Buttes und Môtiers befinden sich im Val de Travers, einem Längstal des Neuenburger Jura. Das Brunnenfest soll an den Tag vor 209 Jahren erinnern, als der Kanton Neuenburg in die Eidgenossenschaft aufgenommen worden ist. Der Einfluss Preussens war damals jedoch noch nicht ganz abgewendet. Trotzdem haben die neuen Eidgenossen mit dem Schmücken der Brunnen den Beitritt bereits gefeiert.
Nur in zwei Gemeinden
Eigentlich ist es nicht ungewöhnlich, einen historisch bedeutenden Tag mit einem Fest zu feiern. Ungewöhnlich ist aber, dass alle Gemeinden des Kantons Neuenburg den 1. März als den entsprechend historisch wichtigsten Tag feiern. Denn am 1. März 1848 befreite sich der Kanton endgültig von der preussischen Herrschaft. Nur in Buttes und Môtiers ist der Gedenktag des 12. Septembers erhalten geblieben. Und einzig in diesen beiden Neuenburger Gemeinden wird das Brunnenfest gefeiert.
Eine weitere Besonderheit des «Fête des Fontaines» ist, dass es kein offizielles Organisationskomitee gibt. Das Brunnenfest entsteht allein aufgrund der Initiative von Privatpersonen, die sich untereinander informell absprechen, um «Brunnenteams» zusammenzustellen. Dekoriert wird dann jeweils jener Brunnen, der am nächsten beim eigenen Haus liegt.
Schulkinder engagieren sich
Die Blumen, die sonst die Brunnen zieren, werden abgehängt und an ihrer Stelle werden Holzbretter aufgelegt. Die Brunnenkünstler entscheiden dann auch, ob das Wasser abgestellt werden oder weiter fliessen soll. Während die Dorfmusik für den Umzug dann eine führende Aufgabe übernimmt, engagieren sich für die Dekoration der Brunnen vor allem die Schulkinder.
Diese beginnen oft schon Monate vorher mit den Vorbereitungen. So sammeln sie Geld für die Dekorationsartikel. Dann streifen sie durch den Wald, um vor allem Moos zusammenzutragen, das als Grundlage für das Schmücken der Brunnen dient.
Die Brunnen werden mit viel Liebe zum Detail geschmückt.
Oliver Metzler
Umzug würdigt Brunnen
Am Nachmittag des 12. Septembers haben die Kinder schulfrei und beginnen unter Anleitung der Erwachsenen, ihre Brunnen zu schmücken. Bis um acht Uhr abends sind die letzten Feinheiten gerichtet. Auch die Kerzen werden angezündet, damit die Dekorationen wirklich zur Geltung kommen. Beeindruckend sind jeweils die vielen kleinen Details, die im Gesamtkunstwerk oft verloren gehen.
Die verzierten Brunnen dienen auch als Posten für den abendlichen Umzug. Angeführt wird dieser von der Dorfmusik. Gleich dahinter folgen die Kleinsten, die auf einem Anhänger sitzen und durch den Parcours gestossen werden. Gefolgt von den Schulkindern, die sich für diesen Anlass verkleidet haben. Der Umzug hält dabei vor jedem Brunnen. Die Kinder stimmen ein Lied an.
Die Dekorateure des Brunnens werden beglückwünscht und gelobt. Der Umzug folgt weiter den geschmückten Brunnen, bis sich abschliessend alle beim Brunnen «Six-Communes» treffen, um den in der Romandie traditionellen Rundtanz «Picoulet» zu tanzen.
Der Umzug zieht an allen geschmückten Brunnen vorbei.
Oliver Metzler
Revolutionäres Motiv ist heute zweitrangig
Das Brunnenfest wird auch als Fest der Brunnenkrönung bezeichnet, was wieder den historischen Hintergrund andeutet. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts war Neuenburg fest in den Händen des preussischen Königs Friedrich Wilhelm III. Die Neuenburger waren jedoch zum grössten Teil Republikaner. Aufgrund der preussischen Monarchie durften sie ihre Gesinnung jedoch nicht öffentlich kundtun.
Nebst den Wirtshäusern waren die Brunnen damals die einzigen Orte, an denen der preussische König Versammlungen tolerierte. Die Revolutionäre trafen sich also auch an den Brunnen, um ihre Strategien zum Sturz des Regimes auszuarbeiten Am 12. September 1814 wurde der Kanton Neuenburg in die Eidgenössische Tagsatzung aufgenommen und stand unter deren Schutz.
Der Einfluss der Preussen blieb aber vorerst weiterhin bestehen. Den Neuenburgern wurde deshalb auch verboten, den Tag ihres Beitritts zur Eidgenossenschaft zu feiern. Wie es den rebellischen Eidgenossen jedoch zu eigen zu sein scheint, umgingen sie dieses königliche Verbot, indem sie das Fest als Krönung der Brunnen tarnten.
Dieses kriegerische Moment fand in den 1970er-Jahren noch seinen Ausdruck, als noch Füsiliere am Umzug teilnahmen. Nebst den verzierten Brunnen stehen heute jedoch die Kinder im Vordergrund. Und so hielt man die militärische Präsenz bald für unangebracht und liess einzig die Dorfmusiker mitmarschieren.