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So kommen «Schnäppchen-Bauern» günstig zu Land

Christian Müller aus Thayngen SH ist einer jener Schweizer Bauern, die jenseits der Grenze Land besitzen und bewirtschaften. Dass er die in Deutschland billig produzierten Kartoffeln zollfrei in die Schweiz einführen und hier dann teurer verkaufen kann, stösst den deutschen Bauern sauer auf. Zu Unrecht, wie ein deutsch-schweizerisches Abkommen von 1958 zeigt.

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Jeder vierte Schaffhauser Bauer besitzt Land im benachbarten Deutschland. Als «Schnäppchen-Jäger» werden Schweizer Landwirte bezeichnet, die jenseits der Grenze günstig Land erwerben, die produzierten Waren zollfrei importieren und in der Schweiz teuer verkaufen. Mehr als 5’700 Hektar deutschen Bodens werden von Basel bis zum Bodensee von Schweizer Landwirten bewirtschaftet. Diese Fläche habe sich in den letzten Jahren verdoppelt, schreibt der «Stern».

Schweizerisch-deutsches Abkommen

Möglich macht dies das schweizerisch-deutsche Abkommen über den Grenz- und Durchgangsverkehr aus dem Jahr 1958. Es erlaubt, den in der 10-Kilometer-Grenzzone wirtschaftenden Bauern jeweils auch im Nachbarland Land zu erwerben und tätig zu sein. Eigentlich könnten also auch deutsche Bauern in der Schweiz Land erwerben und bewirtschaften. Da aber landwirtschaftliche Produkte in der Schweiz teurer verkauft werden können als in Deutschland, haben deutschen Bauern kaum etwas von diesem Abkommen. Schweizer Bauern jedoch profitieren davon.

Schon seit Generationen störten sich deutsche Bauern an dieser «Invasion» der Schweizer Bauern und fordern eine Anpassung des Abkommens. Zu gering sei jedoch das überregionale Interesse an diesem Abkommen etwas ändern zu wollen. Auch die seit 1999 gültigen bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU kommen hier den Schweizer Bauern entgegen, lässt sich dem Bericht vom «Stern» entnehmen.

650 Meter bis zur Grenze

Nur gerade einmal 650 Meter sind es vom Betrieb von Bauer Christian Müller im Kanton Schaffhausen bis zur schweizerisch-deutschen Grenze. Die Schwerpunkte seines Betriebes liegen in der Mastrinderhaltung und im Kartoffelbau. Er produziert nach den Richtlinien ÖLN und IP-Suisse. Insgesamt umfasst sein Betrieb in Thayngen SH rund 100 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche. Ein Drittel davon liegt im nahegelegenen Deutschland. Seine Familie besitze seit den 1930-er Jahren deutsches Land, heisst es im Bericht weiter.

Der Betrieb von Christian Müller befindet sich in der Reiatstrasse 51 in Thayngen. 

Das Abkommen von 1958 erlaubt es dem Schaffhauser Bauern, im grenznahen Deutschland Land zu besitzen, zu pachten und zu bewirtschaften. Müller darf aber nicht als «deutscher Betrieb» Mitarbeiter anstellen. Auch darf er auf seinem deutschen Land keine Gebäude bauen. Auch den Dünger darf er nicht in Deutschland beziehen, wo dieser viel billiger wäre. Die im Ausland produzierten Waren darf er aber zollfrei importieren und also in der Schweiz zu einem höheren Preis verkaufen, als wenn er dies in Deutschland tun oder wenn er Zoll bezahlen müsste. Ganz ohne Bürokratie gehe das aber dann doch nicht, erklärt Müller.  

Strenge Grenzkontrollen

Will er beispielsweise seine Kartoffeln in die Schweiz importieren, muss er dies zwei Stunden zuvor bei den Zollbehörden anmelden. Nur deklarierte Ware kann er zollfrei importieren. Dies werde auch streng kontrolliert, erklärt der Schaffhauser Bauer der «Zeit».

