Der Alpaufzug ist einer der Höhepunkte an der Sichlete.
Anja Tschannen
Einmal im Jahr, mitten in der Herbstsession, verwandelt sich der Bundesplatz in Bern in einen grossen Marktplatz. Die sogenannte Sichlete ist ein traditionelles Erntedankfest, organisiert vom Berner Bauernverband (BBV).
Claudia Bernhard, verantwortlich für das zentrale Management des BBV, betont: «Es ist ein Anlass, der Tradition hat.» Seit 20 Jahren plant sie den Event – und in dieser Zeit hat sich einiges verändert. Die Auflagen der Stadt wurden immer anspruchsvoller, und die Zahl der Marktstände ist deutlich gesunken: von einst 30 auf heute noch rund 11.
Manches ist jedoch gleichgeblieben, etwa die Alpauf- und -abfahrt, der Höhepunkt der Sichlete. «Wenn die Kühe die Gasse Richtung Bundesplatz hinaufkommen, das ist wirklich der Hammer», sagt Bernhard. Dass dies mitten in der Stadt und sogar während der Session möglich sei, findet sie eigentlich fast unvorstellbar. «Viele Touristen können das fast nicht verstehen, dass man vor dem Parlamentsgebäude einen solchen Anlass durchführen kann», fügt sie lachend an.
Die zwölf Kühe, die auf den Bundesplatz ziehen, gehören der Familie Schweizer aus Utzigen. «Wir sind zum sechsten Mal dabei», erzählt Landwirt Markus Schweizer. Für ihn ist die Teilnahme «einer der schönsten Tage im Herbst». Sein Milchwirtschaftsbetrieb umfasst 25 Hektaren Land und 30 Tiere, die mehrheitlich der Rasse Swiss Fleckvieh angehören.
An der Sichlete bringen Produzentinnen und Produzenten aus dem ganzen Kanton Bern Tiere, Produkte und Brauchtum mitten in die Stadt. Damit schaffen sie einen direkten Austausch zwischen Land- und Stadtbevölkerung. «In einer Zeit, die nicht hektischer sein könnte, als sie jetzt ist. In einer Zeit, in der die Versorgungssicherheit am einten oder anderen Ort tangiert werden kann und nicht mehr garantiert ist, ist es wichtig, dass die Bauern hierherkommen», betont BBV-Präsident Jürg Iseli.
Auch Claudia Bernhard unterstreicht den Zweck des Anlasses: «Wir zeigen den Leuten, was wir während dem ganzen Jahr produziert haben. Wir sagen auch Danke, dass sie unsere Regionalprodukte konsumieren.»
Das Sonderthema der diesjährigen Sichlete lautete «Chabis und Rüebli». Unter diesem Motto soll regionales und saisonales Einkaufen gefördert werden – sei es auf dem Markt oder im Laden. «Jeder soll sich informieren, was er kauft», sagt Katja Riem, Präsidentin der Gemüseproduzenten-Vereinigung Bern-Freiburg (GVBF).