Der Biohof Grossegg ist der höchstgelegene, ganzjährig bewirtschaftete Landwirtschaftsbetrieb im Kanton Zürich auf etwa 1'000 Meter ü.M. Die Bewirtschafter Tamara und Jörg Stoller sind über Umwege zur Landwirtschaft gekommen.
Tamara machte die Lehre zur Landwirtin und Jörg arbeitete als Arbeitsagoge, als sie sich im Jahre 2003 in einer Hofgemeinschaft einer sozialen Einrichtung kennenlernten. Sie heirateten und arbeiteten gemeinsam auf verschiedenen Landwirtschaftsbetrieben. Seit 2021 führen sie selbständig den Biohof auf der Grossegg im Zürcher Oberland.
Hinterwälder-Kühe
Der Stall scheint der Mittelpunkt des Hofes zu sein. Zwei ausgediente Ledersessel im Stallgang zeugen davon, dass Tamara und Jörg Stoller hier nicht nur arbeiten, sondern gerne bei ihren Tieren sind.
Im Stall ist gerade nicht viel los. Die Pfauenziegen halten sich mehrheitlich draussen im sonnenbeschienenen Auslauf auf. Die Kühe dösen an diesem Wintertag mit ihren Kälbern auf einem Tiefstreubett. Es sind Hinterwälder, die kleinste Kuhrasse Europas.
Die Hinterwälder passen prima zum Bergbetrieb, denn sie seien leicht und stellten keine grossen Ansprüche an das Futter, erklärt Jörg. Von Mai bis Oktober sind sie den ganzen Tag auf der Weide. Der vorherige Pächter hat die Hinterwälder Kühe anfangs gemolken, aber nach dem Bau des Freilaufstalles auf Mutterkuhhaltung umgestellt.

Im Winter geniessen die Hinterwälder-Kühe die Sonne auf dem Auslaufbalkon.
lid/Michael Götz
Ziegen brauchen einen strukturierten Stall
Kiwi ist die Chefin der Pfauenziegen und verlangt besondere Aufmerksamkeit. Auch wenn Geissen gerne schmeicheln, können sie untereinander sehr streitlustig werden. Deswegen gilt es, den Stall so einrichten, dass die Geissen einander gut ausweichen und geschützte Plätze aufsuchen können, erklärt Jörg.
Er hat Bretter an den Wänden montiert, auf denen die Tiere ruhen können, ohne von anderen gestört zu werden. «Rundläufe sind wichtig, damit kein Tier in die Enge getrieben wird», betonen die beiden Geissenfreunde. Entlang der Futterkrippe befindet sich ein Fressgitter zum Einsperren der Tiere, damit jedes in Ruhe fressen kann.
Gitzis gibt es jetzt anfangs Februar keine in der Herde. Sie kommen erst im März zur Welt. Den Sommer verbringen sie mit ihren Müttern auf einer Alp im Averstal in Graubünden. Nach ihrer Rückkehr zur Grossegg kommen sie auf die Herbstweide und werden dann geschlachtet. Da die Kuh- und die Ziegenherden mit je etwa 9 Muttertieren klein sind, mieten die Tierhalter den Stier bzw. den Bock zur Deckzeit aus. Auf diese Art lässt sich Inzucht vermeiden.

Tamara und Jörg Stoller bei den Ziegen.
lid/Michael Götz
«Unser Ziel ist eine Kreislaufwirtschaft»
Tamara und Jörg sind Pächter des Hofes. Eigentümer ist das Immobilienamt des Kantons Zürich. Zum Hof gehören 23 ha Grünland. Über 60% der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind Ökowiesen mit hoher botanischer Qualität. Die meisten werden nur einmal pro Jahr gemäht.
Die im Stall anfallende Gülle setzen die Bergbauern gezielt auf tiefer gelegenen Wiesen ein. Die ca. 90 Hochstammbäume liefern Äpfel und Birnen, welche Stollers zu Most verarbeiten.
«Unser Ziel ist eine Kreislaufwirtschaft», erklären die beiden Pächter. Sie kaufen keinen Dünger zu, sondern bringen den Dung ihrer Tiere auf die Felder zurück, indem sie den Mist in Kompostmieten zu organischem Dünger aufbereiten. Das Einkommen des Betriebes besteht aus den Einnahmen für den Verkauf des Fleisches, der Eier und der Kräuter sowie aus den Direktzahlungen. Die Eier stammen von 25 Hühner verschiedener Rassen.

Zum Biohof Grossegg im Zürcher Oberland gehören 23 Hektare Grünland.
lid/Michael Götz
Direktvermarktung
Zum Schlachten fahren sie ihre Tiere mit dem Anhänger zu einem örtlichen Metzger nach Fischenthal. Ihre Produkte, vor allem Fleisch und Eier, liefern sie direkt an ihre Kunden in Zürich und Winterthur, die fünf oder zehn Kilo Mischpakete online bestellen können.
«Unser Fleisch wird geschätzt, wir können davon leben», sagen die Landwirte. Ihre persönlichen Ausgaben sind aber bescheiden. Die Direktzahlungen decken ihren Aufwand für die Landschaftspflege ab. Ohne sie würde es nicht gehen. Das Geld geht vor allem in den kleinen Maschinenpark mit dem vielseitig verwendbaren Transporter, dem Traktor zum Zetten des Heus und dem modernen Brielmaier Hangmotormäher mit den Stachelwalzen.
Nebenerwerb in der freien Zeit
Das Leben der beiden Menschen auf der Grossegg ist geprägt von Arbeit. «Du musst ein grünes Herz haben», sagt Tamara. Auf einem Hof als Angestellte zu arbeiten verlangt schon einiges an körperlicher Arbeit, ihn auch selbst zu führen und alles zu planen, ist noch anspruchsvoller.
In der noch freien Zeit gehen beide einem Nebenerwerb nach, Jörg als Arbeitsagoge in einem Behindertenheim, Tamara im Frühling als Wiesen-Kontrolleurin bei Agricontrol. Der Betrieb ist Mitglied der Schweizer Bergheimat, ein Verein, der die Landwirte im Berggebiet durch Rat und Tat unterstützt. Die beiden schätzen vor allem den Austausch mit Gleichgesinnten. «Es gibt gute, spannende Ideen», schwärmt Tamara.
