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«Investitionen zeigen Zukunftstauglichkeit»

Dem Bauernstand im Baselbiet wurde von einer grösseren Tageszeitung ein «langsamer Tod» vorausgesagt. Weniger dramatisch sieht es Lukas Kilcher, Ebenrain-Leiter und designierter Agridea-Direktor. In einem Interview gibt er zu verstehen, welche Faktoren er für den Rückgang der Bauernbetriebe verantwortlich sieht. Die Zukunft der Bauern sieht er optimistisch. 

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Auch im Baselbiet ist letztes Jahr die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe zurückgegangen. Die beiden Basel zählten per Ende 2022 noch 894 Betriebe. Seit 1996 hat sich diese Zahl um 388 Höfe reduziert, also um über 30%.

Elmar Gächter, freier Mitarbeiter beim «Schweizer Bauer», hat Lukas Kilcher in einem Gespräch nach den Gründen für diesen Rückgang befragt. Auch wollte der «Schweizer Bauer» von Kilcher wissen, wie es um die Zukunft des Bauernstands steht.

«Schweizer Bauer»: Im Regionalteil einer grösseren Tageszeitung war kürzlich zu lesen, dass die schwindende Zahl der Bauernhöfe zu «einem langsamen Tod des Bauernstands im Baselbiet» führe. Wie dramatisch ist die Situation?

Lukas Kilcher: Der Bauernstand stirbt nicht, denn Landwirtschaft hat Zukunft. Bäuerinnen und Bauern produzieren unsere Lebensmittel, pflegen die Landschaft und die Biodiversität. Veränderungen bedeuten nicht den Tod einer Branche.

Tatsache ist jedoch, dass es immer weniger landwirtschaftliche Betriebe gibt.

Dies schleckt keine Kuh weg. Doch diese Entwicklung passiert in fast allen Branchen. Wir haben es mit einem Strukturwandel zu tun, der bereits vor mehr als hundert Jahren eingesetzt hat. Es fanden schrittweise Technologieschübe statt, angefangen vom Ersatz der Pferde und Ochsen durch Motoren bis zu heutigen GPS-gesteuerten Jätrobotern.

Gibt es noch mehr Gründe?

Parallel zu diesem technischen Fortschritt bewegt sich die Landwirtschaft laufend hin zu grösseren Betriebseinheiten. Diese ermöglichen sogenannte Economies of Scale, also Skaleneffekte, um die Lebensmittel kostengünstiger zu produzieren. Davon profitieren seit Jahrzehnten vor allem auch die Konsumentinnen und Konsumenten mit Lebensmittelpreisen, die viel weniger stark gestiegen sind als die langjährige Inflation.

Leiden unter diesem Trend nicht in erster Linie die kleinen Betriebe, und sind sie deshalb vom Rückgang besonders betroffen?

Für Landwirtschaftsbetriebe gibt es zwei Wachstumsstrategien: mehr Fläche oder intensivieren. Kleinere Betriebe erreichen wie überall auch im Baselbiet nicht die kritische Grösse, um in neue, teure Technologien investieren zu können. Sie können daher nicht von Skaleneffekten profitieren. Daher gehen diese Betriebe am meisten zurück.

Welche negativen Konsequenzen sehen Sie, wenn Betriebe ihre Existenz aufgeben?

Mit jeder Familie, die ihren Hof aufgibt, verschwindet ein Stück ländliche Kultur. Dies führt zu einem Verlust an bäuerlicher Gemeinschaft und an bäuerlicher Identität, was ich sehr bedaure.

Könnte die öffentliche Hand diesen Betrieben nicht zusätzlich unter die Arme greifen?

Die Agrarpolitik unterstützt mit Direktzahlungen unter anderem eine nachhaltige Landbewirtschaftung, engagiert sich für das Tierwohl und gleicht Nachteile wie steile Hanglagen aus. Kleinbetriebe unter 0,2 einer Standardarbeitskraft erhalten keine Beiträge. Zudem müssen Betriebsleitende auch eine minimale berufliche Grundbildung aufweisen. Der Bund will also keine Hobbybetriebe fördern und verhindert einen gewissen Strukturwandel nicht.

