«Die Zubereitung von Trockenfleisch habe ich daheim gelernt, das mache ich immer noch gleich», sagt Ernst Jauch.
Christof Hirtler
In Bristen im Maderanertal beginnt jeweils vor Weihnachten das Räuchern von Tigets, Schinkenspeck und Würsten. Weil die alten Rauchküchen verschwunden sind, räuchert man nun abseits der Häuser in kleinen Holzhütten. Auch Ernst Jauch besitzt so eine, unweit seines Hauses mitten in Bristen.
Der pensionierte Bauarbeiter, Bergführer und Hüttenwart braucht für das Räuchern des Fleischs für sich, seine Kinder und seine Geschwister rund zwei Wochen. «Ich mache diese Arbeit sehr gerne», sagt Ernst Jauch und öffnet die Türe des Räucherhüttchens. Der ganze Raum ist schwarz.
Auf dem Boden steht eine grosse, rechteckige schwarze Metallkiste. Darin befindet sich das Sägemehl, das Jauch mit ein paar kleinen Holzscheiten anzündet. Es glimmt nun rund anderthalb Tage. Durch kleine Noppen lässt sich der Deckel nicht ganz schliessen, und der Rauch entweicht zur Decke, wo die Fleischstücke und Würste an Haken aufgehängt sind.
Schliesslich gelangt der Rauch durch eine schmale Öffnung zwischen den Wänden und dem Dach ins Freie. Nach rund drei bis vier Tagen ist das Fleisch trocken, wird vakuumiert und in der Tiefkühltruhe gelagert. Für sich räuchert Jauch rund 100 Kilogramm Fleisch – Würste, Kuhfleisch und Schweinespeck. Das Trockenfleisch reicht für ein ganzes Jahr. Täglich werden Dirrs, Schinkenspeck und Hüüswirschtli zum traditionellen Znüni und Zvieri aufgetischt.
Kulinarisches Erbe
Will man Fleisch konservieren, muss man ihm die Flüssigkeit entziehen. Dazu werden die Fleischstücke als Erstes gesalzen und für rund eine Woche in einen Zuber gelegt. Das Salz entzieht dem Fleisch Wasser. Hängt man das Fleisch danach in den Rauch, setzt sich durch die Wärme der Trocknungsprozess fort, und der Rauch legt sich als schützender Film auf die Oberfläche der Stücke.
Der Rauch legt sich auf die Oberflächen.
Christof Hirtler
«Ich liebe diesen dezenten Rauchgeschmack», sagt Ernst Jauch. Zum Würzen der Fleischstücke verwendet er nur Salz, die Würste werden zusätzlich mit ein wenig Knoblauchpulver eingerieben. Beim Räuchern werden bei Jauch Erinnerungen wach: «Dirrs und Hüüswirscht erinnern mich an die Geschmäcke meiner Kindheit.»
Die Herstellung von Trockenfleisch ist im Kanton Uri sehr lebendig, deshalb haben es Dirrs und die Urner Hauswürste ins Inventar des kulinarischen Erbes der Schweiz geschafft. Die Mengen von Fleisch, die jedes Jahr von Bauernbetrieben und Privaten verarbeitet werden, sind enorm. Die genaue Zahl ist unbekannt, die Grossverteiler in Altdorf, Schattdorf und Erstfeld dürften in ihren Aktionswochen Ende November rund 40 Tonnen Frischfleisch und Schinken verkaufen.
Kindheitserinnerungen
«Auch wir kaufen heute das Fleisch beim Grossverteiler», erzählt Ernst Jauch, der im Schattigberg, Bristen, aufgewachsen ist. «Im kleinen Haus wohnten neun Kinder, Vater und Mutter, Grossmutter und Grossvater. Wir hatten 6 bis 7 Hektaren Land, drei Kühe, Rinder und jährlich zwei Schweine. Die waren im Sommer auf der Alp und wurden im Herbst aufgemästet.»
Im Winter wurden die Schweine und eine Metzgkuh, die der Vater von Ernst Jauch mit einem Nachbarn kaufte, geschlachtet. Bei der Hausmetzgete waren die Blutwürste ein Festessen. Viel Fleisch hat seine Mutter als Voressen in Gläser abgefüllt und sterilisiert. Das Voressen mit Sauce und Salzkartoffeln war das traditionelle Festessen am Sonntag.
«Die Zubereitung von Trockenfleisch habe ich daheim gelernt, das mache ich immer noch gleich. Der einzige Unterschied: Das Fleisch haben wir in der offenen Küche geräuchert. War das Fleisch trocken, haben wir es in grosse Futtersäcke gefüllt, gut zugebunden, damit keine Fliegen dazukommen, und die Säcke im Estrich aufgehängt. Dies war unser Vorrat für das ganze Jahr. Trockenfleisch, Speck und Würste assen wir auf dem Feld und beim Wildheuen.»
Ernst Jauch erzählt, dass sie weit weg vom Dorf wohnten und nicht einfach in den Laden rennen konnten. Milch, Butter, Fleisch und Käse, Teigwaren, Kartoffeln und andere Vorräte hatte die Familie immer daheim. Das war im Winter wichtig. «Oft waren wir während Tagen wegen Lawinengefahr abgeschnitten. Den Wetterbericht hörten wir im Radio: Wenn Schnee angekündigt wurde, mussten wir Kinder Brot heimbringen. Mindestens drei, vier Kilo», erinnert sich Jauch. So einfach lebte die Familie. «Alle bekamen immer genug zu essen, waren zufrieden und satt.»