-Produktion fand bereits statt. Herr Zehnder zeigte sich grundsätzlich interessiert.»
Diese Aussage macht Landwirt Simon Zehnder hässig. «Ich bin dagegen, den Betrieb umzustellen», sagt er zur Zeitung «Der Bund». Die Familie würde nur auf Bio umstellen, damit sie den Hof nicht verlieren würde. Eine Umstellung sei zwar zuweilen ein Thema gewesen, konkret sei es aber nicht nie geworden.
60 Milchkühe
Der Junglandwirt hat den Betrieb Anfang 2023 von den Eltern übernommen. Zehnder bewirtschaftet den Milchwirtschaftsbetrieb nach den Richtlinien von IP-Suisse. 2016 wurde ein neuer Laufstall für 60 Milchkühe gebaut. Die Milch seiner Red-Holstein-Kühe liefert er an das Emmi-Werk in Ostermundigen BE.
Den 27-Jährigen stört es, dass ihm die linke Stadt die Knospe aufzwingen will. Er wünscht sich ein besseres Verständnis zwischen Stadt und Land. «Bauern ist nicht unser Hobby. Wir sind ein produzierender Landwirtschaftsbetrieb», sagt er zur Zeitung. Die Kosten für die Umstellung auf Bio veranschlagt der Gemeinderat auf 100’000 bis 150 000 Franken. «Darin enthalten sind die Anschaffung von neuen Maschinen und Geräten, die Anpassungen für die Milchproduktion in Gebäuden und ein schrittweiser Wechsel der bestehenden Rasse», heisst es in der Antwort in der Motion.
Weniger Pachtzins während Umstellung
Der Gemeinderat will dem Junglandwirt während der Umstellung beim Pachtzins entgegenkommen. Für Zehnder ist das keine Option. «Dann unterstützt man mich, der nicht umstellen will. Aber mein Nachbar, der vielleicht umstellen möchte, wird nicht unterstützt?», sagt er zum «Der Bund».
Die beiden Motionäre sagen gegenüber der Zeitung, dass es auch Städterinnen und Städter gebe, die über eine gewisse Kompetenz in Sachen Landwirtschaft verfügten. Das hört sich in ihrem Vorstoss wie folgt an: «Die Herausforderungen bezüglich der Umweltbelastung durch konventionelle Landwirtschaft (Pestizideinsatz, Belastung der Gewässer, Verlust von Biodiversität, Verlust der Bodenfruchtbarkeit, die Belastung des Klimas durch die Landwirtschaft, die nicht artgerechte Nutztierhaltung, die Futtermittelimporte etc.) kann durch den Biolandbau gelöst werden.»
«Vorstoss nicht zielführend»
Der Biolandbau sei eine standortgerechte Produktionsform in Bezug auf Tierbestand und Pflanzenwahl. «Der Biolandbau berücksichtigt die natürlichen Kreisläufe und Prozesse», heisst es weiter.
Kein Verständnis für den Vorstoss hat der Präsident des Berner Bauernverbandes. «Wenn man den Betriebsführer dazu nötigt, auf Bio umzustellen, damit er die Pacht behalten kann, dann ist das nicht zielführend», sagt Jürg Iseli.
Motionär Timur Akçasayar sagt, dass es ihm und der SP wichtig sei, dass eine Umstellung im Dialog stattfinde. Die Situation des Betriebes müsse mitberücksichtigt werden. Ob dem so ist, wird sich am Donnerstagabend weisen. Das Parlament wird über die Motion befinden. Die Chancen auf eine Annahme sind aber als sehr hoch einzustufen.
Stadtrat stimmt Motion teilweise zu
Am 10. November hat der Stadtrat Punkt 1 der Motion als Richtlinie (51 Ja, 11 Nein, 0 Enthalten) als erheblich zugestimmt. Wird eine Motion mit Richtliniencharakter (Art. 60 Geschäftsreglement des Stadtrats von Bern) erheblich erklärt, hat ihr der Gemeinderat innert zwei Jahren schriftlich zu begründen, inwieweit er ihr folgen will.
Den Punkt 2 (Pachtland nach Vertragsende auf Bio umstellen) haben die Motionäre zurückgezogen. Punkt 3 der Motion wurde in ein Postulat umgewandelt. Diesem stimmte der Stadtrat mit 42 Ja, 22 Nein bei keiner Enthaltung zu. Das Postulat wurde als erheblich erklärt. Erheblich erklärte Postulate (Art. 62) gehen zum Bericht an den Gemeinderat, der dem Stadtrat innerhalb eines Jahres über die Resultate der Prüfung schriftlich Bericht zu erstatten und allenfalls Antrag zu stellen oder ihm einen begründeten Antrag auf Erstrecken der Frist zu stellen hat.
Gemeinderat: Ablehnung der Punkte 2 und 3
Im Gegensatz zu Punkt 1 lehnt der Gemeinderat der Stadt Bern die Punkte 2 und 3 der Motion ab. Die gepachteten Flächen würden den privaten Landwirtschaftsbetrieben das mittel- und langfristige Überleben sichern. «Da es nicht möglich ist, einzelne Parzellen nach Bio-Richtlinien zu bewirtschaften, sondern eine Umstellung eines ganzen Betriebs erfolgen muss, ist eine Verpachtung von Einzelparzellen mit Auflagen nicht praktikabel», schreibt der Gemeinderat zu Punkt 2.
Die Stadtregierung hält fest, dass sie keine Anreize schaffen kann, dass Betriebe auf Gemeindegebiet auf Bio umstellen. Hier seien Bund und Kanton zuständig.
Der Pächter hat sich anzupassen, frei nach dem Spruch: Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing....
Man stelle sich vor,Bern würde recht's Bürgerlich regiert und ein Bio Betrieb müsste auf IP umstellen...