Es sei auch schon vorgekommen, dass er eine Ladung Kartoffeln vor der Schweizer Grenze abgestellt hätte, weil er die Anmeldefrist von 120 Minuten vergessen habe. Da sein Betrieb aber nur wenige hundert Meter von der Grenze entfernt liegt, nutzte er diese Zeit, um zu Hause Mittag zu essen. Nerven würde ihn diese bürokratische Vorgabe schon, gibt Müller zu verstehen. Der Ärger der deutschen Bauern ist jedoch wesentlich grösser, ist dem Bericht zu entnehmen. 

Deutsche Bauern «saumässig» verärgert

Trotz der Bürokratie bleibt es für Müller und viele andere Schweizer Bauern attraktiv, in Deutschland Land zu kaufen und zu bewirtschaften. Möglich macht dies das schweizerisch-deutsche Abkommen über den Grenz- und Durchgangsverkehr aus dem Jahr 1958. Darin ist geregelt, dass Landwirte der jeweiligen Länder ihre Agrarprodukte aus einer zehn Kilometer breiten Zone auf beiden Seiten der Grenze zollfrei in ihr Heimatland einführen dürfen, um sie dort zu verkaufen. Wie erwähnt, lohnt sich das aber nur für die Schweizer Bauern, da landwirtschaftliche Erzeugnisse in der Schweiz teurer verkauft werden können als in Deutschland.

Deutsche Bauern und Regionalpolitiker fordern deshalb seit Jahrzehnten eine Anpassung dieses Nachkriegs-Abkommen. Die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU hätten die Situation für die deutschen Bauern sogar noch verschlechtert, erkenne der deutsche Biobauer Oswald Tröndle. Früher hätten Schweizer Bauern nur deutschen Boden kaufen können, wenn sich kein deutscher Käufer dafür fand. Seit dem Inkrafttreten der Bilateralen 1999 seien die Schweizer den Deutschen praktisch gleichgestellt. «Mir stosst das saumässig auf, wenn ich höre, wie sich die Schweizer Bauern hier bei uns bedienen», wird Tröndle von der «Zeit» zitiert.

Deutsche Junglandwirte benachteiligt

Dass es verständlich ist, dass sich deutsche Bauern über dieses Abkommen ärgern, weil die finanzstärkeren Schweizer Bauern durch das Abkommen am längeren Hebel sind, lässt ein Beispiel erkennen. Bauer und Regionalpolitiker Tröndle erzählt von einem jungen deutschen Landwirt, der einen topmodernen, neuen Stall gebaut hat. Das dazu notwendige Land, das der junge Landwirt für das Futter für seine Tiere nutzen wollte, sei ihm dann aber von einem Schweizer Bauern vor der Nase weggekauft worden.

Tröndle beklage, dass durch dieses Abkommen ein unlauterer Wettbewerb entstehe. Wer deutsche Boden bewirtschaftet, solle auch als Deutscher behandelt werden, fordert der deutsche Biobauer. Dies bedeute, dass entweder Schweizer Bauern ihre in Deutschland hergestellten Produkte verzollen müssten oder dass deutsche Bauern einen zollfreien Zugang zum Schweizer Markt gewährt werden solle.

Änderungen nicht absehbar

Ein Gesetz von Baden-Württemberg lege zwar seit 2009 fest, dass Ackerland innerhalb der Zehn-Kilometer-Grenzzone nicht für mehr als 120 Prozent des ortsüblichen Preises verkauft werden darf. Dies, um die «reichen» Schweizer vom Überbieten abzuhalten. Doch selbst das Landwirtschaftsministerium des benachbarten Bundeslandes erkenne, dass dieses Gesetz nicht wie erhofft wirken würde. Für Tröndle sei auch klar wieso, schliesst die «Zeit» ihren Artikel.

Deutsche Landbesitzer würden an Schweizer Bauern verkaufen, weil diese mehr dafür zahlen würden. Da aber kaum ein überregionales Interesse besteht, das bald 70-jährige Abkommen anzupassen, dürfte sich für die Bauern an der Grenze in absehbarer Zeit kaum etwas ändern. Vorwürfe an Schweizer Bauern scheinen unangebracht, da sich diese ja an die gesetzlichen Rahmenbedingungen halten.

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