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Wegen Bergsturz: Kühe werden nicht mehr besamt

Die Bevölkerung des Lötschentals steht unter Schock. Obschon man mit einem Bergsturz gerechnet hat, hoffte man bis zuletzt, dass das schlimmste Szenario nicht eintreten würde. Der «Schweizer Bauer» konnte kurz mit Bauernfamilie Jaggi sprechen, während sie ihre Kühe unter freiem Himmel gemolken haben.

Christian Zufferey |

«Wir haben das sichtbare Dorf praktisch verloren, sind aber auch froh, dass wir vorher alle Einwohner evakuieren konnten. Das gibt Kraft, das zu machen, was nun vor uns liegt.» Das sagte Matthias Bellwald, Gemeindepräsident von Blatten (Lötschen) am Mittwochabend an einer Medienkonferenz in Ferden, dem ersten von vier Dörfern im Lötschental.

Teile der nächsten Dörfer, Kippel und Wiler, mussten in der Nacht auf Donnerstag ebenfalls vorsorglich evakuiert werden, weil allfällige grosse Abflüsse aus dem sich hinter dem Bergsturz bildenden See zu seitlichen Erosionen entlang dem Fluss Lonza führen könnten. 

Vorbereitet, aber trotzdem schockiert

Rund 300 Einwohnerinnen und Einwohner von Blatten haben ihr gesamtes Hab und Gut verloren, darunter «nicht nur Kleider, sondern auch viele persönliche Sachen», wie der Walliser Staatsrat Franz Ruppen (SVP) gegenüber dem «Schweizer Bauer» im Anschluss an die Pressekonferenz sagte. Ruppen sprach von sehr vielen Emotionen, grosser Betroffenheit und tiefer Trauer – über ein Dorf, das im Moment weg ist. Mit den Menschen, und aufgrund eines 64-jährigen Einheimischen, der seit Mittwoch vermisst wird.

«Wir wurden in den letzten Tagen zwar darauf vorbereitet», führte Ruppen aus. Doch habe man auch stets auf ein Szenario gehofft, wonach der Berg schuttweise herunterkommen könnte, und nicht gleich der ganze Berg auf einmal. «Wenn das schlimmstmögliche Szenario eintrifft, und danach Bilder sieht, die weit über das hinaus gehen, was man sich vorstellen kann, ist das etwas ganz anderes, als wenn man nur damit rechnet», sagte Ruppen.

«Noch nie dagewesen»

Ebenfalls an der Medienkonferenz anwesend waren die Bundesräte Martin Pfister und Albert Rösti. Während Pfister erst kurz vor der Pressekonferenz im Lötschental eingetroffen ist, war Rösti schon vor dem grossen Bergsturz da. Auch er sagte gegenüber dem Schweizer Bauer: «Ich kam eigentlich mit der Hoffnung hierher, dass der Berg langsam abbröckelt.» Was er dann jedoch erlebt habe, und hinterher das unglaubliche Ausmass der Verwüstung zu sehen bekam, machte fassungslos und zutiefst betroffen.

Rösti ergänzt: «Ich bin ja im Berggebiet aufgewachsen, habe schon manches Unwetter miterlebt, und war schon öfters erstaunt, was die Natur zerstören kann. Was wir aber hier erlebt haben, ist in der Schweiz noch nie dagewesen.» 

Melken unter freiem Himmel

Zu den direkt betroffenen Bauernfamilien zählt auch Familie Jaggi. Anders als manchen Schäfern, die bei der vorsorglichen Evakuierung des Dorfes Blatten vom 19. Mai ihre Tiere vorerst zurücklassen mussten, gelang es Jaggis noch, ihre Kühe aus dem gefährdeten Gebiet nach Kippel zu bringen. Seither melken sie ihre Kühe in einem Melkstand am Dorfrand von Kippel unter freiem Himmel. Da Jaggis auch in Kippel wohnen, haben sie ihr Zuhause noch intakt. «Meine Mutter stammt jedoch aus Blatten, wo auch noch ihre Mutter, ihre Geschwister und ihre Enkel lebten», erzählte Christian Jaggi am Mittwochabend am Dorfeingang von Kippel zu «Schweizer Bauer».

Seine Mutter, Claudia Jaggi, und ihr Mann Josef, waren am anderen Dorfende damit beschäftigt, die Kühe zu melken. Für sie war bereits am Nachmittag klar, dass ihr Stall, der sich nur wenige Meter vor dem Dorf Blatten befindet, zerstört ist. «Den Stall zu verlieren ist nicht das Allerschlimmste für mich», sagte sie, «sondern dass das ganze Dorf praktisch weg ist.» Wobei sie auf ihre gesamte Verwandtschaft verweist, die nun obdachlos sind. Die wenigen Häuser, die noch stehen, werden in den nächsten Stunden und Tagen vom See überflutet, der sich nun hinter dem gewaltigen Bergsturz durch das Aufstauen des Fluss Lonza bildet. Der See dürfte auch eine Fläche überfluten, die Jaggis im Sommer heuen müssten.

