Überdurchschnittlich heisse Sommermonate sind nicht etwa angekündigt. Es gibt sie bereits. Und der Klimawandel scheint sie noch zu intensivieren. Auch der Lugnezer Landwirt Ursin Riedi bekam deren Folgen bereits in Form von massiven Ernteausfällen zu spüren, heisst es in einem Bericht der «Südostschweiz». Er suchte nach einer Lösung.
Mit dem Bau von zwei Weihern auf seinem Meiensäss will er nun Wasser speichern, um in trockenen Sommermonaten damit seine Felder bewässern zu können. Mit seinem Wasserrückhalteprojekt, das im Kanton Graubünden bisher einzigartig ist, möchte er auch den Weg für ähnliche Projekte ebnen. Mit seinem Projekt ist er einer von 52 Bünder Bauernbetriebe, die an der kantonalen Initiative «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» teilnehmen.
Für Bewässerung und Biodiversität
Der Biobetrieb von Ursin Riedi, seiner Frau und ihren drei Kindern liegt auf 1337 Metern über Meer. Der Hof befindet sich in Morrissen im Val Lumnezia und umfasst 47 Hektar Land. Zum Betrieb gehören auch 30 Milchkühe, fünf Mutterkühe mit Kälbern, fünf Pferde und 15 Hühner.
In seinem Garten hat Riedi bereits einen kleinen Weiher angelegt, der ihm als Versuchsobjekt für das Projekt auf seinem Meiensäss dienen soll. Beeindruckt zeigt sich der Biobauer sogleich, wie es ihm mit diesem kleinen Gewässer gelungen ist, eine kleine Oase der Biodiversität zu schaffen. Doch das Wasser soll dann auch einen wirtschaftlich Nutzen haben.
Denn die Hänge der Val Lumnezia sind nach Süden ausgerichtet und also heissen Sonnenstrahlen im Sommer besonders stark ausgesetzt. Durch die leichten Böden fliesse das Wasser in trockenen Sommern schnell ab, statt zu versickern, weiss Riedi. Die beiden Weiher auf seinem Meiensäss sollen seine Heuernte deshalb auch in trockenen Sommer sichern.
Vom «Agrarrebellen» inspiriert
Was ihn dazu veranlasst hat, über seinen Umgang mit dem Wasser nachzudenken, war der Hitzesommer vor sechs Jahren. Damals konnte er nur einen Bruchteil seiner durchschnittlichen Heuernte einbringen. Der Stein des Anstosses für sein «Weiher-Projekt» war dann eine Dokumentation über Sepp Holzer, dem «Agrarrebellen aus Österreich». Dieser habe ihn endgültig dazu inspiriert, einen anderen Weg zu finden, wie mit dem Wasser umzugehen ist, heisst es im Bericht.
Im Juli 2022 halfen im Kanton Obwalden drei Super Pumas aus, um den Wassernotstand in den Alpen zu überbrücken. Verglichen mit dem «Weiher-Projekt» von Riedi (3’000 m3) war dieses Wasserbecken à 53 m3 wohl nur einer dieser berühmten Tropfen.
Anja Tschannen
Eine Luftaufnahme seines Betriebes vom Hitzesommer 2018 zeigte ihm dann, dass seine Felder unterschiedlich intensiv von der Trockenheit betroffen waren. Bestimmte Boden-Bedingungen würden dazu führen, dass Wasser an gewissen Stellen viel länger verfügbar ist als anderswo, so seine Schlussfolgerung. Also wollte er für die trockeneren Bereiche seiner Felder etwas tun.
3 Millionen Liter Wasser
Riedi meldet sich für das kantonale Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» an. Die finanzielle Unterstützung des Kantons liess ihn eine Vorstudie für sein Projekt durchführen. Auf seinem Maiensäss auf rund 1’600 Metern über Meer sollen zwei Weiher Wasser speichern. Die beiden Weiher sollen zusammen bis zu 30 Aren gross werden und rund 3'000 Kubikmeter Wasser auffangen können. Das wären 3 Millionen Liter Wasser.
Die administrativen Vorbereitungen für den Bau laufen auf Hochtouren. Nachdem er die kantonalen Ämter über sein Vorhaben informiert hat, reichte er im Frühling bei der Gemeinde einen Projektantrag ein. Der nächste Schritt bestehe dann darin, die Finanzierung zu sichern. Riedi sei hier auf externe finanzielle Unterstützung angewiesen, verrät er der «Südostschweiz». Wie das Wasser aus den Weihern dann verteilt werden soll, sei noch offen.
Bergbauer Ursin Riedi sieht sich mit seinem «Weiher-Projekt» als Bündner Vorreiter in Sachen Wasserrückhalte-Projekte.
Daniel Salzmann
Riedi sei der erste Bauer im Kanton, der ein solches Wasserrückhalte-Projekt realisieren wolle. Er sehe sich deshalb auch als Testperson und Vorreiter. Durch die Sensibilisierung der Behörden auf diese Problematik und seine Erfahrungen, soll es Bäuerinnen und Bauern mit ähnlichen Ideen leichter fallen, diese umzusetzen. Seinen Weg geebnet hat auch das kantonale Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden».
«Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden»
Die Familie Riedi stellt einer der 52 Betriebe, die an der Pilotphase des Projekts «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» teilnehmen. Der Kanton Graubünden verfolgt mit diesem Projekt die Vision, der erste Schweizer Kanton zu sein, in dem klimaneutral produzierte Lebensmittel angeboten werden können. Bereits jetzt setzen sich viele Akteure der Bündner Landwirtschaft aktiv für den Klimaschutz ein, um klimaneutrale Lösungen zu entwickeln. Diese Dynamik will der Kanton weiter fördern.
Das Video unten stellt 4 Projekte der Initiative «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» vor.
Neben der Reduktion von Treibhausgasen erkennt der Kanton bei der Anpassung an den Klimawandel eine grosse Herausforderung. Auch die Landwirtschaft müsse dabei einen Beitrag leisten, so der Kanton. Hier knüpft denn auch das «Weiher-Projekt» der Familie Riedi an.
Im Rahmen der kantonalen Initiative «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» findet am 12. September 2024 am Rütihof in Landquart GR ein Energietag statt. Bauernfamilien, die sich auch als Energiewirte etablieren wollen, sind für diesen kostenlosen Workshop eingeladen. -> Kursinhalt und Anmeldebedingungen finden Sie hier.
Zum Thema «Wassernot in den Alpen» lesen Sie auch folgende Artikel:
Mehr Infos zum Projekt „Klimaneutrale Landwirtschaft“ und zu Ursin Riedis Idee gibt es auch hier:
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