«Meine Tochter isst kaum Fleisch. Jedoch gerne Linsen in allen Varianten.» Was Dominique Joye, Koch in Estavayer-le-Lac FR erzählt, kennen auch andere Eltern. Alternative Eiweissquellen sind gefragt. Nach Soja sind Linsen die proteinreichsten Hülsenfrüchte. Der Koch bezieht seine Linsen von der Familie Ruegsegger . Mit den sich verändernden Ernährungsgewohnheiten kommen immer mehr Linsen auf den Speiseplan.
In Nordafrika ist die würzige Suppe «Hariri» beliebt, in Indien und Nepal «Dal bhat». Es ist eine Art Linseneintopf (Dal) mit Gemüse. Dazu wird Reis (bhat) oder Fladenbrot serviert. Dank der Kombination von Linsen mit Getreide oder Kartoffeln ergänzen sich die neun lebensnotwendigen Aminosäuren, die Bestandteile des Eiweisses, so gut, dass das Gericht in Bezug auf Proteine sehr hochwertig ist.
Vielseitig einsetzbar
Linsen kamen bis in die 1950er-Jahre in der Schweiz regelmässig auf den Tisch. Dann gerieten sie etwas in Vergessenheit. Mit den veränderten Nahrungsgewohnheiten zu mehr pflanzlicher Ernährung hin werden diese Hülsenfrüchte neu entdeckt.
So enthält auch die neue Version vom Kochbuch «Tiptopf» neun Rezepte von Dal, Linsen im Pastateig über Linsenbolognese bis zu Linsenstock. Dominique Joye serviert sie im Restaurant du Pont FR fast täglich auf dem Salatbuffet, dazu gelegentlich als Beilage zu Fisch. «Beliebt sind sie auch als Linsensuppe und als Beilage zur Waadtländer Wurst und zu Speck. Besonders im Winter wärmen und nähren diese Gerichte», weiss der erfahrene Koch.
In der Küche stellen sie keine grossen Anforderungen an die Kochkünste: «Ich setze sie mit der doppelten Menge gesalzenem Wasser und etwas geschnittenem Gemüse auf. Dann koche ich sie bissfest.» Linsen sind zudem reich an Nahrungsfasern (Ballaststoffe), an Mineralstoffen wie Folsäure, Kalium, Eisen und Phospor und an Vitamin B1 und B6.
Zu lange gekocht werden sie matschig, erst recht, wenn das Kochwasser kein Salz enthält. Serviert er sie als Salat, nimmt er eine säurebetonte, klare Sauce und schmeckt sie mit gebratenen Speckwürfeli ab. Gekochte Linsen können auch püriert und zu Kroketten oder als Bindemittel verarbeitet werden. Mehl lässt sich zu Fladenbrot verbacken oder bereichert eine backfähige Mehlmischung mit dem Eiweissgehalt. Linsen sind auch keimfähig.
Dieses Linsengericht mit Zwiebeln und Speck vereint alle Geschmäcker.
Therese Krähenbühl
Nachfrage steigt
Die Nachfrage nach Linsen nimmt in der Schweiz zu. Die im Handel erhältlichen stammen oft aus Kanada, aus der Türkei oder allenfalls aus Frankreich. Dominique Joyes grüne Linsen kommen aus Delley, von der Familie Rueggsegger, von der der Koch auch Gemüse und Früchte bezieht. «Qualität und der persönliche Bezug zu den Produzenten ist mir wichtig.»
Er vertraute Rueggseggers auch, als sie ihm vor zwei, drei Jahren zum ersten Mal Linsen aus eigenem Anbau anboten. Rudy Rueggsegger wiederum liess sich von der Kundennachfrage leiten. Was auf seinem 45 ha grossen Betrieb im Kanton Freiburg wächst, vermarktet er, wenn möglich, direkt.
Düngung ist nicht nötig,
zvg
«Ich bin auf mich selbst angewiesen»
Schweizer Linsen sind ein Nischenprodukt. Es sind ganz wenige Bauern, die wie Rudy Rueggsegger das Risiko des Anbaus auf sich nehmen. Wie die Linsen auf dem Schweizer Tisch verschwanden, ging auch das Wissen über den Anbau verloren. Davon liess sich der gut 60-Jährige nicht abschrecken.
Er sucht nicht den Mainstream, er liebt die Abwechslung, auch die Herausforderung: «Ich bin auf mich selbst angewiesen. FiBL und Agroscope machen auf Kleinparzellen Feldversuche, doch auf knapp einer Hektare Anbau sieht es oft anders aus.»
Das Hauptproblem der wärmeliebenden Pflanze, die zu den Leguminosen gehört, ist ihre langsame Jugendentwicklung und ihre bescheidene Pflanzenlänge. Entsprechend ist der Druck des Unkrautes gross. Im Frühling hat Rudy den leichten Boden drei Mal vor der eigentlichen Saat bearbeitet. Die Saat in Mischkultur mit Leindotter mit einer spezialisierten Maschine verschob sich wegen des kalten, nassen Wetters in den Juni hinein.
Der Hof der Familie Ruegsegger befindet sich in Delley FR.
Nur durch Direktvermarktung möglich
Die trockene Periode im Anfangsstadium zwang ihn, mehrmals zu wässern. Doch das förderte auch das Unkraut. «Dagegen wirkt nur noch Handarbeit», fügt er an.
Düngung ist nicht nötig, Leguminosen können an den Wurzeln Stickstoff selbst binden. Die dünne, stark verzweigte Pflanze ist Mitte August ca. 20 cm hoch. Wenige weissliche Blüten sind sichtbar. Da und dort Zentimeter-grosse Hülsen, die ein bis drei scheibenförmige Samen enthalten.
Von der Mischkultur und dem Leindotter, die eine Stützfunktion und eine verbesserte Erntefähigkeit übernehmen sollen, ist kaum etwas zu sehen. Unkraut dominiert. Wie viel Ertrag er dieses Jahr haben wird, weiss er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst, wenn gedroschen wird.
Es ist nicht einfach, den Zeitpunkt zu bestimmen, da die Linsen unterschiedlich reif sind. Das Reinigen und das Aussortieren der zwei Kulturen wird extern mit Lichtschranken erledigt. Trocknen, Abpacken und Vermarktung macht die Familie wieder in Eigenregie. «Könnte ich die Linsen nicht direkt vermarkten, würde ich sie nicht anbauen», bilanziert der Bauer.