Liebevoll blickt er die Frau an, mit der er seit über einem halben Jahrhundert das Leben teilt. Längst sind ihre Haare silberweiss geworden. Auch er ist nicht mehr der fesche Bursche. Die wenigen Haare, die dem 88-jährigen Altbauer noch geblieben sind, schimmern silbern, und sein Gesicht ist von tiefen Falten gezeichnet.
Doch die Jahre konnten der inneren Schönheit des Paares und der Liebe zueinander nichts anhaben. Seit ihr einziger Sohn mit seiner Frau vor 24 Jahren den Landwirtschaftsbetrieb übernommen hat, geniessen Rita Zäch-Kalberer und ihr Mann Stefan den Ruhestand in ihrer Wohnung auf dem Rietlihof in Oberriet im St. Galler Rheintal.
Hübsches «Trachenfräulein»
Es war purer Zufall, dass sich die jungen Leute 1967 kennengelernt haben. Die damals 25-jährige Rita Kalberer hatte mit ihrer Trachtengruppe eine TV-Aufführung. Beim Zwischenhalt am Landjugendtag in Benken hat der junge Landwirt Stefan Zäch sie angesprochen. «Das hübsche Trachtenfräulein ist mir sofort ins Auge gestochen. Deshalb habe ich Mut gefasst und es zum Tanz aufgefordert», erinnert sich der heute 20-fache Grossvater. Auch bei Rita, die eigentlich keinen Bauern heiraten wollte, hat es gleich gefunkt.
Als Bauerntochter durfte sie und ihre ältere Schwester, im Gegensatz zu den fünf Brüdern, keine Ausbildung machen. «Damals lernten Mädchen keinen Beruf. Als ich aus der Schule kam, habe ich den Eltern auf dem Hof geholfen. Daneben habe ich beim Milchmann, im Konsum oder wo immer jemand gebraucht wurde, ausgeholfen», erzählt die 81-jährige Landfrau. Als ihr Bruder im Frühling 1968 heiratete, musste sie das Elternhaus verlassen, denn drei Frauen im Haus waren dem angehenden Bauer einfach zu viel. So kam sie zu einer Ärztefamilie nach Buchs, wo eines der fünf ihr anvertrauten Kinder, Elisabeth Rist, die heute bekannte Künstlerin Pipilotti Rist gewesen ist.
Hochzeit mit Hindernissen
Am 19. April 1969 läuteten für das junge Paar die Hochzeitsglocken. Doch ausgerechnet an diesem Tag kehrte der Winter zurück und hüllte die Ostschweiz und Mels in einen Mantel aus Schnee. Während die Braut in ihrem Elternhaus wartete, die meisten Gäste frierend vor der Kirche standen und die Glocken bereits läuteten, kämpften sich die Brautschwester und der Pfarrer durch den Schnee. So lange wie an diesem Tag habe es noch nie geläutet.
Die nächste Panne folgte kurz vor der Hochzeitsreise. Wegen der Namensänderung brauchte das Paar neue Identitätskarten. Als die frischgebackene Rita Zäch-Kalberer freudig ihr neues Reisedokument in Empfang genommen hatte, stellte sie fest, dass die Fotos vertauscht worden waren. Statt ihr Bild, lächelte ihr Ehemann ihr entgegen. Nachdem das geklärt war, genossen die Jungvermählten ihre Flitterwochen.
Andere Zeiten
Bereits kurz nach der Heirat übernahm der Bauernsohn den elterlichen Betrieb. Mit 25 Kühen, Jungvieh, Ackerbau und was es auf dem Hof sonst noch zu tun gab, war der Tag des Jungbauers mehr als ausgefüllt. Seine Freizeit gehörte seiner Familie, die nach der Geburt der ersten Tochter im Frühling 1970 auf sieben Mädchen und einen Buben wuchs.
Auch für Mutter Rita hatte der Tag mit Haushalt, Kinderbetreuung und Büro oft zu wenig Stunden. Wenn auch Traktor fahren und Kühe melken damals keine «Weiberarbeit» waren und ihr Mann sie nicht auf dem Hof einspannte, packte sie doch auf dem Feld und beim Heuen mit an, wenn zwei Hände mehr gebraucht wurden.
«Die Zeiten waren anders in den 60er- und 70er-Jahren. Nach der Heirat haben wir Bad und WC mit den Schwiegereltern geteilt. Doch als ich Kind war, hatten wir zuhause nicht mal ein Bad. Ich weiss noch, immer am Samstagabend musste sich ein Familienmitglied nach dem andern in der Küche waschen. Am Schluss war ich an der Reihe», erinnert sich die Seniorin.
Ihr Mann Stefan sei stets bemüht gewesen, ihr die Arbeit im Haus so weit wie möglich zu erleichtern. Er habe sie, zwar nicht nach dem neusten Schrei, jedoch immer mit modernen Haushaltgeräten versorgt. «Wir haben es zu etwas gebracht in unserem Leben und sind stolz auf unsere grosse Familie und auf den schönen Hof», sagt Rita Zäch, und ihr Mann nickt zustimmend. Heute geniessen sie ihren Lebensabend oft und gerne zuhause.