Zukunft ungewiss

Aufgrunnd der Arrondierung, die im Jahr 2020 abgeschlossen wurde, können Lötschentaler Bauern nun zusammenhängendere Flächen statt viele kleine und kleinste Parzellen bewirtschaften. Die meisten landwirtschaftlichen Nutzfläche der Familie Jaggi befinden rund um Blatten, wo sich ihr Betriebsmittelpunkt befand. In Kippel, wo sie wohnen, besitzen sie fast keine Flächen.

Wie es im kommenden Winter für sie weitergeht, ist noch unklar. Denn es sei praktisch ausgeschlossen, ihren Stall auf einer Schutthalde aus Geröll, Steinen, Eis und Schnee wieder aufzubauen. Aufgrund der Ungewissheit, wo sie ihre Kühe im Herbst unterbringen können, verzichten nun sogar darauf, ihre noch zu besamenden Kühe zu besamen. Nicht einmal der bevorstehende Alpsommer ist gesichert. Ihre Alp ist vom Bergsturz zwar verschont. Sie wäre sogar zu Fuss noch erreichbar. Doch eigentlich nicht für ihre Kühe, die normalerweise über einen anderen Weg auf die Alp gelangen müssten.

Wie «20.min» am Donnerstagmorgen berichtet , haben Landwirte im Lötschental damit begonnen, ihre Kühe zu evakuieren. Dies deshalb, weil sich hinter der blockierten Lonza ein Stausee bildet, der weiter unten im Tal ebenfalls zu Überschwemmungen führen könnte.

Schafe werden betreut

Jonas Jeitziner, stellvertretender Informationschef vom Regionalen Führungsstab Lötschental bestätigt im Anschluss an die Medienkonferenz gegenüber «Schweizer Bauer», dass sich im vom Bergsturz nicht betroffenen Gebiet oberhalb Blatten offenbar Tiere befinden – es dürften Schafe sein – «die betreut werden», aber «wir wissen noch nicht, wie es nun weiter geht. Wir müssen die Nacht abwarten, bis wir bei gutem Wetter einen Flug machen können und eine Gesamtübersicht haben.» Es geht dabei um die zu Blatten gehörenden und ganzjährig von Einheimischen bewohnten Weiler Eisten und Weissenried, die nicht evakuiert wurden, aber von der Druckwelle des Bergsturzes erfasst wurden.

«Soweit uns bekannt ist, gibt es dort aber keine grösseren Schäden an Gebäuden, und es wurde glücklicherweise auch niemand verletzt.» Die Bewohner von Eisten sind nun aber vollständig von der Aussenwelt abgeschnitten. Jeitziner: «Von Eisten gibt es momentan kein Wegkommen mehr, ausser über die Luft. Da weiss ich, dass man erste Personen evakuiert hat, die das wünschten. Der Grossteil will aber noch da bleiben. Von Weissenried besteht  noch ein Fluchtweg zu Fuss. Da wurde bis jetzt noch niemand evakuiert.» Dem Vernehmen nach soll auch der Gemeindepräsident von Blatten in Weissenried wohnen.

Kommentare (8)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Dietwyler Doris | 31.05.2025

    Jetzt können die Schweizer beweisen das sie hinter den Einheimischen stehen und Spenden. Nicht nur immer für das Ausland

  • Wird bekanntgegeben | 30.05.2025
    Hallo ich bitte dem Landwirt an seine Tiere (Kühe Rinder Schafe Ziegen) gratis aufzunehmen Sommer und Winter bis er eine bleibe hat.
    Bei interesse gerne melden.
    • G.Brunner | 31.05.2025
      Ich bin fassungslos und finde keine Worte für die Betroffenen. Aber die Besamung finde ich im allgemeinen eine Ausnützung (Vergewaltigung)der Tiere !
      Das wichtigste ist jetzt überal mitgefüll und neue Existenz auf zu zeigen !
  • Aargauer Milchbauer | 29.05.2025

    Ich wünsche der Familie Jaggi und natürlich allen Anderen viel Trost, Gottvertrauen und Hoffnung. Vielleicht kann es trotzdem Zuversicht geben, die Kühe weiter zu besamen. So dass das Leben weitergeht. Eine Geburt gibt Kraft und Hoffnung, dass es gottgegeben weitergehen kann. Bhüet üch !!!

  • Romelia | 29.05.2025
    Es wird ja gespendet,über die Glückskette
    • Gisler | 30.05.2025
      Mein Gott haben sie so ein kaltes Herz oder sie nur blöd und dumm!
  • Richner Silvia | 29.05.2025
    Ist schon komisch passiert was im Ausland,schon ist die Glückskette da und sammelt Spenden.Passiert etwas wie in Blatten bleibt sie schön still.Wünsche den Einwohnern viel Kraft und Mut ihr Dorf wieder aufzubauen.
    • Sonne | 29.05.2025
      Stimmt nicht, besser informieren wäre von Vorteil
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