Obwohl Hofläden oder Verkaufscontainer kein Personal beschäftigen, müssen sie im Kanton Luzern nun abends um 19 Uhr schliessen und sonntags ganz geschlossen bleiben. In anderen Kantonen, wie zum Beispiel im benachbarten Zug wurden solche Konzepte von der Regelung ausgeschlossen.
Ausgerechnet im Kanton, in dem jedes dritte Schwein der Schweiz lebt, dürfen die Bauern Würste und Koteletts nur noch zu vorbestimmten Zeiten unters Volk bringen, schreibt die «NZZ» . Die Bedürfnisse der Kundschaft würden keine Rolle spielen.
«Wer kenne es nicht?»
Denn: «Wer kenne es nicht?», wird im Artikel gefragt. Man sei zum Sonntagsbrunch eingeladen und merkt zu spät, dass ein Mitbringsel fehle. So habe Glück, wer unterwegs an einem Verkaufscontainer von Rüedu, Bioflix oder an einem anderen Laden eines landwirtschaftlichen Startups vorbeikomme.
In den «Laden» kommt rein, wer sich mit dem Handy registriert. Das Sortiment reicht vom Schüblig über Bio-Käse, getrocknete Apfelringe und hausgemachten Sirup bis zu diversen Spezialitäten aus der Region. Für den eigenen Kühlschrank kaufe man vielleicht noch Biomilch, Lammracks und frisches Gemüse. Doch eben, Pech habe, wer in der Region Luzern zu Hause ist, kommentiert die «NZZ» den Entscheid des Justizdepartement des Kanton Luzern.
«Ladenschlussgesetz gilt für alle»
Die «Luzerner Zeitung» hat den Fall aufgerollt. Die Betreiberin der Verkaufsbox, die Digitalrat GmbH, wollte an den längeren Öffnungszeiten festhalten. Sie wollte die Box täglich von 5 bis 23 Uhr offen halten. Als Option hat sich das Unternehmen einen 24-Stunden-Betrieb vorbehalten. Das Unternehmen argumentierte, dass es im Container kein Verkaufspersonal gibt, das man vor Nacht-oder Sonntagsarbeit schützen müsste
Doch die Luzerner Gewerbepolizei und auch das kantonale Justiz-und Sicherheitsdepartement erteilten diesem Begehren eine Absage. Das Argument von Digitalrat sei irrelevant: Das Ladenschlussgesetz gelte für alle Läden, unabhängig davon, ob sie Personal beschäftigen oder nicht, zitiert die «Luzerner Zeitung» aus dem Gerichtsurteil.
Hofläden mit Türen müssen schliessen
Und das Urteil hat einen weiteren brisanten Inhalt. Die Digitalrat GmbH verwies auf die Hofläden. Diese hätten auch bis spätabends und auch am Sonntag geöffnet. Die Antwort des Justizdepartements lässt aufhorchen: Die Praxis solcher Hofläden sei illegal. Auch sie müssten sich an die offiziellen Ladenöffnungszeiten halten, heisst es im Artikel der «Luzerner Zeitung».
Ausgenommen seien «offene Verkaufsstände». Sobald man eine Tür öffnen muss, um zu den Gemüsekisten zu gelangen, handelt es sich offiziell um einen Laden, der die Ladenöffnungszeiten einhalten muss, schreibt die Zeitung weiter. Die Polizei könnte also die Bauernfamilien büssen. Nun gibt es Bewegung im Parlament. GLP-Kantonsrätin Ursula Berset reichte eine Motion ein. Diese verlangt, dass Läden ohne Personal vom Ladenschlussgesetz ausgenommen werden.
Bauern sollen sich Nischen suchen
Mit Blick auf die Bauernproteste der letzten Wochen, bricht die «NZZ» auch eine Lanze für die mit der Regelung verhinderte Direktvermarktung. Man fordere von den Bauern sich Nischen zu suchen. Nachdem der Onlineboom – den auch viele Landwirte als neuen Absatzkanal genutzt haben – vorbei ist, wird nun aber wieder vor Ort eingekauft. Das hat eine Studie der Universität St. Gallen Anfangs März ergeben.
Die Konsumenten kaufen wieder spontaner ein, und sie wollen die Lebensmittel begutachten, bevor sie sie auswählen. Die «NZZ» meint in ihrem Artikel, dass genau dies verschiedene Startups mit ihren kleinen Läden für regionale bäuerliche Produkte ermöglichen würden. Dass sie sich nicht an die gleichen Öffnungszeiten halten müssen wie Migros und Coop, sei ihre Chance.
Unbediente Läden mit landwirtschaftlichen Produkten treffen den Zeitgeist und wären eine Chance für geplagten Bauern. In Luzern müssen sie nun abends schliessen. Das ist grotesk.
Der Kommentar von @irenetroxlerhttps://t.co/m6sQ9tZPom— NZZ (@NZZ) March 21, 2024
Gesetze aus vordigitalen Zeiten
Da kein Personal vor Ort ist, ist das auch problemlos möglich. Dank der neu gefundenen Nische können viele Bäuerinnen und Bauern ihre Spezialitäten wieder direkt vermarkten. Die Nachfrage sei laut «NZZ» da. Gesetze, die nun aus vordigitalen Zeiten stammten und jetzt so ausgelegt würden, als hätte sich die Welt nicht verändert, verschärfe das Problem der Landwirtschaft.
Wer unbedingt an fixen Ladenschlusszeiten festhalten wolle, sollte es wenigstens machen wie der Kanton Zürich. Er gewährt eine Ausnahme für Kleinläden mit weniger als 200 Quadratmetern Fläche. Diese Grösse würde genügen, um die Luzerner Schweine vom Rüssel bis zum Ringelschwanz an die Kundschaft zu bringen, wenn die Grossverteiler die Preise zu stark drücken, so die «NZZ».
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