Vom Konsumentenfranken erhalten die Landwirtinnen und Landwirte immer weniger, Handel und Lebensmittverteiler immer mehr.

Lukas Kilcher, Leiter des Ebenrain-Zentrums für Landwirtschaft, Natur und Ernährung

Die Statistik zeigt, dass die landwirtschaftlich genutzte Fläche im Baselbiet seit 1996 mit einem Minus von 4,4% nur geringfügig zurückgegangen ist. Was bedeutet dies aus Ihrer Sicht?

Hinter dieser vermeintlich kleinen Zahl steckt ein viel grösseres Problem als der Rückgang der Betriebe: Denn einmal versiegeltes Kulturland ist für die Landwirtschaft für immer verloren. Ob das Land von kleineren oder grösseren Betrieben bewirtschaftet wird, ist weniger dramatisch. Jedes Jahr gehen für die Schweizer Landwirtschaft 3355 Hektaren Landwirtschaftsland durch Versiegelung oder Verwaldung verloren. Wir müssen zu unserem Kulturland dringend mehr Sorge tragen.

Im Gegensatz zu den konventionell bewirtschafteten Betrieben hat sich der Anteil der Biobetriebe erhöht und liegt mit 19% über dem gesamtschweizerischen Durchschnitt.

Ein wichtiger Treiber ist das wachsende Bewusstsein für nachhaltige Ernährung der Bevölkerung in Stadt und Land. Auch in der Region wirkende Pioniere tragen zu einer grösseren Sensibilisierung bei, so zahlreiche Biopionierbetriebe, das FiBL, welches lange in Oberwil zuhause war, die in Basel ansässige Bio Suisse und nicht zuletzt der Ebenrain, der seinen Gutsbetrieb 1971 als Erster in Europa auf Bio umgestellt hat.

Was für Voraussetzungen braucht es Ihrer Meinung nach, damit der Bauernstand positiv in die Zukunft blicken kann?

Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, dass die landwirtschaftlichen Produkte einen gerechten Preis erzielen. Vom Konsumentenfranken erhalten die Landwirtinnen und Landwirte immer weniger, Handel und Lebensmittverteiler immer mehr. Wir müssen für faire Handelsbeziehungen zwischen den Bauernbetrieben und ihren Abnehmern sorgen. Es braucht zudem smarte und nachhaltige Technologien und eine Besinnung auf regionale Wirtschaftskreisläufe. Das erfordert eine ständige Bereitschaft, in zukunftstaugliche Technologien, faire Handelsbeziehungen und Fachwissen zu investieren. Ob und wie die Betriebe investieren, ist der wichtigste Gradmesser für die Zukunftstauglichkeit der Landwirtschaft.

Was kann der Ebenrain dazu beitragen?

Unsere Aufgabe ist es, neben anderen, für eine nachhaltige Landwirtschaft zu sorgen über Bildung, Beratung und Vollzug der Agrarpolitik. Dem Ebenrain geht es dabei immer darum, Landwirtschaftsbetriebe darin zu unterstützen, dass sie laufend in nachhaltige Technik und in dazugehörendes Fachwissen investieren können, sei es über Bildung, Investitionshilfen, Direktzahlungen oder spezielle Förderprogramme. Wir entwickeln und testen auch lokal angepasste Techniken, zum Beispiel für eine klimafreundliche Landwirtschaft. Wir zeigen welch grosse Bedeutung die Landwirtschaft für eine vielfältige Landschaft und damit für die Lebensqualität aller hat.

Zur Person

Der 60-jährige ETH-Agraringenieur Lukas Kilcher leitet seit 2013 das Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung in Sissach BL. Am 6. Juli hat ihn der Vorstand von Agridea, der Wissens- und Innovationsplattform für die schweizerische Land- und Ernährungswirtschaft, zum neuen Direktor ernannt. Er wird seine neue Stelle am 1. Januar 2024 antreten. 

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